Dirk Schütz ist ein Obrist bei den Seelzer Zeitreisen

Seit sieben Jahren ist der Havelser Dirk Schütz (42) bei den Zeitreisenden dabei. Auch er wurde damals durch die Tageszeitung auf die Suche nach Laienschauspielern aufmerksam. Eigentlich mag er weder Karneval noch Verkleidung, erzählt er, aber ein Gewand sei eben etwas ganz anderes. Rechte Hand des Generals: Und so verwandelt er sich jährlich in den Obristen Ewald Konrad Schweighardt, Mitglied der Armee von Michael von Obentraut, der als Reitergeneral im Dienste seiner Majestät König Christian IV. von Dänemark unterwegs ist. Wenn Schütz in seine Rolle schlüpft, dann zieht er seinen schwarzen Kampfrock an, setzt sich das Barett auf den Kopf und legt das Cape um die Schulter. Dicke Lederhandschuhe, ein Trinkhorn, grobe Stiefel und eine Muskete runden sein Erscheinungsbild ab. Auch der lange Ledergürtel erzählt von einer anderen Zeit. „Da hängt alles, was Schweighardt zum Überleben braucht, dran“, erklärt Schütz und zeigt auf ein kleines Säckchen, das mit Gold gefüllt ist. Sein Handy hat er hinter einem Frettchenfell versteckt. Das würde so niemand sehen und notfalls könne er auch telefonieren, ohne die moderne Technik sichtbar zu machen. Inzwischen hat Schütz schon fast eintausend Euro in seine Gewandung investiert. Vieles habe er im Internet oder auf Mittelaltermärkten gefunden, verrät er. Aber auch in Baumärkten sei er fündig geworden, dort habe er die Kette gekauft, an der seine Geldbörse befestigt ist. 2010 habe er auf der Veranstaltung „MPS Mittelalterlich Phantasie Spectaculum“ in Bückeburg die ersten Teile seines Gewandes erstanden. „Meine Frau kaufte sich damals ein Kleid und trug es dort sofort“, berichtet er. Auch Freunde hätten sich gewandet und ihn schließlich damit inspiriert. Und obwohl das 11. und 12. Jahrhundert eher sein Ding sei, würde er sich auch für Obentrauts Geschichte begeistern. Zuschauermengen sind Herausforderung: Während seiner Schulzeit war Schütz zwar in einer Theater-AG, mit dem Eintritt bei den Zeitreisenden betrat er allerdings Neuland. „Es ist etwas ganz anderes, ob man auf einer Bühne steht, oder im Freien spielt“, erklärt er. Da müsse sich die Stimme drauf einstellen, damit man auch Gehör findet. An seinen ersten Auftritt im Bürgerpark kann sich der Laienschauspieler noch gut erinnern, denn damals wusste er nicht, was auf ihn zukam. „Bei den Menschenmassen an Zuschauern wurde mir ganz anders“, erinnert er sich. Die Gewandung sei allerdings auch irgendwie wie ein Schutzpanzer, der letztendlich auch etwas Sicherheit vermitteln würde. Mit Begeisterung ist Schütz auch bei dem vorbereitenden Workshop mit Theaterpädagogin Doris David und dem kompletten Zeitreiseteam dabei. „Wichtig sind dabei die Stichpunkte, wann mein Einsatz ist“, sagt der Laienschauspieler. Die Monologe seien, wenn man sich viel Mühe gäbe, sehr gut zu erlernen. Für Erleichterung würde bei ihm sorgen, so Schütz, dass kleine Veränderungen dem Publikum nicht auffielen. Schütz lobt auch den Zusammenhalt im Team, der ganz besonders sei. „Jeder wird so, wie er ist aufgenommen und akzeptiert“, schwärmt er. Seine Aufgabe bei der Zeitreise im Bürgerpark ist klar umrissen. Als rechte Hand des Reitergenerals müsse er die Truppen rekrutieren und ihnen Zucht und Ordnung beibringen. „Ich spiele einen typischen Militärmenschen, der Befehle weitergibt und erteilt“, beschreibt er seine Rolle. Liebestrank mit Auswirkungen: Allerdings habe Obentrauts rechte Hand die Frauen als großes Laster, erzählt Schütz. Und so würde er mit Martha, der Zofe der Edeldame, anbändeln. Ein Liebestrank hätte sogar dazu geführt, dass die Verliebten ihre Herren verlassen. Schütz konnte sogar Familienmitglieder und Kinder von Freunden dafür begeistern, bei den Zeitreisenden mitzumachen. Und so wird er auch heute noch von Ehefrau Stefanie (42) und den Söhnen Randy (16) und Maverik (13) begleitet. Neben dem Spektakel im Bürgerpark genießt Schütz auch alle anderen Auftritte der Zeitreisenden. Ob beim Lichtermeer, bei Stadtführungen oder beim Besuch in Stromberg, er und seine Familie waren mit großer Freude dabei. Jährlich ziehen 30 Darsteller in bunten Kostümen durch den Bürgerpark, in diesem Jahr bereits zum elften Mal. An verschiedenen Stationen geben sie den Zuschauern einen Einblick in die Vergangenheit während des Dreißigjährigen Krieges. Schauspieler Rainer Künnecke verkörpert dabei Reitergeneral Michael von Obentraut, der fähige Männer sucht, um gegen Tilly in den Krieg zu ziehen. Ob Wahrsagerin, Bauernvolk, Magd oder Musiker, die Darsteller lassen gemeinsam alte Zeiten aufleben und bringen das Jahr 1625 nach Seelze. Obentraut ist seit 2008 die Imagefigur von Seelzes Stadtmarketing. Die Zeitreisenden sind als Obentraut-Gefolge auch bei Stadtempfängen und anderen Veranstaltungen gefragt. Wir stellen einige Darsteller mit ihren Rollen vor und blicken mit ihnen gemeinsam hinter die Kulissen. Die nächste Zeitreise wird am Freitag, 21. August, angeboten. Lesen Sie auch: Zeitreisende besuchen Rittergilde von Stromberg Darsteller bereiten sich auf zehnte Obentraut-Zeitreise vor Obentraut-Zeitreise: Böllerschüsse fallen im Bürgerpark Seelzer Zeitreisende: Nanette Bystron verkleidet sich seit sieben Jahren Von Heike Baake