Wedemark Burgwedel: Richter entlarvt Falschaussage zu Beziehungstat

Gleich eine doppelte Rolle rückwärts im Zeugenstand legte jetzt eine Frau vor dem Amtsgericht Burgwedel hin. Richter Michael Siebrecht versuchte, eine Beziehungstat, die sich in Mellendorf ereignet haben sollte, aufzuarbeiten. Dreh- und Angelpunkt des Prozesses war die Aussage des Opfers. Körperverletzung, Nötigung und Freiheitsberaubung: Die Vorwürfe wogen schwer. Körperverletzung, Nötigung und Freiheitsberaubung warf die Staatsanwältin dem Angeklagten vor. Ein Beziehungsstreit zwischen dem Angeklagten und seiner Lebensgefährtin soll im Oktober 2020 eskaliert sein. Zum Krach kam es in der gemeinsamen Wohnung des Paares – vor den Augen der beiden Kinder der Frau. Das Paar geriet aneinander. In dem Streit wurde der 28-jährige Mann handgreiflich. Er packte seine Lebensgefährtin so heftig, dass Rötungen an einem Arm entstanden, zudem trat er sie ins Gesäß und sperrte sie ins gemeinsame Schlafzimmer ein. Dort hielt er sie gegen ihren Willen fest, nahm ihr ihre Brille weg und warf diese in eine Zimmerecke. Erst nach zehn Minuten gelang es der Frau, aus dem Zimmer zu entkommen. Sie schnappte sich ihre Kinder und floh aus der Wohnung, verfolgt von ihrem Lebensgefährten. Vor dem Haus eskalierte der Streit erneut, der Mann trat gegen den Wagen der Frau. Schließlich schaffte sie es dennoch zu fliehen. Schnurstracks fuhr sie zur Polizei in Mellendorf und erstattete Anzeige. Bis ins kleinste Detail schilderte sie an dem Abend das Geschehen in der Wohnung, fein säuberlich protokolliert von einem Polizeibeamten. Anschließend unterschrieb sie ihre Aussage und bestätigte damit ihre Richtigkeit. Frau widerruft ihre Aussage: Die Folge: Die Staatsanwaltschaft ermittelte in dem Fall und erhob Anklage gegen den 28-Jährigen. Dann im Januar gab es plötzlich den Meinungsumschwung. In einem Schreiben teilte das Opfer dem Amtsgericht Burgwedel mit, dass es weder zu Handgreiflichkeiten noch zu einer Freiheitsberaubung gekommen sei. Deshalb möge das Gericht von einer Eröffnung des Prozesses absehen. Doch dem mochte Amtsrichter Michael Siebrecht nicht folgen und setzte den Prozess an. „In der Beziehung funktioniert jetzt wieder alles bestens“, berichtete die Zeugin vor Gericht. Das Paar wohne nun zusammen und freut sich auf das erste gemeinsame Kind. Das soll im Oktober auf die Welt kommen. Die Frau bestätigte als Zeugin zwar, dass es im Oktober vergangenen Jahres zu einem Beziehungsstreit gekommen sei. Allerdings habe es weder Gewaltanwendung noch Freiheitsberaubung gegeben. Und sie hatte auch eine Erklärung für ihre Falschaussage bei der Polizei parat. „Ich hatte mich geärgert und wollte meinem Freund eins auswischen“, sagte sie vor Gericht. Lesen Sie auch Häusliche Gewalt kostet Geldstrafe Wedemärkerin sticht auf Ehemann ein: Strafrichter lässt Milde walten Gerichtsprozess: Wenn die Liebe in Hass und Gewalt endet Zu viele Details für eine Falschaussage: Diesem plötzlichen Sinneswandel mochte Siebrecht allerdings nicht folgen. „Ihre Aussage bei der Polizei steckt so voller Details, das denkt sich niemand so aus, um jemanden eins auszuwischen“, erläuterte der Amtsrichter der Zeugin. „Das ist so passiert und war keine Falschaussage, das sagt mir meine Berufserfahrung.“ Die allerdings blieb bei ihrer nun vor Gericht geschilderten Darstellung – zumindest bis zu dem Zeitpunkt, an dem der Anwalt des Angeklagten die Notbremse zog. Er bat um Unterbrechung der Verhandlung und um ein Rechtsgespräch zwischen ihm, der Staatsanwältin und dem Richter. Danach gab es die nächste Rolle rückwärts: Die Frau korrigierte nun abermals ihre Aussage, diesmal die im Zeugenstand getätigte und bestätigte die Richtigkeit ihrer Angaben gegenüber der Polizei. Und auch der Angeklagte gab zu, dass sich das Geschehen an dem Oktoberabend so zugetragen habe, wie seine Freundin es zuerst geschildert habe. Danach ging es ganz fix: Der Angeklagte erhielt eine fünfmonatige Freiheitsstrafe, die für drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde. Außerdem muss er auf eigene Kosten ein Antiaggressionstraining absolvieren. Denn es war nicht das erste Mal, dass er wegen eines Beleidigungs- oder Gewaltdelikts vor Gericht stand. „Gut, dass Sie noch einmal die Kurve gekriegt haben“: „Gut, dass Sie noch einmal die Kurze gekriegt haben“, sagte der Richter zum Abschluss der Verhandlung in Richtung von Angeklagtem und Zeugin. „Das hätte bitter für Sie ausgehen können. Eine Verurteilung für den Angeklagten und obendrein eine Anklage wegen einer Falschaussage vor Gericht gegen die Zeugin.“ Von Thomas Oberdorfer