Behörden wussten schon 1964 von Wasser in der Asse
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Hier lagert die Lauge: Besucher in der Asse neben einem Sammelbecken.
© Quelle: Foto: Ole Spata/dpa
Remlingen. Die Behörden haben schon im Jahr 1964 gewusst, dass Wasser in die Schachtanlage Asse in Remlingen bei Wolfenbüttel läuft. Das ergibt sich aus einem Besuchsvermerk von Fachleuten, den der Asse-II-Koordinationskreis, ein Zusammenschluss von Bürgerinitiativen, am Dienstag veröffentlicht hat. Nach Ansicht der Atomgegner hätte der radioaktive Müll, der in der Asse lagert und aufwendig wieder herausgeholt werden soll, also gar nicht erst eingelagert werden dürfen. Die Bundesgesellschaft für Endlagerung teilt diese Einschätzung nicht.
Der Vermerk ist von der Projektgruppe Endlagerung r.a. Abfälle (die Abkürzung bezieht sich auf den Begriff radioaktiv) am 3. März 1964 verfasst worden und geht auf eine Besichtigung des Asse-Bergwerks am 29. Januar desselben Jahres zurück. Mit dabei: zehn Herren vom Bundesministerium für Forschung, von der Gesellschaft für Kernforschung Karlsruhe und vom damaligen Eigentümer des Bergwerks, der Wintershall AG. Sie haben die Anlagen über Tage und unter Tage inspiziert und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass die Asse „für die Einrichtung eines Endlagers grundsätzlich geeignet erscheint“. Positiv haben sie dabei vor allem den Preis für das Bergwerk bewertet, „der von den Herren der Wintershall gesprächsweise auf 600 000 DM beziffert wurde“.
Eine eher nachrangige Rolle spielt in dem vierseitigen Papier der Wassereintritt. Notiert wurde ein Zufluss magnesiumhaltiger Lauge aus alten Kalisalzabbauen „in geringer Menge“ (700 Liter pro Tag), für die es ein Sammelbecken auf der 750-Meter-Sohle gebe. Darüber hinaus trete Wasser aus drei Rissen in etwa 137 Metern Tiefe aus. Die Risse wurden laut Vermerk 1956 entdeckt und haben sich bis 1960 vergrößert, dann nicht mehr. „Der Wasserzulauf beträgt etwa 2 l/min.“ Heißt: 2880 Liter pro Tag. Es handele sich um Süßwasser, schreiben die Experten von damals, der Wasserzulauf könne wohl „durch Zementieren“ eingedämmt werden.
Es sei also bekannt gewesen, dass Wasser in die Asse eindringe, „bevor am 4. April 1967 das erste Atommüllfass nach unten gebracht wurde“, moniert Andreas Riekeberg, Sprecher des Asse-II-Koordinationskreises. Es sei offenbar allein um eine kostengünstige Einlagerung der Abfälle gegangen. „Das Bundesforschungsministerium hätte ,Stopp’ rufen müssen“, sagt Heike Wiegel von der Bürgerinitiative Aufpassen (in deren Name das Wort Asse enthalten ist). Die Fachleute hätten aber wohl nur versucht, alles „durchzuwinken“. So habe man innerhalb von fast zwölf Jahren rund 50 000 Kubikmeter schwach- und mittelradioaktiven Müll eingelagert. 1978 wurde das letzte Fass in die Asse gebracht.
Land erwartet Konzept
Das salzhaltige Wasser in der Asse macht das gesamte frühere Salzbergwerk instabil und birgt außerdem die Gefahr, dass radioaktive Stoffe ausgeschwemmt werden könnten. 126 000 Fässer lagern in der Asse II, teils handelt es sich auch um Chemiemüll. Die Abfälle sollen so schnell wie möglich wieder aus dem maroden Bergwerk herausgeholt werden. Der niedersächsische Umweltminister Olaf Lies (SPD) erwartet dafür bis Ende 2019 ein Gesamtkonzept vom heutigen Betreiber, der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE).
Zuletzt hatte es in der ersten Januarhälfte einen deutlichen Anstieg der Zulaufmenge an salzhaltigem Wasser in der Asse gegeben, vom 11. bis zum 12. Januar waren 14 140 Liter Lauge registriert worden. In der Woche zuvor waren es rund 12 800 Liter pro Tag gewesen, im Herbst 2018 noch 11 600 Liter pro Tag. Inzwischen habe sich das wieder normalisiert, sagte Monika Hotopp, Sprecherin der BGE. Aber wenn es wieder deutlich mehr Wasser werde und das so bleibe, „dann müssen wir die Rückholung des Atommülls aufgeben“.
Zu den Wasserzuflüssen aus dem Vermerk von 1964 teilte die BGE mit, zwar könne „die Eignung der Schachtanlage Asse II zur Lagerung radioaktiver Abfälle zu Recht infrage gestellt“ werden. Es bestehe aber kein Zusammenhang zwischen diesem Zulauf und den kritischen salzhaltigen Laugen. Die Grenze zum Salzgestein liege erst in einer Tiefe von 230 Metern. Das Wasser, das schon 1964 aus den Rissen floss, sei auf Bauteile einer Schachtwand zurückzuführen, die auch grundwasserführende Schichten durchstoße.
Die Mauer von Gorleben fällt
Die Mauer um das Gorlebener Endlagerbergwerk soll verschwinden. Die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) hat die Arbeiten für den Abriss der rund zweieinhalb Kilometer langen und vier Meter hohen Barriere ausgeschrieben. Geplant ist der Abriss für das vierte Quartal 2019.
Die Mauer wurde in den Achtzigerjahren errichtet. Der Salzstock Gorleben wurde über Jahrzehnte auf seine Tauglichkeit als Endlager für hochradioaktiven Atommüll untersucht. Im Zuge des Neustarts bei der Endlagersuche wurde die Erkundung 2013 eingestellt. Die BGE sieht den Abriss der Mauer als vertrauensbildende Maßnahme an.
Die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg bezeichnete das Vorhaben als „Oberflächenkosmetik“. Das Bergwerk könne im Laufe der Endlagersuche „schnell wieder aus dem Hut gezaubert werden“.
Von Bert Strebe
HAZ