Warum bekam der Todesrichter ein Einreisevisum?
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Shahroudi ließ sich im international Neuroscience Institute (INI) in Hannover behandeln.
© Quelle: dpa
Hannover. Er gilt als unerbittlicher Todesrichter, der mehr als 2000 Todesurteile im Iran veranlasste: Ayatollah Shahroudi. Über Weihnachten ließ sich der 69-jährige Mullah in der Privatklinik INI in Hannover medizinisch untersuchen und behandeln – unter Polizeischutz. Unbehelligt verließ der Iraner, dem Folter und diverse Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen werden, am 11. Januar Niedersachsen und über Hamburg Deutschland. Was wusste die Landesregierung, warum setzte man den Iraner nicht fest, wollten jetzt die Grünen und die AfD in einer Landtagsdebatte wissen?
Die AfD hatte das heikle Thema auf die Tagesordnung der Aktuellen Stunde gesetzt. „Warum wurde diesem Mann überhaupt die Einreise gestattet?“, fragte der AfD-Abgeordnete Stefan Bothe. Er war nicht der einzige, der diese Frage stellte. Auch CDU-Fraktionschef Dirk Toepffer sagte, einer „so unappetitlichen Person“ hätte niemals ein Einreisevisum nach Deutschland erteilt werden dürfen. „Es kann und darf nicht sein, dass Niedersachsen zum Sanatorium für Menschenrechtsverletzer wird – da ist einiges schief gelaufen.“
Pikant wurde der Vorgang auch dadurch, dass Shahroudi sich nach seiner vermutlich überstürzten Abreise aus Deutschland bei den Sicherheitsbehörden für die gute Zusammenarbeit bedankte. Die hatte dem Todesrichter, der sogar eine 16-Jährige hinrichten ließ, die vergewaltigt worden war, Polizeischutz gewährt. Dies schien auch nötig, weil sich immer mehr Menschenrechtler über den Aufenthalt des früheren Richters in Deutschland empörten und protestierten.
„Wir können nicht einfach missliebige Personen verhaften“
Landesinnenminister Boris Pistorius (SPD) erklärte, das Land Niedersachsen sei erst am 26. Dezember 2017 über das Auswärtige Amt darüber informiert worden, dass Shahroudi sich in Hannover aufhalte. Der Ayatollah war bereits am 21. Dezember 2017 eingereist und hielt sich zunächst in Berlin auf. Die Staatskanzlei in Hannover bat das Innenministerium unter anderem, die Prüfung polizeilicher Schutzmaßnahmen vorzunehmen, was auch geschah. Nach und nach habe man die Schutzmaßnahmen ausgeweitet, sagte Pistorius. Zu einer Festnahme des Ayatollahs sei es aber nicht gekommen, weil kein Haftbefehl gegen den Politiker vorgelegen habe, der von 1999 bis 2009 oberster Richter des Iran war.
Dies wäre Sache des Generalbundesanwaltes gewesen, der für Verbrechen gegen das Völkerrecht zuständig ist. Es habe aber keinen Anfangsverdacht für Straftaten gegeben, die man in Niedersachsen hätte verfolgen können. „Wir können in einem Rechtsstaat nicht einfach missliebige Personen verhaften“, sagte Pistorius. Man habe die Bundesanwaltschaft auch über die avisierte Abreise des Ayatollahs unterrichtet, gegen den im neuen Jahr einige Strafanzeigen eingereicht worden waren, unter anderem vom Grünen-Bundespolitiker Volker Beck.
Der Grünen-Politiker Christian Meyer warf der rot-schwarzen Landesregierung vor, zu der gesamten Affäre geschwiegen zu haben. Dass der Iraner in Hannover eine „Erste-Klasse-Behandlung“ erfuhr, findet Meyer skandalös. Dass Shahroudi in Hannover Polizeischutz bekommen habe, sei beschämend. Der SPD-Abgeordnete Carsten Becker meinte, ein solcher Polizeischutz geschehe ohne Ansehen der Person.
Von Michael B. Berger