Was Sie beim Pokern für Ihr Berufsleben lernen können
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Pokern ist mehr als ein Glücksspiel.
© Quelle: Michał Parzuchowski/Unsplash
Beim Poker sind vor allem die cleveren Ganoven erfolgreich – das suggerieren zumindest viele bekannte Hollywoodstreifen. Gauner Danny Ocean etwa lässt in „Ocean‘s Eleven“ alle Spieler im Glauben, dass er blufft, nur um wenig später lässig jede Menge Chips einzusacken. Und einem der wohl bekanntesten Pokerspieler der Filmgeschichte, dem Bond-Bösewicht Le Chiffre, kann am Pokertisch in „Casino Royale“ niemand das Wasser reichen. Außer natürlich 007.
Mehr Mathe als Machtspielchen
„Die öffentliche Meinung über Poker ist durch Western- und Ganovenfilme geprägt, in denen der Eindruck erweckt wurde, dass man vor allem mit Machtspielchen und Gebaren siegen kann. Dabei ist Poker ein hochgradig mathematisch fundiertes Spiel, für das man hart arbeiten muss, um erfolgreich zu sein“, sagt Pokerprofi Stephan Kalhamer. Er ist auch deshalb davon überzeugt, dass man aus dem Kartenspiel wichtige Lehren für das Leben ziehen kann – vor allem für die Berufswelt.
Business-Einmaleins am Pokertisch
Der studierte Mathematiker und Präsident des Deutschen Poker-Sportbunds coacht Führungskräfte am Pokertisch, inzwischen ist das zu einem beliebten Training geworden. Er vergleicht das Spiel mit einer Fabel: Es zeige das Wesen und den Charakter von Situationen so treffend auf, dass es das leichte Übertragen auf das eigene Business erlaube. Man müsse beispielsweise gute Investitionsmöglichkeiten erkennen – und dass man auch bei Überlegenheit nie zu viel Kapital in ein Spiel investieren sollte.
Was Pokern über den Charakter verrät
Bei seinen Livecoachings gibt es keine große Vorstellungsrunde unter den Teilnehmenden, es wird sofort gespielt. Für Kalhamer zeigt das Spiel den Charakter der Menschen. Der Ex-Profi moderiert die Runden und ist gleichzeitig Gegenspieler. Dabei zieht er Rückschlüsse über die Persönlichkeit der Spielerinnen und Spieler anhand ihres Spielerprofils und diskutiert mit ihnen darüber. Ängstlich, ungeduldig oder aggressiv – über solche Eigenschaften redeten viele Menschen normalerweise ungern mit anderen, sagt Kalhamer. „Aber am Pokertisch wird dieser Diskussion das Persönliche genommen, weil sie unter dem Deckmantel des Spiels geschieht.“
Und der Spielertyp sage viel aus: „Gibt jemand bei einem erfolglosen Spiel anderen die Schuld oder versucht er, selbstbewusst und selbstkritisch an sich zu arbeiten und sich zu verbessern?“, führt er als Beispiel an. Die Mitspielenden lernten über die Erkenntnis, welcher Spielertyp sie sind, sich bewusster wahrzunehmen. Wer etwa beim Pokern ängstlich wirkt, mache sich angreifbar – das sei auch im Beruf nicht anders. Beim Pokern könne man dementsprechend lernen, die Angst weniger zur Schau zu stellen, indem man mehr bluffe.
Geeignetes Training für Führungskräfte
Der Experte hält Poker auch deshalb für ein geeignetes Training für Führungskräfte, weil es Mut und Demut lehre. Um das den Teilnehmenden zu demonstrieren, stellt sich Kalhamer vor jeder Partie ein imaginäres leeres Blatt Papier, einen Bleistift und ein Radiergummi vor. Der Bleistift stehe für Mut, denn damit halte er seine Eindrücke über die Teilnehmenden fest. „Das ist dreist und frech, weil ich die Personen ja gar nicht kenne – aber das macht Mut ja gerade aus“, sagt er. Aber auch ein erfahrener Pokerprofi wie Kalhamer kann falschliegen. Daher das Radiergummi. Es symbolisiert für ihn Demut: „Wenn sich die Behauptungen über meine Mitspielerinnen und Mitspieler nicht bewahrheiten, habe ich mich geirrt und muss meinen ersten Eindruck korrigieren“, betont er.
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Um erfolgreich zu sein, muss man es Kalhamer zufolge wagen, ohne Vorkenntnisse sein Gegenüber einzuschätzen. „Wenn man diese Lehren über Mut und Demut in das Geschäftsleben überträgt, kann man trainieren, in Gesprächen offener und besser zu werden – und auch mehr über das Gegenüber zu lernen, weil man stets die Augen offen hat“, ist er überzeugt.
Poker in gesundem Maße spielen
Trotz der von Kalhamer beschriebenen Lehren für das Berufsleben sollte Poker in gesundem Maße gespielt werden. Es ist und bleibt ein Glücksspiel, bei dem es oft um große Geldsummen geht. Und obwohl auch Wahrscheinlichkeitsberechnungen angestellt werden, hängt der Spielverlauf doch größtenteils vom Zufall ab. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) weist daher darauf hin, dass Glückspiele wie Poker süchtig machen können. Das gelte vor allem für Onlineangebote, weil diese meist rund um die Uhr verfügbar sind. Wer aufgrund des eigenen Spielverhaltens Rat sucht, erhält Hilfe auf der BZgA-Website check-dein-spiel.de.
Außer Kalhamer bieten auch andere Pokerspieler in Deutschland Trainings für Führungskräfte und Teams in Unternehmen an, etwa der frühere Profi Tino Engel oder der Experte Jan Heitmann.
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Warum Empathie für Führungskräfte unverzichtbar ist
Ob sich Menschen an ihrem Arbeitsplatz wohlfühlen, hängt Studien zufolge in großem Maß vom Verhältnis zu direkten Vorgesetzten ab. Einfühlungsvermögen ist deshalb eine der wichtigsten Eigenschaften für Führungskräfte, die allerdings oft unterschätzt wird. Das kann Unternehmen Millionen kosten – ein Teil der Lösung könnten mehr Chefinnen sein.
Delegationspoker: Wie autonom bin ich im Job?
Auch ein anderes am Pokerprinzip angelehntes Training wird in Unternehmen für eine bessere Zusammenarbeit eingesetzt: das Delegationspoker. Hierfür setzen sich Führungskräfte mit ihren Mitarbeitenden zusammen und geben ihnen jeweils sieben Karten. Alle Karten stehen für einen unterschiedlichen Grad an Autonomie jedes Einzelnen in bestimmten Situationen, der mit jeder höheren Zahl steigt.
Das bedeutet: Bestimmt die Führungskraft allein über eine Entscheidung oder liegt sie ganz beim Mitarbeiterstab? Am Tisch beschreibt die Chefin oder der Chef eine bestimmte Situation – beispielsweise die Entscheidung über Urlaubszeiten oder die Einstellung einer neuen Kollegin oder eines neuen Kollegen. Daraufhin legen alle Spielenden die Karte verdeckt auf den Tisch, die ihrer Meinung nach den Grad ihrer Autonomie in diesem Anliegen am besten beschreibt. Anschließend decken alle ihre Karte auf und diskutieren darüber.
Poker macht konsequent
Offen und ehrlich über berufsrelevante Aspekte sprechen – dafür eignet sich laut Kalhamer auch das klassische Pokerspiel. Dabei mag es zunächst kurios klingen, dass Poker ausgerechnet Führungskräften helfen kann, ihre Kompetenzen zu verbessern, um ein besseres Miteinander zu fördern. Schließlich geht es beim Pokern darum, gegen die anderen zu spielen und ihnen ihre Chips wegzunehmen.
Poker passe laut dem Pokerexperten dennoch – anders als es in Filmen dargestellt werde – mit einem moralischen Handeln zusammen: „Am Pokertisch werden diese Ziele transparent kommuniziert – und daraus entspringt die Offenheit und Fairness des Spiels“, sagt Kalhamer. Poker befähige Menschen, bewusst und konsequent zu sein – und das hält der frühere Profi im Beruf und auch im Alltag für ein großes Gut.
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