„Finkelsteins Worte“ – Kommentar zu Neonazis in Deutschland
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„Das darf nie wieder geschehen“: Salomon Finkelstein kämpfte über Jahrzehnte gegen das Vergessen.
© Quelle: Florian Petrow
Am Mittwochabend ist in Hannover, beinahe 97-jährig, Salomon Finkelstein gestorben. Finkelstein, der als junger Mann das KZ überlebt hatte, begann als alter Herr, der jungen Generation von den Gräueln der Nazizeit zu erzählen. "Fragt uns, wir sind die Letzten", hat er dabei immer gesagt. Und wenn er fertig war, war es in Schulklassen und Aulen stets sehr still.
Am gleichen Tag hat in Hessen der Neonazi Stephan E. den Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke gestanden. E. hat Lübcke umgebracht, weil ihm dessen flüchtlingsfreundliche Politik nicht gefiel.
Nun steht am Ende sogar ein Mord
Man kann und muss über vieles diskutieren in diesem Land. Das gilt auch für die Flüchtlings- und Migrationspolitik. Man muss darüber diskutieren, wie viele Flüchtlinge Deutschland aufnehmen und wie man sie so schnell wie möglich integrieren kann. Darüber, aus welchen Gründen die Migrationspolitik der Vergangenheit Parallelgesellschaften hervorgebracht hat und was man dagegen tun kann. Darüber, welche Werte der sogenannten Aufnahmegesellschaft so wichtig sind, dass sie von den Zugezogenen einfordert, sich nach diesen Werten zu richten. Das alles klingt selbstverständlicher, als es in diesen Tagen in Deutschland ist. Im Moment gehen solche Debatten hierzulande in keinem Fall ohne Schnappatmung auf allen Seiten ab, fast immer folgen darauf Diffamierungen und Beleidigungen. Und nun steht am Ende sogar: ein Mord.
Wer aber setzt den Rahmen, in dem wir diskutieren? Woran orientieren wir uns?
Eine solche Partei kann nie Teil der Lösung sein
Als der bayerische Landtag, ebenfalls am Mittwoch, des ermordeten CDU-Politikers Lübcke mit einer Schweigeminute gedachte, blieb der AfD-Abgeordnete Ralph Müller demonstrativ sitzen. Es mag folgerichtig sein, dass Müller den Mord an Lübcke offenbar nicht so besonders erschütternd findet – weil ihn die historische Dimension dieses Verbrechens nicht schreckt. Schließlich ist Müller Mitglied einer Partei, deren Vorsitzender das Dritte Reich für einen "Vogelschiss der Geschichte" hält und die an zahlreichen Stellen Überschneidungen mit einer Szene von rechtsradikalen Staatsfeinden aufweist. Wie groß die Probleme dieses Landes auch sein mögen und wie deutlich man sie auch ansprechen muss – eine solche Partei kann nie Teil einer Lösung sein.
Ob wir die Flüchtlingspolitik von Angela Merkel nun für einen beispiellosen Akt der Menschlichkeit oder ein Desaster für unser Land halten – es muss eine gemeinsame Basis geben, einen Minimalkonsens, auf den wir uns in Deutschland verständigen können. Zur Orientierung könnten wir uns an den „kleinen Finkelstein“ halten, wie er sich selbst gern nannte. Der sagte nämlich auch: „Helft mit, dass so etwas nie wieder geschieht.“
Von Felix Harbart