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Prozess

„Reichsbürger“-Polizistin wird suspendiert – und wehrt sich

Eine Polizistin aus Göttingen soll den Reichsbürgern nahestehen und wurde nun suspendiert.

Eine Polizistin aus Göttingen soll den Reichsbürgern nahestehen und wurde nun suspendiert.

Göttingen. Wer der sogenannten Reichsbürgerbewegung nahesteht, kann nicht bei der Polizei arbeiten. Das hat das Verwaltungsgericht Göttingen entschieden. Die Kammer lehnte einen Antrag einer Kommissarin ab, der die Polizeidirektion die Weiterführung ihrer Dienstgeschäfte untersagt hatte: Wer die Existenz der Bundesrepublik leugne und die verfassungsmäßigen Strukturen infrage stelle, könne weder im Polizeivollzugsdienst noch in der Polizeiverwaltung weiterbeschäftigt werden, urteilte das Gericht (Az.: 1 B 384/17).

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Die Polizistin arbeitete seit Oktober 2016 im Bereich der Polizeidirektion Göttingen. Ein Jahr zuvor hatte sie bei der für sie zuständigen Einwohnerbehörde ihren Personalausweis abgegeben. Obwohl der Ausweis aus mehreren Kunststoffschichten besteht, war er der Breite nach gebrochen. Statt eines neuen Personalausweises beantragte sie für sich und ihre Tochter einen sogenannten Staatsangehörigkeitsausweis. In dem Formular gab sie an, dem Königreich Preußen anzugehören und die deutsche sowie die preußische Staatsangehörigkeit zu besitzen.

Im Herbst 2017 leitete der Verfassungsschutz eine Kopie der ausgefüllten Antragsformulare an die Polizeidirektion Göttingen weiter. Im November untersagte die Behörde der Beamtin mit sofortiger Wirkung die weitere Dienstausübung. Die Polizistin zog daraufhin vor Gericht. Sie bestritt, der Reichsbürgerbewegung anzugehören, sie habe diese nicht einmal gekannt. Sie sei beim Ausfüllen der Anträge unsicher gewesen und habe sich daher an einem Internet-Video orientiert.

Das Gericht hielt dies für wenig glaubhaft. Es sei kaum nachzuvollziehen, dass eine Polizeibeamtin mit Fachhochschulabschluss und nicht unerheblicher Dienst- und Lebenserfahrung beim Ausfüllen des Formulars auf Hilfe angewiesen gewesen sei. Noch viel weniger verständlich sei, dass sie als rechtskundige Polizeibeamtin blind den Vorgaben eines unseriösen Internetvideos gefolgt sein wolle. Aus ihren Angaben lasse sich vielmehr der dringende Verdacht ableiten, dass sie vom Fortbestehen des Königreichs Preußen ausgehe und die Gründung der Bundesrepublik Deutschland und deren verfassungsmäßige Strukturen, Organe und Legitimation infrage stelle.

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Nach Einschätzung des Gerichts entspricht das Verhalten der Polizistin den Handlungsmustern der sogenannten Reichsbürger. Diese beharrten auf der Annahme, weiterhin und ausschließlich Angehörige des Deutschen Reiches zu sein. Für die Nähe der Polizistin zur Reichsbürgerbewegung spreche auch, dass sie ihre Abstammung bis ins Jahr 1910 und somit bis zur Existenz der Deutschen Reichs belegt habe. Als Polizeibeamtin sei sie aber dazu berufen, jederzeit für die freiheitlich demokratische Grundordnung einzutreten, die Einhaltung bestehender Gesetze zu überwachen und diese gegebenenfalls auch zwangsweise durchzusetzen.

Eine Sprecherin der Polizeidirektion Göttingen sagte, dass gegen die Polizistin ein Disziplinarverfahren laufe. Nach Angaben des Innenministeriums gibt es in Niedersachsen noch einen weiteren „Reichsbürger“-Verdachtsfall im Bereich der Polizeidirektion Braunschweig. In beiden Fällen seien die Verfahren nicht abgeschlossen.

Von Heidi Niemann

HAZ

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