Das traurige Ende der Cebit
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Von 1986 bis 2018: Die Cebit ist Geschichte.
© Quelle: dpa
Hannover. Viele Menschen können ihre ganz persönliche Cebit-Geschichte erzählen. In Hannover, aber auch an vielen andern Orten überall auf der Welt. Wie die Computermesse einst im Frühjahrsschnee erstickte. Wie Popstars auf den Bühnen der Mobilfunker auftraten und mehr als 800 000 Besucher das letzte Sauerstoffatom aus der Hallenluft zogen. Und natürlich, wie sie diese neuen Klapphandys betasteten und Nokia-Prospekte in die großen Plastiktüten stopften. Das alles ist sehr lange her. Die Geschichten klingen fast wie die Kindererlebnisse von der Rückbank eines Opel Manta. Seine Zeit ist vorüber – wie die der Cebit.
Man kann der Deutschen Messe nicht vorwerfen, dass sie kampflos aufgegeben hätte. Der Höhepunkt der Cebit liegt fast zwei Jahrzehnte zurück. Als die Besucherzahlen ab 2002 schrumpften, erklärte man es sich erst einmal mit dem Zusammenbruch des Neuen Markts an der Börse und der Unsicherheit nach den Attentaten vom 11. September 2001. Es dauerte einige Jahre, bis die Einsicht reifte, dass die Zeit vorbei war, in der auf mega nur noch mega-mega folgte. Man tröstete sich damit, immer noch die größte IT-Messe der Welt zu veranstalten. Derweil wuchs neue hippe Konkurrenz heran: der Mobile World Congress in Barcelona, die CES in Las Vegas. Die South by Southwest im texanischen Austin wurde zum hippen Forum der Szene. Und in Köln herrscht heute auf der Gamescom jenes Gedränge, für das die Cebit einst berühmt war.
Der Niedergang in Hannover verweist auf ein handwerkliches Problem: Nie ist es gelungen, zwei grundverschiedene Besuchergruppen unter einen Hut zu bringen. Die Privatleute, Nerds, IT-Begeisterte jeder Couleur hätte man gern gehabt, weil sie der Messe Farbe, Leben und öffentliche Aufmerksamkeit gaben. Aber das Geld brachten die Profis, die Anzugträger mit ernstem Blick. Schließlich erzwang der Branchenverband Bitkom unter der Führung des heutigen BDI-Präsidenten Dieter Kempf die Konzentration auf die Profis. Kempf führte die Datev, einen Spezialisten für Steuerberater-Software – und so geriet dann auch die Cebit.
Aufstieg und Fall der Cebit erzählen aber auch viel über deutsche Stärken und Schwächen. Die Wurzel der Messe war immer die Hardware – ob Handy, Laptop oder die Kühlanlage für das Rechenzentrum. Die Probleme der Messe begannen nicht mit Börsencrash oder Terroranschlag, sondern mit einer Welt, in der die Geräte nur noch austauschbare Träger von Software und Plattformen sind, die man nicht anfassen, nicht reparieren und nicht pro Stück verkaufen kann.
Die Revolution war nie eine deutsche Stärke. Die Digitalisierung aber ist ein Sprung, bei dem beide Füße in der Luft sind. Die Cebit-Macher haben das verdrängt. Hannover und die Messe zahlen dafür jetzt den Preis.
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Von Stefan Winter
HAZ