Empörung über hohe Beiträge für Pflegekammer
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/O32OKGUPIE7DU5AZ6VCQ55GH2M.jpg)
Eine Frau wird in einem Seniorenpflegeheim in ihrem Bett von einer Pflegerin betreut. Foto: Jens Kalaene
© Quelle: dpa
Hannover. Empörung bei Arbeitgebern und Sozialverbänden: Die umstrittene Pflegekammer Niedersachsen will von allen Mitglieder den Höchstbeitrag von 280 Euro jährlich kassieren – obwohl der eigentlich erst bei einem Jahreseinkommen von rund 70.000 Euro fällig würde. Pflegekräfte, die weniger verdienen, müssen das nachweisen. Das geht aus der Antwort von Sozialministerin Carola Reimann (SPD) auf eine Anfrage der FDP im Landtag hervor.
„Jeder weiß, dass ein Gehalt von 70.000 Euro völlig unrealistisch ist“, sagte Henning Steinhoff, Leiter des Landesgeschäftsstelle Niedersachsen des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste. „Das ist keine Zufall, das ist einkalkuliert, um möglichst viel Geld abzugreifen.“ Viele Pflegekräfte würden den bürokratischen Aufwand scheuen. Man hätte das auch staffeln können, erklärte Steinhoff. „Ich weiß gar nicht, wie man auf die Idee kommen kann, 70.000 Euro anzunehmen“, sagte Annette von Pogrell vom Diakonischen Werk Niedersachsen. Das sei eine sehr große Belastung für die Pflegekräfte.
„Die Vorstellung, dass die Mitglieder der Pflegekammer 70.000 Euro im Jahr verdienen, ist ein Stück aus dem Tollhaus“, kritisierte Matthias Büschking, Sprecher der Gewerkschaft verdi. „Dass das jeder Einzelne mit der Vorlage seines Steuerbescheides beweisen muss, sorgt für einen absurden bürokratischen Aufwand. Wer weniger als 280 Euro Zwangsbeitrag im Jahr bezahlen möchte, weil er weniger verdient, muss innerhalb von vier Wochen widersprechen.“
„Die Vorgehensweise ist ein Schlag ins Gesicht für alle Pflegenden“, sagte die FDP-Landtagsabgeordnete Sylvia Bruns. „Sollte die Pflegekammer ursprünglich für die in der Pflege Beschäftigten da sein, geht es jetzt wohl darum, Kasse zu machen.“ Bei den Regelbescheiden von 70.000 Euro Jahreseinkommen auszugehen zeige, wie weit die Pflegekammer von der Realität entfernt sei. Tausende Pflegekräfte müssten sich jetzt nach der Arbeit hinsetzen und den Bescheiden widersprechen.
Die Beitragsordnung der Pflegekammer sieht laut Sozialministerium vor, dass alle Mitglieder verpflichtet sind, 0,4 Prozent ihrer Einkünfte an die Kammer zu zahlen. „Die im Regelbscheid angegebene Beitragshöhe von 280 Euro jährlich entspricht nicht dem Beitrag, der tatsächlich zu entrichten ist“, heißt es in der Antwort auf die FDP-Anfrage. Die Landesregierung gehe nicht davon aus, dass die große Mehrheit der Kammermitglieder über ein Jahreseinkommen von 70.000 Euro verfüge. Laut Ministerium liegt das Jahreseinkommen von Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflegern in Niedersachsen im Schnitt zwischen 30.000 und 40.000 Euro.
Die rot-schwarze Landesregierung hatte die Einrichtung der Pflegekammer in diesem Sommer gegen starke Widerstände von Wirtschaft und Gewerkschaften durchgesetzt. Kritiker hatten damals bemängelt, dass die Kammer keine Verbesserungen für die Pflege bringe, sondern nur Steuergeldern und das hart verdiente Geld ihrer Zwangsmitglieder verschwende.
Von Marco Seng