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Ostfriesische Inseln

Wangerooge hat wieder einen Strand

Ein besonders hoher Anteil an Stammgästen: Viele Besucher kennen Wangerooge schon seit ihrer Kindheit.

Ein besonders hoher Anteil an Stammgästen: Viele Besucher kennen Wangerooge schon seit ihrer Kindheit.

Wangerooge. Von Insel zu Insel hüpfen? Für die Ostfriesischen Inseln kommt „Inselhopping“ nicht infrage. Obwohl die Sieben in der Nordsee wie aufgereiht nebeneinander liegen, muss man sie mit dem Fährschiff alle vom Festland aus ansteuern; Querverbindungen gibt es als Ausflugsfahrt nur ausnahmsweise. Ebbe und Flut bestimmen den Fahrplan und die Reihenfolge der Inselbesuche mit, nicht immer fährt am selben Tag eine Fähre hin und zurück. Und welcher Besucher will schon aufs Flugzeug ausweichen, wo die Inseln doch gerade Entschleunigung verheißen? So geht die Reise – tidebedingt – zunächst nach Wangerooge, der östlichsten Insel.

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Wangerooge

Obwohl Wangerooge zu den Ostfriesischen Inseln gezählt wird, gehört sie als Einzige streng genommen nicht zu Ostfriesland. Für die mit knapp acht Quadratkilometern Fläche und 1300 Einwohnern zweitkleinste der Inseln (nach Baltrum) ist der Landkreis Friesland in Jever zuständig. Nördlich der strategisch wichtigen Jademündung gelegen, ist die Insel in vergangenen Jahrhunderten stets umkämpft gewesen. Als Wangerooge 1804 offiziell Seebad wurde, war die Insel sogar Teil des russischen Zarenreichs.

Die Insel rühmt sich, einen besonders großen Anteil an Stammgästen zu haben. Viele Besucher haben Wangerooge, dessen Badestrand direkt am Ort liegt, bei Landheimaufenthalten in ihrer Schulzeit, andere bei Urlauben mit den Eltern kennengelernt. Die autofreie Insel läuft nicht jedem Trend hinterher, der Strandkorb ist hier traditionell ein beliebter Entspannungsort. Die weite Dünenlandschaft lässt sich gut mit dem Fahrrad erkunden. Wangerooge bietet zudem gleich drei Leuchttürme und ein Nationalpark-Haus.

Die Schiffahrt Wangerooge bringt Besucher von Harlesiel (Kreis Wittmund) aus mehrmals täglich zu tideabhängig wechselnden Fahrzeiten auf die Insel. Die Fahrzeit mit Schiff und Inselbahn bis zum Ort beträgt etwa 90 Minuten. Wer es besonders eilig hat, nimmt –passendes Wetter vorausgesetzt –den Inselflieger. Der Flug dauert nur fünf Minuten.

Strategisch wichtige Lage

Noch ist es ruhig, die Westfalen kommen erst in einigen Tagen. Am pudrig-weißen Strand gleich hinter der Fußgängerzone des Inseldorfs tummeln sich an diesem niedersächsischen Ferienwochenende vor allem Familien. Kinder werfen sich gegen Windstärke 4 Bälle zu, Eltern leiten Kleine beim Burgenbau an, Hartgesottene stürzen sich bei 17 Grad Lufttemperatur in die ähnlich kühlen Wellen. „60 Prozent Auslastung“ meldet Strandkorbwärter Benjamin Brandt.

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Der Hüter von 1380 blau- und grün-weiß gestreiften Körben, Saisonangestellter der Kurverwaltung, hat dazu beigetragen, dass es diesen Strand überhaupt gibt. Von März bis Mai haben er und einige Kollegen mit Muldenkippern 80 000 Kubikmeter Treibsand von der Ostspitze der Insel geholt und hier abgeladen – wie schon in den Vorjahren. „Im Winter ist hier immer so gut wie nichts mehr“, sagt der 31-Jährige und lässt etwas Sand durch die Finger rinnen. Die Körnung unterscheidet sich jedes Jahr, je nachdem welche Stelle am Ostende der Insel zum Baggern freigegeben wird. „Dieses Jahr ist der Strand etwas fester“, meint Brandt. Ein Orkan und zwei schwere Stürme hatten in der kalten Jahreszeit 2017 ihren Tribut gefordert. Mehr als 400 000 Euro hat die erneute Aufschüttung die Gemeinde gekostet.

Einer, der seit vielen Jahren dafür kämpft, dass Wangerooge nicht auf diesen Kosten sitzenbleibt, ist Jürgen Wiebach. Der 70-Jährige mit der Prinz-Heinrich-Mütze steht „unterm Pudding“, um die Brisanz des Strandproblems zu erläutern. „Wer unterm Pudding nicht kennt, kennt Wangerooge nicht“, meint der Inseltischler und Vorsitzende des Bauausschusses, und tatsächlich ist das Café Pudding auf einer Runddüne an der oberen Strandpromenade ein Wahrzeichen der Insel.

Es steht auf einem Bunker, der an die militärische Vergangenheit der einstigen Festung Wangerooge erinnert. Der verheerende Nachmittag, an dem hier 3000 Bomben der Alliierten vom Himmel fielen, liegt mehr als 70 Jahre zurück. Doch die strategisch wichtige Lage der Insel, vor der Einfahrt zum Marine- und Handelshafen Wilhelmshaven, spielt bis heute eine wichtige Rolle. Kurz gesagt: Sie behindert den Inselschutz.

Eine labile Insel

Im Gegensatz zu den meisten anderen Ostfriesischen Inseln ist für die Befestigung von Wangerooge nämlich die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes zuständig – und die hat vor allem einen ausreichenden Tiefgang der Jade im Blick. Dass Stürme und Wasserströme an Wangerooge stärker nagen als an den Nachbarinseln und jeden Winter von Neuem den Strand wegspülen, spielt da keine Rolle. „Wangerooge ist offiziell keine Insel vorrangig für die Bewohner, sondern ein Strombauwerk“, sagt Wiebach bedauernd und zeigt Richtung Brandung. In der Ferne streben Tanker auf Jade und Weser gen Nordsee.

Mit Meeresströmungen kennt der passionierte Segler sich wie kaum ein anderer aus. Am Strand – gleichzeitig Stolz und Sorgenkind der Gemeinde – demonstriert Wiebach, wie hoch die Sandabbruchkante im stürmischen letzten Herbst gewesen ist: an die zwei Meter. Dann erläutert der Insulaner, warum Wangerooge die labilste der Ostfriesischen Inseln ist. Neben dem Gezeitenstrom und der Lage dicht vor der Jade-Mündung führt das Nagen des Harle-Gatts, einer strömungsstarken Engstelle zwischen Spiekeroog und Wangerooge, zu einer besonders massiven Verlagerung von West nach Ost.

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Verlagerung nach Osten

Dadurch verlor die Insel zwischen dem 17. und 19. Jahrhundert im Westen rund zwei Kilometer Land und nahm im Osten etwa vier Kilometer an Länge zu. Wegen der Verlagerung mussten im Lauf der Inselgeschichte Siedlungen immer wieder aufgegeben und nach Osten verlegt werden. 1586 zerstörte das Meer im Westen den alten Westturm. Danach entstand 1602 ein Turm, der damals noch im Osten der Insel stand – er wurde im Lauf der Zeit wieder zum Westturm.

Der intensive Küstenschutz hat die Insel mittlerweile einigermaßen stabilisiert. Doch der Kampf gegen Sturm und Fluten bleibt eine Daueraufgabe. Dass verschiedene Behörden zuständig sind, macht die Sache nicht leichter – und führt letztlich dazu, dass die Kommune sich selbst um die teuren Strandaufschüttungen kümmern muss. Das Wasser- und Schifffahrtsamt des Bundes sorgt für Mauern und andere Befestigungen wie die großen Bitumen-Deichdeckwerke im Westen der Insel. Währenddessen erhöht der Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) die Dünen im Osten.

Zuletzt war dort der sogenannte Verschleißkörper gegen Sturmfluten im Jahr 2014 wieder ausgebaut worden. „Küstenschutz ist eine Daueraufgabe,“ heißt es beim NLWKN. Das Land stellt auf Wangerooge in diesem Jahr sechs Millionen Euro dafür zur Verfügung. Bis Ende September sollen die Arbeiten auf insgesamt 3,3 Kilometer Länge fertiggestellt sein.

Auch hierfür wird Sand von der Ostspitze geholt. „Der wird langsam knapp“, meint Jürgen Wiebach, zieht eine Strömungskarte aus seiner Aktentasche und fährt mit dem Finger darüber. Wenn es nach dem Bauausschussvorsitzenden ginge, würde die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung den Sand, den sie regelmäßig aus der Jade baggert, so dicht bei Wangerooge in die Nordsee verklappen, dass er mit der Strömung im Inselosten anlandet.

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Angesichts des hohen Aufwands mit dem Strand haben die Urlauber Verständnis dafür, dass die Gemeinde auch für Tagesgäste einen Kurbeitrag erhebt. „Bei mir hat sich noch keiner beschwert“, sagt Strandkorbwärter Brandt. Lehrerin Astrid Brendes, Urlauberin aus Varel, fügt hinzu: „Die 2,50 Euro am Tag zahle ich gern. Dafür gibt es auch einen aufgeräumten Strand, Toiletten und einiges mehr.“

Die ratternde Schmalspurbahn bringt am Abend nur wenige Besucher um 18.15 Uhr zur letzten Fähre. Auch manche Inselbewohner klagen über die Abhängigkeit von den Gezeiten. „Es ist so umständlich, wenn man mal etwas unternehmen will – Disko, Konzerte oder so“, meint der junge Strandkorbwärter. Inseltischler Wiebach dagegen schätzt es, dass die Natur den Rhythmus vorgibt. Er verweist auf Wangerooges Wahlspruch: Gott schuf die Zeit – von Eile hat er nichts gesagt.

Wangerooge

Obwohl Wangerooge zu den Ostfriesischen Inseln gezählt wird, gehört sie als Einzige streng genommen nicht zu Ostfriesland. Für die mit knapp acht Quadratkilometern Fläche und 1300 Einwohnern zweitkleinste der Inseln (nach Baltrum) ist der Landkreis Friesland in Jever zuständig. Nördlich der strategisch wichtigen Jademündung gelegen, ist die Insel in vergangenen Jahrhunderten stets umkämpft gewesen. Als Wangerooge 1804 offiziell Seebad wurde, war die Insel sogar Teil des russischen Zarenreichs.

Die Insel rühmt sich, einen besonders großen Anteil an Stammgästen zu haben. Viele Besucher haben Wangerooge, dessen Badestrand direkt am Ort liegt, bei Landheimaufenthalten in ihrer Schulzeit, andere bei Urlauben mit den Eltern kennengelernt. Die autofreie Insel läuft nicht jedem Trend hinterher, der Strandkorb ist hier traditionell ein beliebter Entspannungsort. Die weite Dünenlandschaft lässt sich gut mit dem Fahrrad erkunden. Wangerooge bietet zudem gleich drei Leuchttürme und ein Nationalpark-Haus.

Die Schiffahrt Wangerooge bringt Besucher von Harlesiel (Kreis Wittmund) aus mehrmals täglich zu tideabhängig wechselnden Fahrzeiten auf die Insel. Die Fahrzeit mit Schiff und Inselbahn bis zum Ort beträgt etwa 90 Minuten. Wer es besonders eilig hat, nimmt –passendes Wetter vorausgesetzt –den Inselflieger. Der Flug dauert nur fünf Minuten.

Ab auf die Insel

Die neue Serie „Ab auf die Insel“ nimmt Sie mit in den hohen Norden. Unsere Autorin Gabriele Schulte besucht alle sieben bewohnten Ostfriesischen Inseln – und berichtet von Strandaktivitäten, beschaulichen Dörfern und quirligen Städtchen, von geruhsamer Fortbewegung mit Kutsche, Fahrrad und Inselbahn sowie den Sorgen der Insulaner um Deiche, Dünen, Häfen und bezahlbaren Wohnraum.

Von Gabriele Schulte

HAZ

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