Seelze: Cathrin Seger-Wust spielt eine Engländerin bei den Zeitreisenden

Ob Bauernmagd, Wahrsagerin oder eine arrogante Engländerin – Cathrin Segert-Wust beherrscht ihre Rollen. Die gebürtige Letteranerin, die heute in Neustadt lebt, gehört mit zum Team der Zeitreisenden. Seit 2012 ist sie dabei und genießt neben dem Auftritt im Bürgerpark auch alle anderen Veranstaltungen, bei denen die Gruppe der Laienschauspieler teilnimmt. Stunden vorher aufgeregt: Ihren Einstieg hatte sie vor acht Jahren mit der Rolle einer Bauernmagd. „Das Kostüm hatte ich bereits, da ich jährlich beim Mittelalterlichen Phantasie Spectaculum MPS aktiv bin“, sagt Segert-Wust. Auch sie wurde durch einen Aufruf in der Tageszeitung auf die Zeitreise aufmerksam. Und obwohl sie keine Erfahrung mit Theaterspielen hatte, stellte sie sich der neuen Herausforderung. „Ich musste nur einen Satz sprechen, war aber fünf Stunden vorher aufgeregt“, erzählt sie. Mittlerweile hat Segert-Wust mehrere Rollen durchlaufen. Nachdem sie zwei Jahre eine Bauernmagd gespielt hatte, verkörperte sie dann die Wahrsagerin Sybilla. „Ich sah überall nur Unglück, selbst dem Reitergeneral prophezeite ich, dass er in den Tod reitet“, sagt sie. Als Nächstes übernahm sie die Rolle einer Heilerin, die mit Zigeunern unterwegs war. Diese Rolle hätte sie allerdings nicht richtig ausspielen und mit eigenen Ideen verwirklichen können. „Es war einfach zu langweilig für mich“, sagt sie aus der Erinnerung. Traumrolle als arrogante Engländerin: Ihre Traumrolle als Dulli May übernahm Segert-Wust im vergangenen Jahr. Sie verkörpert eine arrogante Engländerin, die es sich zum Ziel gemacht hat, Seelze von Letter zu spalten. Auf die Idee wäre sie durch den Brexit gekommen, verrät sie. Dulli sei realitätsfern und würde nicht merken, wenn ihr jemand etwas entgegensetze. Den Text lernt die Laienschauspielerin innerhalb von zwei Tagen und intensiviert ihn anschließend im Workshop direkt vor der Zeitreise. „Da kommen auch von den anderen noch viele tolle Ideen, die man ergänzen kann“, sagt sie. Letztes Jahr hatte Dulli sogar einen Schlagabtausch mit dem Seelzer Dorfvorsteher. Der wurde von Segert-Wusts Ehemann Mark gespielt, der gemeinsam mit seiner Ehefrau seit 2012 zum Team gehört. Während Dulli versuchte, die Menschen davon zu überzeugen, in den schöneren Ort Letter zu gehen, klärte der Dorfvorsteher über das dort fehlende Rathaus und Museum auf. „Dort, wo andere eine Waffe tragen, trägt der Dorfvorsteher eine gusseiserne Pfanne“, sagt Mark Segert-Wust. Er hätte schon andere Rollen bei den Zeitreisenden gespielt, aber diese gefiele ihm besonders gut. Man könne richtig laut sein und müsse sich nicht wie sonst in der Gesellschaft benehmen, sagt er. Nicht nur sprachlich haben sich die Rollen der Laienschauspielerin im Laufe der Jahre geändert, auch das Gewand ist auffälliger geworden. Als Engländerin trägt sie ein rotes Kleid mit schwarzem Kampfrock. Dulli ist auch nie ohne Pistole und großen schwarzen Filzhut unterwegs. „Eine Stunde brauche ich, um mich anzuziehen und zu schminken“, erzählt sie. Dabei vergisst sie nie den schwarzen Lippenstift, denn der würde sehr gut ihren Hang zu düstern Rollen unterstreichen. „Zeitreise ist schöner als Weihnachten“: Von ihrer anfänglichen Schüchternheit als Bauernmagd ist heute nichts mehr zu spüren. „Die Zeitreise hat meinem Selbstbewusstsein gutgetan“, sagt sie erfreut. Das merke sie auch daran, dass sie im vergangenen Jahr gar nicht mehr aufgeregt gewesen sei. Wenn sie das Gewand anhabe, dann sei sie auch schon in der Rolle drin und würde im Spiegel die Dulli May sehen und nicht die Cathrin Segert-Wust. Auch sei sie dankbar für alle Freundschaften, die sie im Team schließen konnte. „Ich habe Personen kennengelernt, die ich sonst nie kennengelernt hätte“, sagt sie. Jedes Jahr freue sich auf die Zeitreise, zu der sie sich immer eine Woche Urlaub für Workshop und Aufführung nehme. „Es ist schöner als Weihnachten, mein Herz hängt wirklich daran“, sagt sie. Jährlich ziehen 30 Darsteller in bunten Kostümen durch den Bürgerpark, in diesem Jahr bereits zum elften Mal. An verschiedenen Stationen geben sie den Zuschauern einen Einblick in die Vergangenheit. Schauspieler Rainer Künnecke verkörpert dabei den Reitergeneral Michael von Obentraut, der fähige Männer sucht, um gegen Tilly in den Krieg zu ziehen. Ob Wahrsagerin, Bauernvolk, Magd oder Musiker, die Darsteller lassen gemeinsam alte Zeiten aufleben und bringen das Jahr 1625 nach Seelze. Die Zeitreisenden sind als Obentraut-Gefolge aber auch bei Stadtempfängen und anderen Veranstaltungen gefragt. Wir stellen in lockerer Folge einige Darsteller mit ihren Rollen vor und blicken mit ihnen gemeinsam hinter die Kulissen. Die nächste Zeitreise wird am Freitag, 21. August, angeboten. baa Lesen Sie auch: Zeitreisende besuchen Rittergilde von Stromberg Darsteller bereiten sich auf zehnte Obentraut-Zeitreise vor Obentraut-Zeitreise: Böllerschüsse fallen im Bürgerpark Seelzer Zeitreisende: Nanette Bystron verkleidet sich seit sieben Jahren Von Heike Baake