Interview mit Michael Fürst

„Wir sorgen dafür, dass das kein schöner Feiertag wird“

„Wir hätten mehr Demut erwartet“: Michael Fürst ist seit knapp 38 Jahren Präsident des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden in Niedersachsen.

„Wir hätten mehr Demut erwartet“: Michael Fürst ist seit knapp 38 Jahren Präsident des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden in Niedersachsen.

Hannover. Michael Fürst, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinden, sagt den Reformationstagsplänen der Landesregierung den Kampf an.

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Jetzt hat auch Hamburg beschlossen, den Reformationstag ab diesem Jahr zum neuen gesetzlichen Feiertag zu erheben. Es zeichnet sich eine norddeutsche Lösung ab. Müssten die Jüdischen Landesverbände nicht ihren Widerstand aufgeben?

Nein, auf keinen Fall, zumal wir mit unserer Kritik an diesem Reformationstag, der ausgerechnet einen Antisemiten wie Martin Luther würdigt, nicht allein stehen. Auch die Katholiken, die zahlenmäßig viel stärker sind, haben Bedenken geäußert, auch die Humanisten. Aber über all das setzt sich die Landesregierung unbekümmert hinweg. Wir werden aber weiterhin dafür kämpfen, dass dieser Tag nicht so ein schöner Tag wird, wie sich die Regierung das vorstellt.

Nun sagen namhafte Historiker, dass  Luther keineswegs nur Antisemitisches von sich gegeben habe und der Reformationstag wesentlich umfassender sei als ein reines Luther-Gedenken.

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Dass Luther eine vielschichtige Persönlichkeit war, hat auch die Evangelische Kirche nicht verschwiegen, zumindestens in den letzten Jahren nicht. Aber er war eben auch ein starker Antisemit. Und wer den 31.  Oktober zum Feiertag erklärt, feiert eben auch einen großen Antisemiten – und muss mit unserem Protest rechnen.

Was bedeutet eine mögliche Entscheidung Niedersachsens für den 31.  Oktober für das christlich-jüdische Verhältnis?

Das ist eine Belastung und auch ein Affront. Mich wundert es, dass man auf unsere Einwände nicht eingegangen ist, zumal wir früh signalisiert haben, dass der 31. Oktober im Gegensatz zu anderen Tagen (wie etwa der Buß- und Bettag) der falsche ist. Das ist ein Vorwurf, den wir an die Evangelische Kirche machen. Wir hätten da mehr Demut erwartet angesichts der Tatsache, was Christen im Anschluss an Luthers antisemitische Ausfälle angerichtet haben. Das wird nicht dazu führen, dass ich meine Freundschaften zu Protestanten und Katholiken aufkündige, aber es wird zu einer Belastung des öffentlichen Verhältnisses führen.

In Hamburg wurde am Mittwoch ein nackter Luther von der Giordano-Bruno-Stiftung vor das Rathaus gestellt,  das soll diese Woche auch in Hannover geschehen. Was halten Sie von derartigen Aktionen?

Das ist Geschmackssache, bei uns hat man dem Luther-Denkmal die Augen verbunden. Aber den Protest teile ich.

Nun sagen manche in der evangelischen Kirche, sie verstünden die Einmischung von Ihnen und anderen nicht. Niedersachsen sei nun mal ein mehrheitlich protestantisches Land und da könne man auch einen protestantischen Feiertag schaffen, der aber einer für alle sei.

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Wir müssen uns einmischen, weil dieser Tag von der Landesregierung eben nicht als evangelischer Tag, sondern als Feiertag für alle ausgegeben wird. Aber das wird er nicht werden. Juden werden ebenso wie Humanisten und andere diesen Tag nicht feiern. Wir werden an diesem Tag vermutlich Aktionen machen, die den Protestanten gar nicht gefallen werden. Gerade an diesem Tag werden wir deutlich machen, was man von Luther zu halten hat. Das Jahr hat 365 Tage – uns ist völlig unverständlich, warum man sich ausgerechnet diesen Tag ausgewählt hat und jetzt die Hamburger und Bremer vorschickt, obwohl die Diskussion in Niedersachsen angeblich ergebnisoffen sein soll.

Von Michael B. Berger

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