Müssen Anlieger nicht mehr für Straßensanierung zahlen?
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Demonstration gegen Straßenausbaubeiträge am Neuen Rathaus in Hannover.
© Quelle: Conrad von Meding
Hannover. Die rot-schwarze Koalition in Niedersachsen plant Reformen bei den umstrittenen Straßenausbaubeiträgen – bei der CDU kann man sich sogar eine komplette Abschaffung wie in Bayern vorstellen. Die SPD will Anlieger für die Sanierung von Straßen künftig zumindest nicht mehr ganz so stark zur Kasse bitten wie bisher. „Ziel ist es, eine deutliche Verbesserung für die Bürger zur erreichen“, sagte CDU-Generalsekretär Kai Seefried der HAZ. Die Kommunalpolitik müsse schauen, ob sie die Beiträge brauche oder darauf verzichten könne, sagte der SPD-Landtagsabgeordnete Bernd Lynack.
Die Koalition reagiert damit auf die zunehmenden Proteste von Haus- und Wohnungsbesitzern gegen die Zwangsrechnungen von teilweise mehreren Zehntausend Euro pro Anlieger. In Niedersachsen haben sich im Juni rund 30 Bürgerinitiativen zu einem landesweiten Bündnis zusammengeschlossen. Sprecher Niels Finn forderte die Regierungskoalition auf, sich dem bayerischen Vorbild anzuschließen. Für die Abschaffung plädieren auch der Steuerzahlerbund sowie die Verbände von Haus- und Wohnungseigentümern. Die kommunalen Spitzenverbände hingegen wollen die Ausbaubeiträge unbedingt erhalten.
Das Kommunalabgabengesetz gibt Städten und Gemeinden die Möglichkeit, die Eigentümer bei Anliegerstraßen mit bis zu 80 Prozent, bei Durchgangsstraßen mit bis zu 40 Prozent an der Grundsanierung zu beteiligen. Kritiker unterstellen den Kommunen, dass sie Straßen absichtlich verfallen lassen, weil die Anwohner für regelmäßige Reparaturen nicht aufkommen müssten.
Falls das Land den Kommunen die Möglichkeit entzieht, die Beiträge zu kassieren, wäre eine Ausgleichszahlung fällig. Seefried hält eine Summe von unter 70 Millionen Euro für realistisch, in der SPD ist von bis zu 250 Millionen Euro die Rede. Die FDP nennt 30 Millionen Euro. Aus der Antwort der Landesregierung auf eine FDP-Anfrage geht hervor, dass die Kommunen im vergangenen Jahr rund 20 Millionen Euro Ausbaubeiträge kassiert haben. Für das laufende Jahr zeichnet sich eine ähnliche Summe ab. In der Region Hannover waren es 2017 rund 1,8 Millionen Euro. In der Stadt Hannover diskutiert der Rat derzeit darüber, die Beiträge abzuschaffen.
Die FDP fordert die sofortige Abschaffung und hat einen Gesetzesentwurf in den Landtag eingebracht. „Es ist eine staatliche Aufgabe, die Straßen in einem ordentlichen Zustand zu halten“, sagte der FDP-Abgeordnete Jan-Christoph Oetjen. Die Grünen sagen derzeit „Jein“ zur Abschaffung. „Die Kommunen müssen das in Eigenregie entscheiden“, erklärte der Grünen-Politiker Belit Onay. Er plädierte dafür, die Zinsen bei einer Stundung der Beiträge zu senken.
Die CDU prüft auch die Umwandlung der Ausbaubeiträge in jährlich wiederkehrende Zahlungen, wie sie die Stadt Springe jetzt beschlossen hat – oder den Ersatz durch eine höhere Grundsteuer. Seefried kündigte für Oktober eine Expertenanhörung an. Die SPD will laut Lynack zunächst soziale Härten abmildern und genauer hinschauen, wer die sanierungsbedürftigen Straßen tatsächlich nutzt.
Von Marco Seng