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Mischung aus Politiker und Beamtem

Die Hilfsminister

Anke Pörksen, Niedersachsens Regierungssprecherin, soll zum Jahreswechsel erheblich mehr verdienen – und Staatssekretärin werden. Als das im Frühsommer beschlossen wurde, schwieg die Regierung darüber. Jetzt sickerte die Information an die Öffentlichkeit.

Anke Pörksen, Niedersachsens Regierungssprecherin, soll zum Jahreswechsel erheblich mehr verdienen – und Staatssekretärin werden. Als das im Frühsommer beschlossen wurde, schwieg die Regierung darüber. Jetzt sickerte die Information an die Öffentlichkeit.

Hannover. Die treffendste Beschreibung dafür, was einen guten Staatssekretär auszeichnet, hat einmal Frank Walter Steinmeier geliefert. „Ich arbeite immer dann am besten, wenn man mich gar nicht bemerkt“, sagte er Mitte der neunziger Jahre. Damals war Steinmeier Staatssekretär von Gerhard Schröder, dem damaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten. Lange ist es her, inzwischen stieg der Sozialdemokrat zum Spitzenpolitiker auf – Kanzleramtschef, Außenminister, Kanzlerkandidat und Oppositionsführer. Manche sagen, seine sehr sachliche, manchmal leicht technokratische Art sei geblieben – da spreche eben immer noch der Staatssekretär aus ihm heraus. Einmal Staatssekretär – immer Staatssekretär?

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Staatssekretäre sind eine Mischung aus Politiker und Beamtem – sie sind politische Beamte. Das heißt, dass sie jederzeit entlassen werden können und dann für längstens drei Jahre eine hohe Versorgung bekommen. Alle anderen Beamten, die sogenannten Laufbahnbeamten, können allenfalls versetzt, aber nicht rausgeworfen werden – es sei denn, sie haben goldene Löffel gestohlen. Wer in den Staatssekretären „Hilfsminister“ sieht, liegt nicht verkehrt. Der Minister muss die Politik nach außen vertreten, Reden halten und neue Impulse geben. Der Staatssekretär sorgt vor allem dafür, dass die politischen Leitlinien auch umgesetzt werden. Ein Minister kann Akten lesen, der Staatssekretär muss es. Ein Minister sollte die wichtigsten Beamten seines Ministeriums kennen und gut einschätzen – der Staatssekretär muss es. Oft verstehen deshalb die Staatssekretäre von den Dingen, die in einem Ministerium passieren, viel mehr als ihre Minister. Sie sind eigentlich wichtiger.

Nur die Tugend der Unauffälligkeit, von der Steinmeier Mitte der neunziger Jahre sprach, ist wohl nicht mehr zeitgemäß. Längst agieren auch Staatssekretäre öffentlich, treten mal mehr und mal weniger selbstbewusst in Erscheinung. Schon für Steinmeier selbst galt das damals, in jüngster Zeit ist ein gutes Beispiel der geschasste Agrar-Staatssekretär Udo Paschedag. Mit den Insignien der Macht ausgestattet – dicker Dienstwagen, sattes Gehalt (in Niedersachsen knapp 10 000 Euro monatlich) und persönliche Referentin – trat er auf, riss in mancher Agrarministerkonferenz das Wort an sich. Das konnte nicht lange gut gehen. Im Bonner Bundesumweltministerium agierte einmal der in Hannover beheimatete Staatssekretär Clemens Stroetmann. Von ihm wurde überliefert, dass es egal sei, wer „unter ihm Minister“ ist. Das ließ sich 1995 die damals neue Ministerin Angela Merkel nicht lange bieten und schickte Stroetmann in die Wüste. Das Beispiel lehrt: Es ist für einen Staatssekretär nicht ratsam, seinen Minister die inhaltliche Überlegenheit spüren zu lassen. Am längeren Hebel sitzt nämlich am Ende häufig der Minister.

Aber es gibt auch andere Beispiele: 1976 war der Finanz-Staatssekretär Adolf Elvers (SPD) derart respektiert im Ministerium, dass er unter der neuen CDU-Regierung einfach im Amt bleiben konnte. 1991 wurde Alfred Tacke neuer Wirtschafts-Staatssekretär an der Seite des allgemein als eher schwach eingeschätzten Ministers Peter Fischer. Tacke hatte zuvor in der Staatskanzlei gearbeitet, und so hieß es, Ministerpräsident Schröder habe Tacke als Aufpasser ins Wirtschaftsministerium geschickt. Ähnlich kann die aktuelle Personalie der Landesregierung beurteilt werden: Als neuer Agrar-Staatssekretär und Nachfolger des glücklosen Paschedag wurde gestern Horst Schörshusen vorgestellt. Er arbeitet bisher in der Staatskanzlei und sollte eigentlich Abteilungsleiter bei Umweltminister Stefan Wenzel (Grüne) werden. Nun wird er der wichtigste Beamte von Agrarminister Christian Meyer (Grüne). Ein Mann mit besten Kontakten zum Umweltminister wird also der wichtigste Beamte im Agrarministerium – man kann daraus eine Schwächung des angeschlagenen Agrarministers ablesen.

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Die Bewährungsprobe für jeden Staatssekretär kommt, wenn der Minister schwächelt – denn dann muss er im Grunde beide Jobs gleichzeitig tun, der erste Beamte und der Vertreter des Ministers sein. Aber er muss dann zugleich immer noch im Hintergrund bleiben, um seinem Minister nicht die Autorität zu stehlen. Wie schwierig das ist, musste Ende 2010 Agrar-Staatssekretär Friedrich-Otto Ripke erleben – er agierte unter ständiger Begleitung von Kritikern, die ihm mal zu viel und mal zu wenig Aktivität und Präsenz vorwarfen.

Die gegenwärtige rot-grüne Landesregierung sieht sich nun anderen Vorwürfen ausgesetzt: Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) stockt die Regierung mit vielen gut bezahlten Führungspositionen auf, vor allem seine Staatskanzlei. Zwei Staatssekretäre gab es dort zu CDU-Zeiten, vom nächsten Jahr an werden es vier sein. Von den gut dotierten Abteilungsleiterstellen (Grundgehalt 8254 Euro monatlich) gab es in der Staatskanzlei unter David McAllister fünf, vom nächsten Jahr an sollen es unter seinem Nachfolger Weil dann zehn sein. Braucht Weil so viele Staatssekretäre, also Hilfsminister, um seine Ziele durchzusetzen? Auf jeden Fall spricht aus der Personalpolitik des sozialdemokratischen Regierungschefs eine Aufwertung seiner eigenen Machtzentrale – die zulasten der Ministerien gehen kann. Viele gut bezahlte Beamte werden in seiner unmittelbaren Umgebung für ihn selbst aktiv, während seine Vorgänger als Ministerpräsidenten die Klärung von Fachproblemen eher den Ministerien übertragen hatten.

Dass nun auch die Regierungssprecherin Anke Pörksen nach nur einem Jahr im Amt zur Staatssekretärin aufsteigen soll, hat bei der Opposition Fragen ausgelöst. Die Staatskanzlei beeilte sich mit dem Hinweis, die Öffentlichkeitsarbeit solle ausgedehnt werden, Bürger sollten intensiver an der Politik beteiligt werden – daraus folge ein Bedeutungszuwachs für die Arbeit der Regierungssprecherin, deren Stelle aufgewertet werden soll.

Komisch nur, dass mit dieser Offensive in der Informationsarbeit keine Anhebung des Etats der Öffentlichkeitsarbeit verknüpft ist. Ob es am Ende nur so war, dass Frau Pörksen bei Herrn Weil durchgesetzt hat, Staatssekretärin werden zu können? Denn Staatssekretär zu sein ist ja in Niedersachsen ein begehrtes Ziel.

HAZ

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