Justizministerin Havliza

„Wir wollen keine türkischen Beamte in unsere Haftanstalten lassen“

Die allgemeine Verrohung sorgt sie: Niedersachsens Justizministerin Barbara Havliza.

Die allgemeine Verrohung sorgt sie: Niedersachsens Justizministerin Barbara Havliza.

Hannover. Der türkische Moscheeverband Ditib kann sich nach Meinung von Justizministerin Barbara Havliza nicht „von staatlichen Einflüssen aus der Türkei lösen“. Die CDU-Politikerin verteidigt im Interview ihre Entscheidung, drei Ditib-Imame aus der Gefängnisseelsorge in Niedersachsen zu verbannen.

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Frau Ministerin Havliza, Sie haben im Gegensatz zu anderen Ministerien die Zusammenarbeit mit dem türkischen Moscheeverband Ditib eingeschränkt und drei Gefangenenseelsorger, drei Ditib-Imame, aus niedersächsischen Gefängnissen verbannt. Wird in der niedersächsischen Landesregierung mit zweierlei Maß gemessen?

Nein, keineswegs. Wir haben das zuvor im Kabinett besprochen. Die Gefangenenseelsorge ist ein besonders sensibler Bereich, in dem wir mit unserer Verantwortung sehr sorgsam umgehen. In den Geschäftsbereichen mancher Ministerien sind Ditib-Vertreter in Beiräten von Einrichtungen beratend tätig. Bei uns hatten Ditib-Imame direkten Kontakt zu Gefangenen. Das ist ein Unterschied.

Befürchten Sie, dass die Ditib-Imame muslimische Häftlinge in irgendeiner Weise beeinflussen könnten?

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Hier geht es um Grundsätzliches. Die hauptamtlichen türkischen Ditib-Imame sind türkische Staatsbeamte. Sie werden als solche von der türkischen Regierung bezahlt und haben eine Berichtspflicht in die Türkei – ein Punkt, der mich am meisten umgetrieben hat. Denn sie könnten in ihr Heimatland über das berichten, was sie in den Gefängnissen mitbekommen. Bei der Klientel, die in den Gefängnissen einsitzt, ist das nicht unproblematisch. So haben wir etwa kurdische Gefangene. Möglicherweise haben wir, ohne es zu wissen, auch Gülen-Anhänger (gemeint sind Gefolgsleute des in den USA lebenden Predigers Fethullah Gülen, den Ankara verantwortlich macht für den Putschversuch in der Türkei im Jahr 2016; Anmerkung der Redaktion) in den Gefängnissen. Eine problematische Mischung – und möglicherweise auch eine Gefährdung für die Gefangenen.

Die Vertreter der Ditib haben die Kündigung der Verträge fast als Beleidigung und diskriminierend empfunden. Sie haben darauf hingewiesen, dass es keinen konkreten Verdachtsfall gegen Imame gegeben habe ...

Das stimmt auch. Ich kann keinen konkreten Fall benennen, wo wir jemanden dabei „erwischt“ hätten, dass er sensible Informationen weitergibt. Aber das ist doch auch gar nicht der Punkt. Der Punkt ist, dass es Ditib als Verband nicht gelingt, sich von staatlichen Einflüssen aus der Türkei zu lösen und allein hier in Deutschland verortet zu sein. Das hat uns auch der Rücktritt des Vorstands des Ditib-Landesverbands im vergangenen November deutlich gezeigt. Und aus diesem Grund wollen wir in dieser angespannten Lage keine türkischen Beamten in unsere Haftanstalten lassen. Unsere Gefängnisse, unsere Beamten, unsere Verantwortung.

Zur Person

Barbara Havliza ist seit November 2017 Justizministerin in Niedersachsen. Zuvor war die in Osnabrück lebende Juristin Richterin am Oberlandesgericht Düsseldorf (von 2007 bis 2017) in einem Senat für Strafschutzsachen, seit 2012 als Vorsitzende. Sie leitete mehrere bedeutende Prozesse, etwa den gegen den Attentäter auf Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker sowie gegen einen Syrienrückkehrer aus der Lohberger Brigade. Die 1958 in Dortmund geborene Christdemokratin ist katholisch, verheiratet und hat zwei Kinder. Seit September 2018 gehört sie als Schatzmeisterin auch dem Landesvorstand der CDU an.

Etwa 1000 der knapp 5000 Gefangenen in niedersächsischen Haftanstalten sind Muslime. Braucht man da nicht schon aus Gründen der Resozialisierung seelischen Beistand und religiöse Betreuung?

Wir haben weiterhin eine muslimische Gefangenenseelsorge. Neben- und ehrenamtliche Seelsorger werden auch künftig in den Gefängnissen tätig sein können, und für deren wertvolle Arbeit sind wir auch sehr dankbar. Wir arbeiten mit dem zweiten großen Moscheeverband, der Schura, zusammen. Wir schauen mit Interesse auf den dritten Verband, der sich unter dem früheren Schura-Vorsitzenden Avni Altiner gebildet hat. Und wir planen ein Projekt mit der Universität Osnabrück, um weitere Seelsorgerinnen und Seelsorger zu gewinnen. Was mir wichtig ist: Es geht bei unserer Entscheidung letztlich nicht um Religion und es geht auch nicht um den Islam. Es geht um niedersächsische Gefängnisse und um einen Verband, der mit dem türkischen Staat und seiner Religionsbehörde strukturell eng verflochten ist.

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Unter diesen 1000 Muslimen sind sicherlich auch einige, die wegen islamistischer Taten verurteilt sind. Gibt es für diese Gruppe besondere Haftbedingungen? Wie verhindert man, dass Islamisten andere Gefangene mit ihrer Ideologie anstecken?

Wir haben derzeit 13 Häftlinge in unseren Gefängnissen, die wegen einer Tat einsitzen, die mit islamistischem Gedankengut in Zusammenhang gebracht werden kann. Bei weiteren rund 50 Häftlingen wissen wir, dass sie mit islamistischen Überzeugungen zumindest sympathisieren. Bei radikalisierten Gefangenen sorgen wir natürlich dafür, dass sie nicht mit Häftlingen mit ähnlichen Überzeugungen zusammengebracht werden. Wir achten darauf, dass unser Personal gut geschult ist und auch ein Bewusstsein dafür hat, wenn Gefangene sich verändern, wenn sie sich vollständig zurückziehen, anders reden, sich den Bart in einer bestimmten Art und Weise wachsen lassen. Und wir haben natürlich ein spezielles Aussteigerprogramm sowie Maßnahmen zur Deradikalisierung und zur Prävention. Wir arbeiten mit dem Verein Violence Prevention Network zusammen, der macht eine sehr gute Arbeit.

Sind die 1000 muslimischen Gefangenen ein Sicherheitsproblem?

Nicht mehr als andere Gefangene. Der überwiegende Teil der muslimischen Gefangenen hat dieselben Straftaten begangen, die auch Nicht-Muslime begehen: Rauschgift, Einbruch, Raub. Das hat mit dem Islam nichts zu tun.

Frau Ministerin, hier machen wir einen Schnitt. Anderes Thema: Immer häufiger berichten Rettungskräfte, dass sie bei Rettungsaktionen selbst Opfer von Aggressionen werden. Müsste man da nicht die Gesetze verschärfen?

Nein, davon halte ich wenig. Die Gesetze sind da, man muss sie nur anwenden. Aber das Thema treibt mich ganz grundsätzlich um, denn wir merken auch in den Gerichten, wie sich die Tonlage verschärft, wie schnell es zu Aggressionen kommt. Der Respekt, den man früher Behörden oder auch Gerichten entgegenbrachte, schwindet merklich. Ich denke, im Fall der Rettungssanitäter könnte der Rechtsschutzfonds, der in Niedersachsen wie im Bund diskutiert wird, eine gute Sache sein. Aber das Problem liegt tiefer – in einer allgemeinen Verrohung der Gesellschaft, die man auch sprachlich bemerken kann. Der sollten wir uns alle entgegenstellen. Wir dürfen uns nicht daran gewöhnen.

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Aber mit Appellen kommt man da nicht weiter …

Doch. Darüber reden schafft Bewusstsein. Wir sollten es nicht einfach geschehen lassen, es nicht einfach hinnehmen. Wir sollten solche Respektlosigkeiten anprangern, die bis zu tätlichen Angriffen auf Kommunalbeamte und -politiker gehen. Und wir müssen dieses Fehlverhalten deutlich ansprechen, wenn wir Zeuge davon werden. Ich mag das Wort ‚Ächtung‘ nicht, aber wir sollten alle sehr achtsam sein. Wie kann es dazu kommen, dass ein Mensch einen anderen Menschen angreift, der nur helfen will? Das machen doch nur Leute, bei denen der Verstand völlig ausgesetzt hat.

Von Michael B. Berger

HAZ

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