Wennigsen: Aktion vor dem Supermarkt: Bauern wollen ihr Image verbessern

Um Schweinebauer Jan-Philip Noltemeyer und Milchbauer Kai Struß hat sich eine kleine Menschentraube gebildet. Viele Wennigser, die gerade aus dem Edeka-Markt Ladage kommen, schauen interessiert zum Eingang. Die beiden Landwirte haben neben ihrem Trecker einen kleinen Stand aufgebaut. Außer Kartoffeln und Äpfeln aus der Region, mit denen die beiden Bauern Passanten zum Anhalten bewegen wollen, bieten sie vor allem eines an: Gesprächsbereitschaft. Noltemeyer und Struß gehören zu der Gruppe „Land schafft Verbindung“, die sich bundesweit engagiert, um das Image der Landwirte zu verbessern und deren Interessen zu vertreten. „Wir wollen mit Verbrauchern ins Gespräch kommen und der öffentlichen Darstellung entgegenwirken“, sagt der 36-jährige Noltemeyer, der eine Schweinemast in Argestorf hat. In den sozialen Netzwerken und den Medien seien Bauern im Moment die „Buhmänner“. „Viele werfen mit Schlagworten wie Massentierhaltung und Brunnenvergiftung um sich, ohne zu wissen, was genau das bedeutet“, sagt Noltemeyer. „Im Internet potenzieren sich Vorurteile schnell und bauschen sich auf, was dazu führt, dass viele nur ein gefühltes Halbwissen haben“, ergänzt der 32-jährige Milchbauer Kai Struß, dessen Hof in Egestorf ist. Die beiden Landwirte und auch ihr Kollege Georg Wöltje sprechen die Supermarktkunden aktiv an und erklären ihnen ihre Sichtweise. Es geht um den Einsatz von Glyphosat, die CO2-Bilanz, das Bienensterben sowie die Qualität von regionalen Produkten. „Es ist wichtig, dass wir – die Basis, die echten Bauern – hier stehen und über diese Themen diskutieren“, sagt Noltemeyer. Die Bauern wollen so wieder für mehr Toleranz werben. „Wir wollen erreichen, dass die Leute nicht nur meckern, sondern sich selbst einen Kopf machen und Ideen einbringen“, sagt der Schweinebauer. Die meisten Passanten gingen mit einer ablehnenden Haltung in das Gespräch. Danach sagten aber viele: „So hab ich das noch gar nicht betrachtet“, sagt Noltemeyer. „Dass es mit einem Gespräch getan ist, bezweifle ich, aber vielleicht kann man den einen oder anderen zum Nachdenken anregen.“ Zudem wollen die Bauern die Verbraucher in die Pflicht nehmen. Noltemeyer spricht das Thema Massentierhaltung an, „Viele verstehen nicht, dass sie selbst mit ihrem Kaufverhalten den Markt mitbestimmen“, sagt er. Wenn der Verbraucher viel und billiges Fleisch wolle, müsse irgendwo die Masse herkommen. „Wir Betriebe sind bereit, uns anzupassen und unsere Produktion zu ändern“, sagt Struß. „Aber die Produktion muss sich auch lohnen.“ Mehr Tierwohl bedeute, dass das Fleisch teurer werde. „Viele sagen in Umfragen, dass sie gegen Massentierhaltung sind, aber wenn es an der Supermarktkasse um das eigene Portemonnaie geht, wird doch das billige Fleisch gekauft.“ Bauer lädt auf seinen Hof ein: Persönliche Beleidigungen und Anfeindungen, auf die der Schweinebauern immer wieder in den sozialen Netzwerken stößt, gehen ihm nah. Ein Facebook-Post von Helga Butschkau brachte den Bauern sogar dazu, sich bei ihr persönlich zu melden. Die Tierliebhaberin ist ebenfalls zum Stand vor dem Supermarkt gekommen. Die 64-Jährige schrieb auf Facebook „Schweinemast ist Tierquälerei, die zum Himmel stinkt“ – das bezog sie zwar auf Mastbetriebe im Allgemeinen, aber der Schweinebauer ergriff daraufhin die Initiative, recherchierte die Adresse von Butschkau und lud sie ein, seinen Betrieb zu besuchen. Die 64-Jährige nahm das Angebot an. „Alles war sauber und nach Vorschrift“, sagt Butschkau. Trotzdem habe sie die Haltung der Tiere erschreckt. Noltemeyers Argument, dass es einen Unterschied zwischen Nutztieren und Haustieren gebe, kann die 64-Jährige nicht nachvollziehen. „Tiere sind Tiere“, sagt sie. „Wir werden immer auf verschiedenen Seiten stehen, aber ich schätze die Diskussion sehr und habe Verständnis für seine Situation.“ Mit dieser toleranten Haltung kann auch der Schweinebauer gut leben. Wie Butschkau könne sich jeder ein Bild von dem Hof machen, sagt Noltemeyer. „Ich führe Interessierte gern durch meinen Betrieb.“ Anfang Oktober gründete sich die Facebook-Gruppe „Land schafft Verbindung“, der in nur kurzer Zeit mehrere Tausend Menschen beitraten – und die inzwischen bundesweit etwa 24.500 Unterstützer hat. Ende Oktober organisierte die Verbindung gemeinsam die landesweiten Treckerdemos. Immer wieder rufen die Bauern zu neuen Aktionen und Protesten auf. „Land schafft Verbindung“ entstand auch, weil sich die Landwirte der Gruppe von dem etablierten Bauernverband nicht repräsentiert fühlten. In der Region Hannover unterstützen etwa 1000 Bauern die Aktionen. Am Freitag, 17. Januar, protestieren die Landwirte von „Land schafft Verbindung“ deutschlandweit gegen das Agrarpaket, gegen die Verschärfung der Düngeverordnung und gegen das Mercosur-Handelsabkommen. Auch Hannover ist dabei: Nach einer Schleppersternfahrt aus allen Richtungen in die Landeshauptstadt beginnt die zentrale Kundgebung um 12 Uhr auf dem Trammplatz vor dem Neuen Rathaus. Lesen Sie auch: Bäuerin Maike Schulz-Broers will Politiker „fair an die Wand nageln“ Otte-Kinast: Angst, dass der Bauernprotest zu radikal wird Von Lisa Neugebauer