Die Landesdatenschutzbeauftragten Barbara Thiel aus Bennigsen im Interview

Mehr Homeoffice und mobiles Arbeiten, Videokonferenzen in Schulklassen, die Impfkampagne oder die Corona-Warn-App – bei all diesen Themen spielt der Datenschutz eine große Rolle. Vor welchen Herausforderungen stehen die Unternehmen? Und wie sinnvoll ist die Corona-Warn-App? Im Interview spricht Barbara Thiel, Landesbeauftragte für den Datenschutz in Niedersachsen, über die Corona-Krise und aktuelle Entwicklungen. Die Corona-Krise wirft vor allem für Arbeitgeber viele datenschutzrechtliche Fragen auf. Welche datenschutzrechtlichen Themen müssen beachtet werden, wenn aufgrund der aktuellen Situation Mitarbeiter vor allem im Homeoffice arbeiten? Thiel: Ganz grundsätzlich gilt vor allem eines, wenn Beschäftigte im Homeoffice arbeiten – egal ob für ein Unternehmen oder eine Behörde: Sie müssen darauf achten, dass unbefugte Dritte keine Kenntnis von personenbezogenen Daten nehmen können, die einen dienstlichen Bezug haben. Und zum zweiten müssen sie dafür sorgen, dass sich berufliche und private Daten nicht vermischen, zum Beispiel E-Mails. Wann immer personenbezogene Daten verarbeitet werden, müssen Schutzmaßnahmen ergriffen werden – der Datenschützer nennt das technisch-organisatorische Maßnahmen. Die Stärke dieser Maßnahmen muss sich danach richten, welche Daten unter welchen Umständen verarbeitet werden. Das heißt, verarbeiten Beschäftigte Unterlagen mit besonders sensitiven Daten wie zum Beispiel Gesundheitsdaten, müssen die technisch-organisatorischen Maßnahmen entsprechend stark sein, damit sie angemessen sind. Ich würde empfehlen, nur dienstliche Geräte zu verwenden, die vom Arbeitgeber bereitgestellt und zentral administriert werden. Das ist die sicherste Variante. Eine Verbindung zum Unternehmensnetz sollte ausschließlich über eine angemessen abgesicherte Verbindung hergestellt werden, also zum Beispiel über VPN, wie es in meinem Haus auch üblich ist. Und da die meisten wahrscheinlich zu Hause ihr WLAN nutzen, müssen die WiFi-Zugänge mit einem sicheren Passwort abgesichert sein. Die Corona-Krise hat dazu geführt, dass viele Unternehmen gezwungen waren, sehr spontan auf Homeoffice und mobiles Arbeiten umstellen zu müssen. Wie hat das bislang aus Ihrer Sicht geklappt und wo sehen Sie Nachholbedarf? Bei den Tausenden Unternehmen in Niedersachsen habe ich keinen Überblick darüber, wie gut oder schlecht insgesamt die Umstellung aufs Homeoffice funktioniert hat. Mir ist es in dieser schwierigen Phase vor allem wichtig, die Unternehmen zu unterstützen und zu beraten. Deshalb hat meine Behörde auch relativ zügig Hinweise für das datenschutzgerechte Arbeiten im Homeoffice veröffentlicht. Kommen wir zum Thema Schule: Immerhin mussten die Bildungseinrichtungen ebenfalls neue Wege gehen und zum Beispiel Unterricht per Videokonferenz abhalten. Eltern wurden teilweise aufgefordert, aus datenschutzrechtlichen Gründen ihr Einverständnis zu geben, dass ihr Kind dabei gefilmt wird. Welche Rückmeldungen haben Sie bislang bekommen? Sind die Schulen auf diese Herausforderungen gut vorbereitet? Videokonferenzen für den Unterricht abzuhalten, ist auf jeden Fall möglich, solange sichergestellt ist, dass das eingesetzte Videokonferenzsystem die datenschutzrechtlichen Anforderungen erfüllt. Besonders wichtig ist, dass die Übertragung innerhalb des Klassenkontextes bleibt und die Daten nicht an Dritte übermittelt werden. Denn die Schule ist ein geschützter Raum. Dies muss auch beim Einsatz digitaler Medien gewährleistet bleiben. Das Kultusministerium müsste hier aus meiner Sicht wesentlich mehr steuern, damit es landesweit eine gewisse Einheitlichkeit gibt. Nach meiner Wahrnehmung kommen an den Schulen im Moment aber die verschiedensten Instrumente zum Einsatz. Es wird höchste Zeit, dass endlich die lange angekündigte Niedersächsische Bildungscloud landesweit ausgerollt wird. Nicht nur bei den Schulen und Unternehmen spielt das Thema Datenschutz eine große Rolle – auch bei der Corona-Warn-App. Was ist aus Ihrer Sicht bei der Entwicklung der App gut gelaufen? Und warum ist das hohe Niveau beim Datenschutz in der App wichtig? Der Erfolg der App in Deutschland ist ja durchaus umstritten – wie stehen Sie dazu? Was hätte vielleicht noch besser gemacht werden können, damit mehr Menschen die Anwendung nutzen? Es war richtig, die Corona-Warn-App mit einem dezentralen Ansatz und möglichst datensparsam zu konzipieren. So hat man das Vertrauen in weiten Teilen der Bevölkerung gewonnen, was sicher mitverantwortlich für die hohen Download-Zahlen ist. Weicht man allerdings nun mithilfe neuer gesetzlicher Regelungen von den bislang geltenden Grundsätzen der App ab, was prinzipiell möglich wäre, könnte das im schlechtesten Fall viele Menschen dazu bewegen, sie wieder zu löschen. Damit wäre genau das Gegenteil des ursprünglichen Ansatzes erreicht, auf Basis eines angemessenen Datenschutzniveaus und transparenter Datenverarbeitung möglichst viele Menschen zur Nutzung der App zu bewegen. Wie groß der Beitrag der App zur Bekämpfung der Pandemie tatsächlich ist, vermag ich nicht zu beurteilen. Wenn es um das Thema Datenschutz geht, darf das Thema Corona-Impfung nicht fehlen. Die über 80-Jährigen dürften nur auf Umwegen darüber informiert werden – wegen datenschutzrechtlicher Bestimmungen. So jedenfalls erläuterte das niedersächsische Gesundheitsministerium, warum die Behörde nicht auf den Melderegisterdatenspiegel zurückgreifen könne, sondern nur auf die Datenbank der Post. Genau das sorgte auch im Springer Stadtgebiet für Verwirrung, als bereits Verstorbene Post erhielten. Wie positionieren Sie sich zu dem Thema? Wurden Sie miteingebunden? Und was sagen Sie zu der damit verbundenen Kritik an der Impfkampagne in Niedersachsen? Eine Versendung der Impfinformationen mithilfe der Meldedaten ist datenschutzrechtlich möglich. Zwar darf der Datenspiegel nicht genutzt werden, da haben Sie recht. Aber die Schreiben können über die Kommunen verschickt werden, welche die nötigen Daten ohnehin vorhalten und auch für diesen Zweck verwenden dürfen. Es ist deshalb zu begrüßen, dass das Sozialministerium das Angebot der kommunalen Spitzenverbände angenommen hat, bei der Versendung der Impfschreiben zu unterstützen. Der Rückgriff auf die Datenbank der Post wäre deshalb aus meiner Sicht nicht nötig gewesen. Ich wurde allerdings vom Sozialministerium nicht in diese Fragen eingebunden. Und eine letzte Frage zur neuen App Clubhouse – aktuell, aber unabhängig von der Corona-Krise: Experten haben bereits vor der Nutzung der App gewarnt. Was ist Ihr Eindruck? Spielt das Thema Datenschutz aktuell eine größere Rolle oder rückt das Thema in den Hintergrund? Ich finde, Clubhouse zeigt sehr deutlich, wie wichtig das Thema Datenschutz inzwischen in der öffentlichen Debatte genommen wird. Nach meiner Wahrnehmung wurde die Frage nach dem Datenschutz sofort gestellt, nachdem die App in Deutschland verfügbar war. Das wäre vor drei Jahren, als es die Datenschutz-Grundverordnung noch nicht gab, vielleicht nicht so gewesen. Von Saskia Helmbrecht