Prinz Ernst August wirft seinem Sohn Putsch vor
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Streiten um die Marienburg bei Pattensen: Ernst August Erbprinz von Hannover (rechts) und sein Vater.
© Quelle: dpa/M
Hannover. Es geht um 73 Hirsche, 61 Rehe, 18 Gämsen und zwei Wildsauen. Es geht um einen Vater-Sohn-Konflikt klassischen Ausmaßes. Und am Ende wohl auch um viele Millionen Euro aus den Taschen der Bürger in Niedersachsen. Es ist ein Stück aus dem wahren Leben, das die Familie der einstigen Könige von Hannover in diesen Wochen auf offener Bühne zeigt – und noch ist nicht ausgemacht, wer beim shakespearehaften Ringen um Geld, Geltung und vor allem Schulden als Sieger vom Platz gehen wird. Sicher ist derzeit nur: Das Zerwürfnis zwischen Ernst August von Hannover, dem ebenso bekannten wie verschrienen Chef des Welfenhauses, und seinem gleichnamigen Sohn ist abgrundtief – und der Zwist könnte am Ende auf die Landeskasse ebenso spürbare Auswirkungen haben wie auf die Nerven in Europas Hochadel.
Das Land soll das Schloss übernehmen – für einen Euro
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Anlass des Familienstreits: Die Marienburg bei Pattensen.
© Quelle: dpa
Denn Ernst August junior will verkaufen, was über Generationen seiner Familie gehörte – die Marienburg bei Pattensen, Kunstwerke im Millionenwert und Ländereien auch. Das Land Niedersachsen soll das Schloss für einen Euro übernehmen, es zusammen mit dem Bund für geschätzte 27 Millionen Euro sanieren und Ernst August junior zugleich die Möglichkeit geben, aus den übrigen Verkäufen seine Schulden zu decken. Wobei er betont, dass er all das lieber im Familienbesitz halten würde – dazu aber finanziell nicht mehr in der Lage sei. "Das Geld ist weg", sagt der 35 jährige gelernte Banker unverblümt, wenn man ihn fragt, was etwa aus den ursprünglich für die Sanierung des Schlosses vorgesehen 44 Millionen Euro aus einem früheren Kunstverkauf geworden sei. Das klingt nicht hochnäsig, sondern eher ratlos. Denn Ernst August junior hat sich ganz offenbar nicht vorstellen können oder wollen, welch gewaltigen Schuldenberg er abarbeiten musste, nachdem er 2004 wesentliche Besitzungen der Welfen übernommen hatte. Dabei geht der Blick auf seinen Vater.
Hat der umtriebige Senior so viel vom legendären Vermögen der einstigen Kurfürsten und Könige durchgebracht, dass jetzt die einfachen Bürger für den Erhalt der wertvollen Immobilien des einstigen Herrscherhauses sorgen müssen?
Der Vater klagt – und zielt damit auf seinen Sohn
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Erbprinz Ernst August: „Mein Vater und seine Anwälte versuchen durch Streuung haltloser Unterstellungen die auf dem Tisch liegende Lösung zu verhindern“, sagte er der HAZ.
© Quelle: Henning Scheffen
Es ist nicht seriös zu sagen, wie reich Ernst August senior und damit das legendäre Adelsgeschlecht der Welfen noch sind. In Hannover gibt es Vermögensverwalter, die dieses oder jenes zu wissen glauben – aber mittlerweile einen dezenten Bogen um die einst hochwohlgeborene Mandantschaft machen. Mancher sei da unberechenbar, heißt es vorsichtig. Möglicherweise überblickt der Chef des Hauses, der weitgehend zurückgezogen im oberösterreichischen Grünau lebt und in diesen Tagen 65 Jahre alt wird, seine finanziellen Verhältnisse selbst nicht mehr so ganz. Menschen, die früher für ihn gearbeitet haben, halten das für plausibel. Auf eine gewisse Orientierungssuche in Vermögensfragen könnte zumindest der jüngste Zug des „Prügel-Prinzen“ hindeuten: Er verklagt seinen langjährigen Freund und Vermögensverwalter. Bei der Staatsanwaltschaft im liechtensteinischen Vaduz ist vor wenigen Tagen eine Strafanzeige seiner Anwälte eingegangen. Sie richtet sich gegen Prinz Michael von und zu Liechtenstein, einen Cousin von Fürst Adam II. Er betreut das verschachtelte Vermögenskonstrukt der Welfen, das nicht zuletzt in einer „Herzog-von-Cumberland-Stiftung“ zusammengefasst ist. Die Strafanzeige ist formal ein starker Schritt – und im Umgang der „Von und Zus“ untereinander erst recht. Mehr noch: Am Ende zielt sie auf seinen Sohn in Hannover.
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Bröckelnder Putz an den Wänden: Die Marienburg ist sichtbar in die Jahre gekommen.
© Quelle: Rainer Droese
Anwälte gehen tief ins Detail: Der Erbprinz soll geholfen haben, Geld zu veruntreuen
In dem 54 Seiten starken Schreiben, das der HAZ vorliegt, geht es nicht nur um die geplante Abgabe der Marienburg, die der Senior torpediert. Der Welfenchef, in zweiter Ehe mit Caroline von Monaco verheiratet, wirft seinem Sohn auch vor, ihn im Verbund mit anderen gegen seinen Willen als Vorstand der Cumberland-Stiftung abgesetzt zu haben. Der Erbprinz soll ferner geholfen haben, Geld aus der Stiftung zu veruntreuen. Dabei gehen die Anwälte tief ins Detail. Akribisch listet das Schreiben etwa auf, bei wie vielen Abschüssen von Wild es nach Ansicht des Seniors bei der Abrechnung nicht mit rechten Dingen zugegangen sein soll. In Österreich besitzt die Familie ausgedehnte Jagdreviere.
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Verhandeln – über einen symbolischen Kaufpreis von einem Euro: Ernst August Erbprinz von Hannover und Björn Thümler, Minister für Wissenschaft und Kultur von Niedersachsen.
© Quelle: Rainer Droese
Die Strafanzeige, aufgesetzt von der Salzburger Kanzlei Berlin & Partner, wirft dem Junior vor, seit Jahren mit Prinz Michael in Liechtenstein konspiriert zu haben. Der Vater sei am 7. Mai 2012 „treuwidrig und mit fadenscheinigen (falschen) Gründen“ als Mitglied des Stiftungsvorstands abgesetzt und „statutenwidrig“ durch seinen Sohn ersetzt worden. Sogar von einem „Putsch“ unter Beteiligung des Erbprinzen ist die Rede. Wie groß das Vermögen ist, um das es dabei geht, wird nicht gesagt. Die Anwälte des Vaters listen lediglich auf, was dieser seinem Sohn 2004 geschenkt hat: „Liegenschaften, historisch bedeutsame Gebäude (Marienburg, Fürstenhäuser Herrenhausen, Hofstelle Calenberg) sowie wertvollste Kunstschätze“.
Der Welfen-Zwist verliert sich beim Streit ums Wildbret im bizarren Kleinklein, doch er rührt auch tief an das Selbstverständnis des früheren Königshauses. So bestreitet der Senior inzwischen sogar, dass die Kinder des Juniors – dessen Tochter Elisabeth ist noch nicht ein Jahr alt, voraussichtlich im April wird das zweite Kind zur Welt kommen - erbberechtigt seien. Schließlich habe er der Ehe seines Sohnes mit der russischen Modeschöpferin Ekaterina Malysheva 2016 seinen Segen versagt – und dieser wäre nach dem "Hausgesetz" des Hauses Hannover nötig gewesen, damit die Sprösslinge des Paares nachfolgeberechtigt seien.
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Jubel an der Marktkirche: Hochzeit von Ernst August und Ekaterina Malysheva.
© Quelle: Körner
Der junge Erbprinz zieht einen klaren Strich – und hat juristisch offenbar gute Karten
Lange Zeit hat der eher sanfte Ernst August junior, der bei seiner Mutter Chantal in London aufgewachsen ist und mittlerweile meist in Hannover lebt, dem Treiben seines gern aufbrausenden Vaters zumindest öffentlich gelassen zugesehen. Nun aber wird er deutlich: „Mein Vater und seine Anwälte versuchen seit einigen Wochen durch Streuung haltloser Unterstellungen die auf dem Tisch liegende Lösung zu verhindern“, sagte er der HAZ. Das Störmanöver solle nur vom eigentlichen Thema ablenken: der Frage, wie sich der Erhalt der Marienburg sichern lasse. Alle Vorwürfe seines Vaters entbehrten jeder sachlichen Grundlage und seien falsch. Aussagen zur Marienburg entsprächen nicht den vertraglich festgehaltenen Tatsachen. Und im Übrigen habe es auch bei der Jagd nun wirklich keine Veruntreuungen gegeben. „Anderslautende Unterstellungen sind falsch.“
Der junge Erbprinz zieht einen klaren Strich – und hat juristisch offenbar gute Karten. Darauf deutet auch die Taktik seines Vater hin, der in seiner Argumentation mittlerweile tief in die Historie zurückgreift: Er beruft sich auf jenes „Hausgesetz“ des Hauses Hannover von 1836, aus jener Zeit also, als die Adelsfamilie noch in Personalunion über Hannover und Großbritannien herrschte und sich wie ihren Untertanen eigenmächtig Regeln geben konnte. Nach diesem Gesetz sei er selbst der Chef des Hauses Hannover. Als solcher müsse er nach den Statuten der Stiftung Mitglied in deren Vorstand sein, solange er nicht „geschäftsunfähig oder in seiner Geschäftsfähigkeit beschränkt“ sei – und eine solche Diagnose habe es nie gegeben.
Von einem Putsch kann keine Rede sein, sagt der Prinz
Es gibt jedoch allem Anschein nach Menschen aus dem Umfeld des gesundheitlich offenbar schwer angeschlagenen Seniors, die seine Geschäftsfähigkeit durchaus infrage stellen. Wie aus dem Schreiben seiner Anwälte hervorgeht, hat seiner Abberufung von der Spitze der Cumberland-Stiftung eine illustre Riege von Persönlichkeiten zugestimmt: „Konstantin König der Hellenen, Andreas Fürst zu Leiningen, Bernhard Prinz von Baden“ sind dort vermerkt. Und seine derzeitige Ehefrau - Caroline von Hannover. Allerdings ist dieser Beschluss des versammelten Hochadels wohl erst deutlich nach dem Wechsel an der Spitze der Stiftung festgehalten worden.
Ernst August junior will sich zum Gesundheitszustand des Vaters nicht öffentlich äußern. Er versichert aber, dass von einem „Putsch“ keine Rede sein könne: Der Stiftungsvorstand, dem er selbst zu jener Zeit gar nicht angehörte, habe seinen Vater abberufen, „um die Handlungsfähigkeit der Stiftung wiederherzustellen“.
Und der Prinz von und zu Liechtenstein? Er ließ auf HAZ-Anfrage nur erklären, der Vorstand der Cumberland-Stiftung nehme zu internen Stiftungsangelegenheiten in der Öffentlichkeit keine Stellung. Um dann doch hinzuzufügen: „Der Stiftungsvorstand handelt immer im Einklang mit Gesetz, Stiftungssatzung, dem wohlverstandenen Stifterwillen und den langfristigen Interessen des Hauses Hannover.“
Die Suche nach dem Welfenschatz geht weiter
Dort jedoch geht es längst nicht mehr nur ums Geld. Die Attacken auf seine Ehe und die Kinder haben den Erbprinzen vollends von seinem Vater abrücken lassen. Er lässt es von seinen Anwälten in gewählte Worte kleiden: „Gegen meine Eheschließung hat mein Vater ausschließlich sachwidrige Gründe und falsche Behauptungen angeführt. Alle hierzu konsultierten Erbrechtsexperten sind sich einig, dass seine Zustimmung damit nach vertraglichen Bestimmungen als erteilt gilt. An der Erbberechtigung besteht somit kein Zweifel.“
Mittlerweile gehen die Verhandlungen über die Zukunft der Marienburg im Hintergrund leise weiter. Und mit ihnen die Suche nach dem Welfenschatz. Wenn er nicht eben längst verjubelt ist.
Von Marco Seng, Simon Benne und Hendrik Brandt
HAZ