Die Stasi hat von James Bond gelernt
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Heinrich Peyers besitzt und zeigt das Arsenal eines kompletten Geheimdienstes.
© Quelle: Akbaba
Dungelbeck. Wenn James Bond auf der Kinoleinwand mit einem Raketenrucksack durch die Lüfte wirbelt oder mithilfe einer Kugelschreiberbombe einer brenzligen Situation entflieht, halten die meisten Menschen diese Erfindungen für reine Fiktion. Doch steckt in diversem filmischen Agentenspielzeug sehr viel mehr als nur ein Fünkchen Wahrheit. Heinrich Peyers aus Dungelbeck im Kreis Peine sammelt seit Jahrzehnten Spionagewerkzeuge aus aller Welt und besitzt quasi den gesamten Bestand des ehemaligen DDR-Staatssicherheitsdienstes (Stasi). Seine Sammlung zählt gut 100000 Stücke, die Geheimdienste sonst nur zu gern verbergen.
In den Bond-Filmen verwandeln die Gehirne um Cheferfinder „Q“ die harmlosesten Gegenstände in teuflische Waffen. Auf dem Dachboden von Peyers sind einige dieser Dinge tatsächlich zu finden - und zwar so, wie sie von der Stasi tagtäglich im Einsatz waren. „Die Bond-Filme wurden von den Entwicklern der Stasi als Lehrfilme genutzt“, erzählt der 58-Jährige. Daher stehen die Spielereien des Kinospions auf Peyers Dachboden auch Seite an Seite mit den Überwachungswerkzeugen von Markus Wolf, dem ehemaligen Leiter des Auslandsnachrichtendienstes im Ministerium für Staatssicherheit der DDR.
Neben Tausenden Stasi-Utensilien hat Peyers auch einige Originalstücke aus den Bond-Filmen in seinem Besitz: Die Metallzähne, die Richard Kiel in seiner Rolle als Beißer in „Der Spion, der mich liebte“ und „Moonraker“ trug; den Frisbee-Hut, mit dem der Handlanger von Goldfinger im gleichnamigen Film sogar Köpfe von Steinstatuen abtrennte; das originale Gipsbein, aus dem Schauspieler Desmond Llewelyn als Geheimdiensttüftler „Q“ eine Rakete im Film „Goldeneye“ abfeuerte.
Überhaupt hat der 58-Jährige alles, was das Spionageherz begehrt und könnte mit seiner Sammlung wohl ohne Weiteres einen gesamten Geheimdienst ausstatten. Neben einer Vielzahl an kleinsten Kameras und Abhörvorrichtungen hat er auch einen Lippenstift, aus dem eine Messerklinge hervorspringt, oder einen Revolver in der Größe einer Ein-Euro-Münze. Zudem besitzt Peyers ein diensttaugliches Ein-Mann-U-Boot vom ehemaligen russischen Geheimdienst KGB, einen komplett ausgerüsteten Überwachungswagen der Stasi sowie die originale Abhöranlage, die einst auf dem Brocken justiert war. „Die abgefahrensten Teile meiner Sammlung sind aber 468 Kugelschreiber. Es gibt im Kugelschreiber nichts, was es nicht gibt. Fernglaskuli, Schießkuli, Messerkuli.“
Peyers hat durch seine Spionage- und Sammelleidenschaft ein Stück deutsche Geschichte vor dem Untergang bewahrt. Als die Mauer 1989 fiel, wurden die Stasi-Gebäude von den DDR-Bürgern gestürmt und viele Gegenstände mutwillig zerstört. Peyers nutzte die Gunst der Stunde und sicherte alles, was er bekommen konnte. „Es ist bis heute weltweit einmalig, dass sich ein kompletter Geheimdienst aufgelöst hat. Die Stasi hatte keine Zeit, ihr ganzes Zeug zu vernichten. Das war für mich die Chance, an authentisches Material zu kommen.“
Peyers war als Medizintechniker in den achtziger Jahren mehrmals in der DDR beruflich unterwegs und wurde sogar von der Stasi überwacht. „Das war so plump, das habe ich gemerkt.“ Auch eine Akte führte die DDR-Staatssicherheit über Peyers. „Mein Deckname hieß Waffe“, erzählt er. In seinem Beruf kam er indirekt bereits früh mit Waffen in Verbindung, so hat die neueste Medizintechnik ihren Ursprung oftmals in der Waffentechnik. Seit knapp einem Jahr sind zahlreiche Originalexponate aus Peyers Sammlung in Oberhausen (Nordrhein-Westfalen) in der Dauerausstellung „Top Secret - die geheime Welt der Spionage“ zu besichtigen. Er träumt davon, mit seinen Exponaten eine Dauerausstellung in Hannover zu eröffnen.
Benjamin Gleue
HAZ