Entscheidend ist nicht aufm Platz
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Brauchen wir die Fans noch in den Stadien? „Wirtschaftlich nicht“, entgegnet 96-Präsident Martin Kind.
© Quelle: dapd
Hannover. Am Donnerstagabend war dazu wieder ausreichend Gelegenheit. Die Allgemeine Arbeitgebervereinigung Hannover (AGV) - eine Art Sammelbecken für Unternehmen aus der Region, die sich in Branchenverbänden nicht richtig aufgehoben fühlen - hatte ihre Mitglieder ins Hotel Courtyard am Maschsee geladen. Anschließend gab es noch eine Expertenrunde über den Fußball als Wirtschaftsfaktor - unter anderem mit Ex-Profis, Ex-Reporter, amtierendem OB und natürlich mit Martin Kind, übrigens auch stellvertretender Vorsitzender der AGV.
An diesem Abend fielen wieder Sätze wie „Die Ehefrau wechselt ein Fan häufiger als seinen Sportverein“ oder „Mit welcher Laune man montags zur Arbeit erscheint, hängt davon ab, wie 96 gespielt hat.“ So viel Gefühlsduselei ist Kinds Sache nicht. Der Hörgeräteunternehmer sieht 96 als „eine Regionalmarke“, die darauf achten müsse, nicht einfach das Geld der Sponsoren zu verbrennen. „Wir müssen liefern: Leistung, Strategien, Konzepte.“
Er rechnet vor, dass die „Roten“ heute mehr als 85 Prozent ihrer Erlöse über Fernsehrechte und Werbepartner einspielen. Nicht einmal ein Sechstel entfalle auf die Ticketeinnahmen - und selbst hier subventionierten die VIP-Logen die Kartenpreise für Otto Normalzuschauer. „Aber die Fans brauchen wir schon noch in den Stadien?“, fragt Moderator Werner Hansch daraufhin - nur, um nochmal sicherzugehen. „Wirtschaftlich nicht“, entgegnet ihm der 96-Präsident.
Es ist eine bewusste Zuspitzung, die zeigt, welche Ausmaße die Ökonomisierung des Profifußballs bereits angenommen hat. Wenn für jeden Besuch eines 96-Spielers bei der Betriebsfeier eines Sponsors Preise vertraglich festgelegt werden, dann hat das eben mit Fußball-Romantik nicht mehr viel zu tun. „Entscheidend ist aufm Platz“ allein eben schon lange nicht mehr.
Dass die Fans trotzdem wichtig sind, weiß auch Kind: Sie machen die Stimmung, sie kaufen die Merchandising-Artikel, sie bringen Geld in die Stadt - etwa 40 Millionen Euro pro Saison allein die Fans der Gastmannschaften, schätzen Wissenschaftler. „Für unser Marketing ist 96 eine Sensation“, beschreibt es Hannovers Oberbürgermeister Stefan Schostok.
So kann der OB auch gut damit leben, dass dem Verein das Stadion derzeit de facto gehört. Von den 45 Millionen Euro an Krediten für den Ausbau habe man schon 20 Millionen getilgt, berichtet Kind. „Irgendwann“ laufen die Konzessionen aus, dann würde das Stadion wieder an die Stadt zurückfallen. „Ich würde Ihnen nicht empfehlen, es zu übernehmen“, sagt Kind in Richtung Schostok, „weil wir es besser betreiben können.“ Ökonomischer allemal.
HAZ