Mediziner und Politiker im Doppelinterview
Niedersachsens Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) wirbt für vorsichtige Lockerungen in der Corona-Pandemie. Der Epidemiologe Gérard Krause widerspricht nicht – beide warnen vor einem starren Shutdown. Ein Doppelinterview.
Herr Professor Krause, Frage an den Epidemiologen: Die Inzidenzwerte schießen hoch, die dritte Corona-Welle ist angerollt – müsste Niedersachsen jetzt nicht die Schotten ganz dicht machen und den Lockdown nochmals verschärfen?
Krause: Diese Fallzahlen, auf die sich die allgemeine Diskussion oft verkürzt, zeigen nur einen Teil der epidemiologischen Lage. Diese Fallzahlen sind im Wesentlichen Laborergebnisse und repräsentieren nicht notwendigerweise erkrankte oder schwer erkrankte Menschen. Als früher Indikator für die Entwicklung sind sie wichtig, aber sie bilden eben nicht die gesundheitlichen Lasten der Gesellschaft ab. Dafür gibt es andere Indikatoren, die man bei der Bewertung mitberücksichtigen sollte. Etwa: Wie viele Menschen erkranken schwer. Welche Menschen erkranken, welche Altersgruppen? Wie ist es um die Belegung der Krankenhäuser bestellt, vor allem der Intensivstationen? Wie sieht es aus mit den Todeszahlen? Das sollte gemeinsam betrachtet werden, um auf dieser Basis ein besseres Bild zu bekommen – und letztlich mehr Handlungsalternativen. Hinzu kommen natürlich noch der Impfstatus und die gemessene Zahl von positiven Tests, die in Relation zur Anzahl aller Tests gesetzt werden müssen.