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Justizministerin besucht JVA Bremervörde

Ein ungeliebtes Vorzeigeobjekt

Flachbildschirm, Tisch, Bett: Ministerin Antje Niewisch-Lennartz (Grüne) lässt sich von JVA-Leiter Arne Wieben eine Zelle zeigen .

Flachbildschirm, Tisch, Bett: Ministerin Antje Niewisch-Lennartz (Grüne) lässt sich von JVA-Leiter Arne Wieben eine Zelle zeigen .

Bremervörde. Den sogenannten Superknast hat sie geerbt, nur konnte sie das Vermächtnis nicht ausschlagen. Antje Niewisch-Lennartz, Niedersachsens Justizministerin, hält nicht viel vom ersten teilprivatisierten Gefängnis des Landes, wie es in Bremervörde seit Anfang des Jahres in Betrieb ist. Doch der Rückzug aus dem Projekt ist nicht möglich - das erklärte die Grünen-Politikerin am Mittwoch in Bremervörde. Im rot-grünen Koalitionsvertrag war noch die Rede von „Ausstiegsoptionen“, die geprüft werden sollten. Niewisch-Lennartz hat geprüft: „Ein Ausstieg ist so gut wie nicht möglich.“ Über 25 Jahre läuft der Vertrag mit dem Investor.

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Also muss die Justizministerin am Mittwoch in Bremervörde einen Spagat vollbringen. Es ist ihr Antrittsbesuch als Justizministerin in dem Gefängnis, das ihr Vorgänger Bernd Busemann (CDU) zu Jahresbeginn kurz vor dem Regierungswechsel in Betrieb genommen hatte: 300 Haftplätze, von der Untersuchungshaft bis zum offenen Vollzug alles unter einem Dach, hochmodern, ausschließlich Einzelzellen, der Betrieb teilprivatisiert. Für Dienstleistungen rund um den Gefängnisbetrieb wie Küche, Werkstätten, Reinigung und Ausbildung der Gefangenen ist das private Unternehmen zuständig. Es hat das Gefängnis auch gebaut, für 286 Millionen Euro.

Genau das schmeckt der Ministerin nicht. „Der Strafvollzug gehört ausschließlich in öffentliche Hände“, betont Niewisch-Lennartz nach einem Rundgang durch das Gefängnis. Und für überflüssig hält sie den Neubau bei sinkenden Häftlingszahlen in Niedersachsen noch dazu: „Wir hätten diese Anstalt nicht gebraucht“, sagt sie zur Entscheidung der schwarz-gelben Vorgängerregierung. Den Investitionsstau von 50 Millionen Euro in den anderen Gefängnissen des Landes führt sie auch auf Bremervörde zurück - „weil das Geld hierher geflossen ist“.

Und doch hat sie eingesehen, dass sie mit diesem Gefängnis jetzt leben muss. Sie lobt Anstaltsleiter Arne Wieben und erkennt den Kraftakt an, den die Gefängnisleitung mit einem überwiegend reibungslosen Start vollzogen hat: „Hier wird guter Vollzug dargestellt - das verdient Respekt“, sagt Niewisch-Lennartz. Anstaltsleiter Wieben, von Beruf Staatsanwalt, hält sich aus der Politik raus: „Unser Auftrag ist ein verantwortlicher Strafvollzug“, sagt er nur. „Ich bin froh, dass die Ministerin unsere Arbeit schätzt“, sagt er, „obwohl sie das Projekt politisch ablehnt.“

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Wieben hatte seine Chefin zuvor durch die Anstalt geführt, von der Gefängniskapelle durch die Zellen in die fünf Betriebe, wo 135 der 249 Insassen Kälbchenställe schweißen oder die Heftchen falten, in denen Sparkassen-Kunden ihre Kontoauszüge aufbewahren. Am meisten Eindruck hinterlässt eine Vorführung in der Küche. Natürlich stellt die Ministerin die Frage nach der Sicherheit - hantieren die Gefangenen hier doch mit großen Messern, und die private Küchenleitung darf nicht mit hoheitlichen Zwangsmittel gegen Gefangene vorgehen, die aufmüpfig werden.

Niewisch-Lennartz lässt sich vom Küchenleiter vorführen, wie hier für Sicherheit gesorgt wird: Die Messer sind an 60 Zentimeter langen Bowdenzügen aus dem Fahrradhandel in Bremervörde an den Tischen befestigt. Anstaltsleiter Wieben findet, die Zusammenarbeit zwischen den 84 Justizmitarbeitern und den 61 Angestellten des Investors „funktioniert deutlich besser als erwartet“. Er findet sogar, „es läuft deutlich besser als in einer rein hoheitlichen Anstalt“, weil ein viel höherer Erfolgsdruck auf den Mitarbeitern laste. „Jeder weiß: Wenn hier ein Unfall passiert, wird das gleich auf die private Partnerschaft geschoben.“

HAZ

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