Kommentar

Geschlechtergerechte Sprache: Der Stern des Anstoßes

Wie wird man jedem gerecht? Diese Frage stellt sich auch bei Symbolen und in der Sprache.

Wie wird man jedem gerecht? Diese Frage stellt sich auch bei Symbolen und in der Sprache.

Hannover. Manchmal werden die großen Dinge im Kleinen sichtbar. Wer in nächster Zeit Post aus dem hannoverschen Rathaus bekommt, wird schnell erkennen, worum es da gehen kann – das Schriftbild wird seltsam fremd sein. Ein kleiner Stern in manchen Wörtern soll hier für einen kraftvollen Umbruch stehen: Es geht darum, Frauen, Männer und jene, die sich in einer anderen Gestalt sehen oder fühlen, gleichermaßen anzusprechen. Gleichstellung per Typografie sozusagen.

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Man kann das leichterhand für Unsinn halten. Nicht wenige Männer werden sich vor Lachen die Bäuche halten, manche Frauen werden sich fragen, ob bei den Geschlechtsgenossinnen in der Landeshauptstadt noch alles im Lot ist. Kaum ist das nie wirklich in den Alltag vorgedrungene Binnen-I („BürgerInnen“) verschwunden, fällt ein Gender-Stern vom Himmel und macht alles noch wilder. Das soll der Fortschritt sein, der die endgültige Durchsetzung von Artikel 3 des Grundgesetzes voranbringen wird? Mit Sternchen und gespreizter Sprache soll aus formaler Gleichberechtigung echte Gleichstellung im Alltag werden?

Indikator für einen Wandel

Einen Moment. Ja, Fleiß und Ambition in der regionalen Variante der Sprach- und Sternchendebatte mögen überzogen sein. Richtig ist auch, dass es noch ein, zwei wichtigere Fragen zu regeln gäbe. Zugleich aber markiert die kleine Sprachreform eine nicht zu übersehende Veränderung im Verhältnis von Frauen und Männern in der Republik. Die Sprache ist hier wie so oft Indikator für einen Wandel.

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Klar ist, dass viele Frauen ihren Platz in der Familie, bei der Arbeit und damit in der Gesellschaft klarer und kraftvoller einfordern als je zuvor. Dazu haben gute Ausbildungen, klare Rollenvorbilder und sicher jüngst auch die MeToo-Bewegung gegen sexuelle Übergriffe einen Beitrag geleistet. Es geht nicht mehr um Emanzipation, das Thema haben die Mütter der heute arbeitenden Frauen im deutschen Kulturkreis weitgehend erledigt. Jetzt folgt die aktive, im Grunde als selbstverständlich begriffene Ausgestaltung der so gewonnenen Lebenswelt.

Und sie birgt nicht weniger Konfliktstoff mit uns Männern – denn wenn es konkret wird, haben Frauen es objektiv oft noch immer schwerer als wir. So hat Niedersachsens Landtagspräsidentin ja recht, wenn sie beklagt, dass zum Beispiel absurd wenige Frauen den Weg ins Parlament schaffen. Zugleich hat Wolfgang Schäuble, ihr Kollege im Bundestag, zum 100. Geburtstag des Frauenwahlrechts in dieser Woche daran erinnert, dass Männer mehr im Haushalt helfen könnten. Das war altväterlich, zeigt aber auch, wie weit der Weg zum echten Miteinander noch ist. Da ist am Arbeitsplatz, in der Politik und offenbar auch im Privaten noch viel zu tun. Wer das seltsame Sternchen schnell überwinden will, sollte hier vorankommen.

Von Hendrik Brandt

HAZ

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