So sieht es hinter den Kulissen eines Schlachthofes aus
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Mitarbeiter im Schlachthof von Danish Crown nehmen Schweine aus.
© Quelle: Foto: Heidrich
Hannover. Die letzte Reise von Schwein Nummer 11906 ist eine Fahrstuhlfahrt. Als sich die Tür öffnet, trottet das Schwein hinein, fünf weitere Tiere folgen geradezu bereitwillig. Denn Schweine sind neugierig und ungern allein. Ein Schlachthofmitarbeiter steht mit einem Treibpaddel daneben, muss aber nichts tun. Die Tür schließt sich, der Fahrstuhl setzt sich nach unten in Bewegung – und der Sauerstoff wird abgesaugt. Sekunden später purzeln die bewusstlosen Tiere auf ein Fließband und werden von Mitarbeitern kopfüber aufgehängt. Ein Schlächter schneidet die Halsschlagader auf und setzt einen Schlauch ein, der das Blut des Tieres absaugt. Dann ist es tot. Wenige Minuten später bekommt es eine Nummer – Schwein 11.906.
So wird auf einem Schweineschlachthof gearbeitet
So wird auf einem Schweineschlachthof gearbeitet
Es ist das 11.906. Tier, das seit Wochenbeginn geschlachtet wurde. Am Sonnabendnachmittag werden im Schlachthof der Firma Danish Crown in Essen bei Oldenburg rund 64.000 Schweine getötet worden sein. In zwei Schichten werden die Tiere geschlachtet, ausgenommen und zerteilt. Pausenlos fahren Viehtransporter durch den Ort und halten am Schlachthof. Eine nach Vieh riechende Dunstglocke hängt über dem Werksgelände.
„Transparenz ist wichtig“
Das dänische Unternehmen Danish Crown ist seit 2011 in der 8300-Seelen-Gemeinde ansässig. Dort hatte es den in Verruf geratenen Schlachthof D&S übernommen. Die Arbeits- und Tierschutzverhältnisse bei D&S galten als untragbar. Jens Hansen, Sprecher von Danish Crown, redet nicht gerne über den früheren Betreiber. Danish Crown ist ein Massenschlachthof, der für sich in Anspruch nimmt, es anders zu machen als manche schwarze Schafe in der Branche. Danish Crown zeigt auch, wie es zugeht im Betrieb. „Das ist wichtig. Wir wissen, dass die Verbraucher Transparenz wollen“, sagt Unternehmenssprecher Hansen.
Die Zustände in niedersächsischen Schlachthöfen haben in jüngster Zeit für Aufsehen gesorgt: Aktivisten hatten mit Videoaufnahmen dokumentiert, wie in Schlachthöfen in Gleidingen bei Hannover, in Osnabrück und Oldenburg Tiere mit Elektroschockern gequält wurden. Anfang Dezember rückten die Arbeitsbedingungen in den Schlachthöfen ins Rampenlicht, als ein 41-jähriger rumänischer Angestellter bei Osnabrück an Tuberkulose verstarb. Weitere Mitarbeiter hatten sich ebenfalls mit der ansteckenden Krankheit infiziert. Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten in Oldenburg macht die Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie für das Wiederaufleben von Tuberkulose verantwortlich und kritisiert, dass Arbeitskräfte ohne Gesundheitsprüfung durch Subunternehmer rekrutiert werden.
Mensch und Maschine teilen sich die Arbeit
1300 bis 1400 Angestellte arbeiten in der Essener Niederlassung von Danish Crown. Rund 1000 von ihnen sind von Subunternehmern beschäftigt, die für die Dänen auch die Gesundheitsüberprüfung der Angestellten übernehmen. „Krankheiten können zu einem großen Problem für die Angestellten und die Produktion werden. Wir tun alles, um das zu verhindern“, sagt Hansen. So müssen die Angestellten etwa eine Hygieneschulung absolvieren. Viele Mitarbeiter stammen aus Osteuropa und sind in Unterkünften mit bis zu vier Personen pro Zimmer untergebracht.
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Vor der Betäubung werden die Schweine mit grünem Licht bestrahlt. Das soll sie beruhigen.
© Quelle: Foto: Heidrich
Im Schlachthof selbst teilen sich Mensch und Maschine die Arbeit: Kopfüber werden die Schweine an einer Art Laufband durch die 44.000 Quadratmeter große Produktionshalle transportiert. Das Zerteilen der Schweine in Hälften erledigt eine Säge automatisch. Das Blut saugen Pumpen ab. Die Sortierung der Schweine nach Größe und Gewicht erledigt der Computer.
Ein unwirklicher Ort
Der Anblick von Tausenden kopfüber hängenden Schweinehälften in der dunklen, kalten Halle hat etwas Unwirkliches. Die Arbeit jedoch ist reinste Routine. Nur die Angestellten an der Lkw-Laderampe, die die Schweine zunächst in die Stallung bringen, und der Mitarbeiter mit dem Treibpaddel haben die Tiere lebendig gesehen. Für Emotionalität ist kein Platz, das Kennzeichen der Halle ist die Sterilität.
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19.000 Schweine passen ins Lager des Schlachthofes.
© Quelle: Foto: Heidrich
Der typisch moddrige Schweinegeruch verflüchtigt sich kurz nach der Betäubungsstation. Danach riecht es ein wenig nach Blut, obwohl kaum welches zu sehen ist. Einige Meter weiter riecht es nach Fleisch – wie beim Schlachter. Schließlich landen die Schweinehälften in der Zerlegungshalle. Hier wird wortwörtlich am Fließband gearbeitet: Hunderte Angestellte nehmen in wenigen Minuten die Schweinehälften auseinander: Eine Mitarbeiterin trennt an einer Säge Füße, Ohren und Schwanz ab. Diese Teile werden nach China exportiert. Mit einem Messer löst ein weiterer Angestellter mit wenigen Schnitten Knochen und Mark aus. Mit jedem Arbeitsschritt werden die Schweine mehr und mehr zur Fleischware – die bald darauf zum Kauf im Supermarkt ausliegen wird.
Deutsche essen 35,9 Kilo Schwein pro Jahr
Schweinefleisch kommt in Deutschland trotz leichtem Rückgang noch immer am häufigsten auf den Tisch: 35,9 Kilo wurden 2017 pro Kopf verzehrt. 2014 waren es zwei Kilogramm mehr. „Es kann sein, dass Menschen weltweit in Zukunft weniger Fleisch essen“, sagt Hansen. Für den bisweilen schlechten Ruf der Fleischindustrie könne Danish Crown nichts – das Unternehmen selbst möchte es besser machen als andere: „Wir wollen dafür sorgen, dass wir den besten ökologischen Fußabdruck hinterlassen und so viel wie möglich für das Tierwohl tun.“
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Nach der Anlieferung durch Lkws kommen die Schweine für einige Stunden in den Stall.
© Quelle: Foto: Heidrich
Dem Tierwohl widmet sich zunehmend auch die Politik. „Ich will eine ethisch vertretbare Lebensmittelerzeugung. Der Prozess vom Hänger bis zum Haken muss voll transparent sein“, sagt etwa Niedersachsens Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast. Die Ministerin hatte sich geradezu schockiert gezeigt von den Fällen von Tierquälerei in Schlachthöfen, wie sie von den Tierschützern dokumentiert worden waren. Sie fordert nun eine bundesweite Videoüberwachung, die dem amtlichen Kontrollpersonal zur Verfügung stehen müsse.
Offen für Besucher
Danish Crown hat nach eigenen Angaben seit 2015 freiwillig Kameras installiert. Auf der Internetseite des Unternehmens ist eine Dokumentation über den Verarbeitungsprozess der Tiere zu sehen, wobei die Betäubung und das Schlachten allerdings nicht gezeigt werden. Das Unternehmen bietet sogar Führungen für Anwohner an. „Die Besucher kommen meist mit Skepsis und Voreingenommenheit und sind dann positiv überrascht“, sagt Sprecher Hansen.
Dass der Öffentlichkeit und auch Medien derartige Blicke hinter die Kulissen eines Schlachthofes gestattet werden, ist eher eine Ausnahme. „Andere Betriebe machen das wahrscheinlich nicht, weil sie Angst vor negativer Berichterstattung haben“, sagt Hansen. „In Dänemark ist das anders, da sind wir offener.“ Ob sich in Zukunft auch deutsche Schlachthöfe für die Konsumenten öffnen, bleibt abzuwarten.
Von Manuel Behrens
HAZ