Bis zu 130 kWh großer Akku

Ford F‑150 Lightning: das Auto fürs Armageddon

Der Lightning sieht bis auf die LED-Inszenierung an Bug und Heck außen und das große Tablet vor der Mittelkonsole drinnen aus wie jeder andere F‑150.

Der Lightning sieht bis auf die LED-Inszenierung an Bug und Heck außen und das große Tablet vor der Mittelkonsole drinnen aus wie jeder andere F‑150.

Diesen Trip nach Texas im Februar 2021 wird Matt Stover so schnell wohl nicht vergessen. Denn aus dem Familienfest wurde für den Ford-Entwickler buchstäblich eine Zitterpartie. Ein Wintersturm hatte damals die Stromversorgung im ganzen Land lahmgelegt und am Ende mehrere Hundert Tote gefordert. Bis auf ein paar verdorbene Speisen in der Kühltruhe und ein paar Frostschäden am Haus hatte Stover zwar nichts zu beklagen. Doch das war der Moment, in dem er wusste, dass sein jüngstes Projekt zum Erfolg werden würde.

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Denn Stover hat mitentwickelt am Ford F‑150 Lightning, der als erster elektrischer Pick-up für die breite Masse nicht nur das wichtigste Fahrzeugsegment auf dem US-Markt fit machen soll für die neue Zeit, sondern der die Nation auch vor genau solchen Situationen schützen will. Über die bei den gehobenen Varianten sogar serienmäßige Wallbox ans Hausnetz angeschlossen, reicht die Energie im bis zu 130 kWh großen Akku einer durchschnittlichen Familie schließlich schon ohne Einschränkungen für rund drei Tage. „Und wer sparsam ist, kommt damit sogar zehn Tage über die Runden“, sagt Stover. „Da kann einem auch der längste Blackout nichts mehr anhaben.“

Lokale Blackouts in den USA häufig

Zwar war der Wintersturm in Texas eine Ausnahme, doch lokale Blackouts sind in den USA an der Tagesordnung, genau wie Unwetter, Buschbrände, Stürme und Tornados – und auch das ist neben ihrem Faible für Freizeitaktivitäten in Feld, Wald und Wiese und natürlich dem hohen Anteil an Farmen, an Firmenkunden und Firmenkundinnen ein Grund dafür, weshalb der Pick-up fest in der amerikanischen Volksseele verankert ist. Kein Wunder also, dass jedes Jahr rund zwei Millionen neue Trucks verkauft werden.

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„Wer einen Pick-up kauft, der will für alles und jedes gerüstet sein“, fasst Darren Palmer, der bei Ford die Entwicklung aller E‑Modelle verantwortet, die Anforderungen zusammen – für den Sport mit Pferden, Quads oder Motorrädern, fürs Camping und die Ferien im Freien, für den Umzug, für die Fabrik oder die Farm – und jetzt eben auch fürs Armageddon. Denn das scheint sich ja anzubahnen in einer Zeit, in der das Klima zusehends verrückt spielt und nun auch noch der Weltfrieden ins Wanken gerät.

Der Ford F‑150 Lightning ist ein elektrischer Pick-up, in den USA Truck genannt.

Der Ford F‑150 Lightning ist ein elektrischer Pick-up, in den USA Truck genannt.

Völlig neue Zielgruppe erschließen

Für Konkurrenten wie Rivian und Tesla hat Palmer dabei nur ein mildes Lächeln übrig. Für die einen, weil der R1T nur die elitäre Elite bedient und mit dem Lightning in etwa so viel gemein hat wie ein Porsche 911 mit einem Mustang. „Auf dem Papier beides Sportwagen, aber in der Praxis und beim Preis in anderen Sphären.“ Und für die anderen, weil der Cybertruck auch über zwei Jahre nach der Premiere noch immer in den Sternen steht. „Der Lightning ist dagegen der Real Deal, das richtig große Ding“, sagt Palmer, schließlich ist der F‑150 das US‑Auto schlechthin und steht seit fast einem halben Jahrhundert an der Spitze der Zulassungsstatistik. „Damit elektrifizieren wir also nicht nur das wichtigste Auto am Markt, sondern wir erschließen die Elektromobilität auch einer völlig neuen Zielgruppe.“

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Damit das gelingt, hat seine Projektleiterin Linda Zhang ein Auto auf die Räder gestellt, das dem konventionellen F‑150 mehr als ebenbürtig ist – und sich mit einer Preisspanne zwischen knapp 40.000 und beinahe 100.000 Dollar im nahezu identischen Rahmen bewegt. „Der Lightning zieht genauso viel wie ein Verbrenner, hat die gleiche Zuladung, wühlt genauso tapfer durch Dreck und Schlamm und ist genauso haltbar“, sagt Zhang und erzählt von Abermillionen Testkilometern unter widrigsten Umständen. Vor allem aber bietet er das gleiche Gefühl von Unverwundbarkeit und Verlässlichkeit. In der Rushhour thront man über den Dingen, und keiner kommt einem zu nahe, und in der Wildnis spürt man schnell, dass es für den Lightning immer und überall einen Weg gibt.

Mehr als 500 Kilometer Reichweite

Den Blick auf die Reichweitenanzeige gewöhnt man sich dabei schnell ab: Schon das Basismodell hat 98 kWh und fährt nach US-Norm 370 Kilometer weit, und die XL-Version kommt mit 130 kWh auf über 500 Kilometer – so groß sind die Lücken im Ladenetz selbst im hintersten Hinterland dann doch nicht.

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In einem Punkt unterscheidet sich der Lightning allerdings doch vom normalen F‑150: Er fährt viel besser. Ja, auch ein F‑150 Raptor bringt das Blut in Wallung. Doch wo der seine 450 PS mit dem Feingefühl einer Dampfwalze entfaltet, schlägt der Blitz ohne Vorwarnung ein. Eben noch ganz lässig mitgeschwommen im Verkehr, genügen eine Pole-Position an der Ampel, ein beherzter Fußtritt und eine freie Spur danach, um die Welt von jetzt auf sofort aus den Angeln zu heben und den Kaffee aus dem Becher auf den breiten Sessel zu schütteln.

Das ist freilich kein Wunder, bei serienmäßig permanentem statt sonst allenfalls zuschaltbarem Allradantrieb und 452 PS schon in der Basis- oder gar 580 PS in der Topversion und bei immer maximal 1050 Nm, die nahezu unmittelbar anliegen. Mit einem Sprintwert von nicht einmal fünf Sekunden fühlt sich der immerhin rund drei Tonnen schwere Pick-up deshalb beim Kickdown verdächtig nach Porsche an, und mit etwas mehr als 170 km/h hat lässt ihm Ford sogar etwas mehr Leine als den klassischen Pick-ups, die in der Regel bei 160 km/h eingebremst werden.

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Beim Laden nicht ganz so schnell

Nur an der Ladesäule ist der F‑150 nicht bei den schnellsten: Weil Ford aufs Geld und mehr noch auf die Zeit geschaut hat, hat sich Detroit gegen ein 800-Volt-System entschieden. So lädt der Lightning nur mit bis zu 150 kW, entsprechend dauert es von 10 auf 80 Prozent runde 40 Minuten. Im Land des Fast Foods ist das für eine Pause womöglich zu lang. Erst recht, wenn eben nicht nur Luxusmarken wie Tesla, Lucid oder Porsche schneller laden, sondern auch Hyundai und Kia.

Zwar sieht der Lightning bis auf die LED-Inszenierung an Bug und Heck außen und das große Tablet vor der Mittelkonsole drinnen aus wie jeder andere F‑150, weil Projektleiter Zhang die Millionen Bestandskundinnen und Bestandskunden nicht mit einem Raumschiffdesign verschrecken wollte. Doch natürlich steht der Pritschenwagen auf einer neuen Plattform mit der Batterie im Boden und den Motoren an den Achsen, die Zhang noch eine weitere Innovation ermöglicht haben: den größten Frunk, den es bislang bei einem Elektroauto gibt.

Der Frunk fasst 400 Liter.

Der Frunk fasst 400 Liter.

Dort, wo sonst die Verbrenner rödeln, gibt es nun 400 Liter Stauraum, die zum ersten Mal bei einem Pick-up vor Dreck und Diebstahl geschützt sind. Wer will, der kann an den Steckdosen unter der Haube genau wie auf der Pritsche sein Werkzeug anschließen oder in der ausspritzbaren Wanne samt Ablaufstöpsel auch Getränke kühlen oder den Fang vom Angeln nach Hause fahren.

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Lange Liste an Vorbestellungen

Bewährte Eigenschaften und neue Errungenschaften – das kommt bei den Amerikanern und Amerikanerinnen offenbar an. Nicht umsonst hat Ford binnen weniger Wochen so viele Bestellungen bekommen, dass sie in Detroit bei 200.000 Aufträgen im letzten Dezember erst einmal die Annahme gestoppt haben. Auch wenn die Produktionskapazität bereits verdoppelt wurde, wird es wohl über ein Jahr dauern, bis allein diese Vorbestellungen abgearbeitet sind.

Des einen Freud, des anderen Leid: Während Chefentwickler Palmer mit breiten Schultern und noch breiterem Grinsen von der Bühne steigt, dürften sie bei Ford in Europa angesichts dieser Zahlen lange Gesichter machen. Denn auch wenn der Lightning die perfekte Zugnummer wäre für die Umstellung auf eine rein elektrische Flotte bei den Pkw bis 2030 und den Nutzfahrzeugen bis 2035, rückt ein Export damit wohl erst mal in weite Ferne.

RND/Benjamin Bessinger, SP-X

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