Was bleibt von der Idee des gemeinsamen Unterrichts?
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Erstklässler warten auf ihre Einschulung in eine Grundschule.
© Quelle: dpa
Hannover. Wenn am Sonnabend die Schultüten an die neuen Erstklässer verteilt werden, ist eines dabei mittlerweile selbstverständlich: In die Grundschule um die Ecke gehen meist auch die Kinder mit Handicap. Etwa zwei Drittel der Schüler der Jahrgänge 1 bis 9, die eine Behinderung haben, gehen mittlerweile auf Regelschulen und nicht mehr auf Förderschulen.
Nächstes Jahr ist es zehn Jahre her, dass Deutschland die UN-Behindertenrechtskonvention ratifiziert und damit die Grundlage für die gleichberechtigte Teilhabe behinderter Menschen an der Gesellschaft gelegt hat. In der Schule ist die Idee des gemeinsamen Unterrichts erst später angekommen. Erste Bemühungen gab es schon vorher, aber ein generelles Wahlrecht für Eltern zwischen Förder- und Regelschule kam erst 2013 ins niedersächsische Schulgesetz.
Mit der Umsetzung kam die Ernüchterung. Zu wenig Platz, zu wenig Sonderpädagogen, große Ängste bei Eltern nichtbehinderter Kindern, ob der eigene Nachwuchs auch so genug lerne. Viele Lehrer fühlen sich durch die Inklusion, aber auch durch andere zusätzliche Aufgaben an den Rand ihrer Kapazitäten getrieben – so sehr sie auch von der Idee des gemeinsamen Unterrichts überzeugt sein mögen.
Und dann ist da noch ein Problem: Die Ressourcen, also die Unterstützung durch Sonderpädagogen oder Schulbegleiter, hängen an einem per Gutachten amtlich festgestellten Förderbedarf. Ohne Stempel also keine Hilfe. Aber hat das Kind diesen Stempel nicht sein Schulleben lang – oder Aussicht auf Veränderung? Es gibt wenige Beispiele, in denen Schüler einen einmal festgestellten Förderbedarf losgeworden sind. Aber es gibt sie. Wie die Geschichte von dem Mädchen an der IGS Vahrenheide/Sahlkamp, das einst Lernprobleme hatte und nun doch seinen Realschulabschluss geschafft hat.
Das Schulgesetz erlaubt es Kommunen jetzt, Förderschulen für Kinder mit Lernschwierigkeiten nicht auslaufen zu lassen, sondern sie länger zu erhalten, sogar bis 2028. Die Stadt Hannover hat sich entschlossen, bewusst davon keinen Gebrauch zu machen. Es gibt nur noch die Albrecht-Dürer-Schule in Bothfeld als reine Förderschule Lernen. Ab 2022 dann gar keine mehr. Andere Städte machen es anders: 51 Förderschulen für Kinder mit Lernschwächen bleiben in Niedersachsen länger als gedacht erhalten. Fortschritt oder Rückschritt?
Zumindest ist die Entscheidung, ein bisschen langsamer zu machen, verständlich. Solange die Regelschulen nicht die Ausstattung bekommen, die sie für einen guten gemeinsamen Unterricht brauchen, bleibt Inklusion schwierig. Aufgeben sollte man die Idee deshalb nicht. Nur eben besser umsetzen.
Von Saskia Döhner
HAZ