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Unmöglich ist es nicht

Ordnung halten: Geht das auch mit Kindern?

Was tun, wenn das Chaos im Kinderzimmer regiert? Dann sollten Eltern Strategien entwickeln, damit die Kinder öfter aufräumen – ihre Ansprüche sollten sich allerdings in einem altersangemessenen Rahmen bewegen.

Was tun, wenn das Chaos im Kinderzimmer regiert? Dann sollten Eltern Strategien entwickeln, damit die Kinder öfter aufräumen – ihre Ansprüche sollten sich allerdings in einem altersangemessenen Rahmen bewegen.

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Marie Kondo kann wohl zu Recht als der Inbegriff von Ordnung gelten: Ihren Erfolg verdankt die japanische Beraterin und Bestsellerautorin dem Aufräumen, Ausmisten und Sortieren. Darüber hinaus ist Kondo auch Mutter von drei Kindern. In ihrem Buch „Kurashi: der japanische Lebensstil für ein erfülltes Leben“, das Ende 2022 erschien, schreibt sie: „Nach der Geburt unseres ersten Kindes wollte ich eine Mutter sein, die den Balanceakt zwischen Kindern, Haushalt und Arbeit problemlos meistert – stattdessen war ich nur noch erschöpft.“ Ein Zustand, der vielen Eltern bekannt vorkommen dürfte und das Ordnunghalten nicht gerade einfacher macht. Zusätzlich neigen Kinder dazu, Chaos zu produzieren.

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Ordnung halten will gelernt sein

Woran das liegt, erklärt Elke Wild, die an der Universität Bielefeld den Fachbereich Pädagogische Psychologie leitet und die schwerpunktmäßig zu Motivations- und Familienpsychologie forscht: „Kinder müssen Ordnung erst lernen. Außerdem gehört das zu den Sekundärtugenden“ – also zu den Charakter­eigenschaften, die den Alltag erleichtern, aber von Eltern unterschiedlich gewertet werden. „Inwiefern Kinder das Konzept von Ordnung verinnerlichen, hängt ganz stark davon ab, in welchem Maße ihr Umfeld das von ihnen erwartet“, sagt die Psychologin.

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Dabei sind es ihr zufolge vor allem die Eltern, die ihr Verständnis von Ordnung auf ihre Kinder übertragen. Aber auch die meisten Krippen und Kindergärten legen Wert darauf, dass die Kinder mit Strukturen aufwachsen: „Die Kinder verstehen dann noch nicht, warum sie die Teller nach dem Mittagessen abräumen und in die Spülmaschine stellen sollen“, sagt Wild. „Aber wenn sie es gewohnt sind, dass das so gemacht wird, lernen sie es nach und nach.“ Ihr zufolge geht die Fähigkeit, die Umwelt ordentlich zu halten, mit der inneren Ordnung einher: „Das fängt im Grunde mit Ritualen an, etwa regelmäßigen Zeiten fürs Zähneputzen, Mittagessen und Ins-Bett-Gehen.“ Und genauso etablierten sich letztlich auch Rituale, die zur Übersichtlichkeit zu Hause beitragen. So können Eltern mit ihren Kindern bestimmte Regeln einüben: „Etwa: Wir spielen immer nur ein Spiel gleichzeitig und räumen es hinterher wieder weg.“

Tipps von Marie Kondo

In ihrem Buch „Kurashi: der japanische Lebensstil für ein erfülltes Leben“ rät Kondo, das Aufräumen zu einem Teil des Spielens zu machen. Jedes Spielzeug sollte seinen festen Platz haben – findet sich kein Platz für ein neues Spielzeug, sortiert sie mit ihren Kindern ein anderes aus. Damit das Aufräumen den Kindern leicht fällt, verstaut Kondo die Dinge aufrecht in Körben und Kisten. Alternativ funktioniert das auch mit durchsichtigen Kisten oder einem Foto auf dem jeweiligen Behälter, sodass das Kind gleich sieht, was wohin kommt.

Bei Kindern hat das Aufräumen an sich zudem einen positiven Nebeneffekt. Sie fühlen sich dadurch gesehen und gebraucht, egal ob innerhalb der Familie oder in einer Gruppe anderer Kinder. Psychologin Wild sagt: „Es ist gut, wenn Kinder von Anfang merken: Wir leben hier alle zusammen, jeder hat bestimmte Rechte, aber auch bestimmte Pflichten und muss im Rahmen seiner Möglichkeiten etwas dazutun.“ Wichtig sei es aber, die Kinder immer nur ihrem Alter entsprechend in die Pflicht zu nehmen.

Wichtig für das weitere Leben

Spätestens in der Schule zahlt es sich aus, wenn Kinder eine gewisse Strukturiertheit mitbringen. „Auch von den Lehrkräften kommt dann definitiv die Erwartung an die Kinder, dass sie zum Beispiel den Schulrucksack aufgeräumt halten oder Arbeitsblätter vernünftig abheften“, sagt Wild von der Universität Bielefeld. In diesem Zuge nennt sie zudem den Begriff des selbstgesteuerten Lernens, bei dem Kinder und später Jugendliche den Lernprozess selbst gestalten (müssen). „Kinder in der Grundschule müssen erst noch Lernstrategien erwerben. Aber in der achten oder neunten Klasse können Kinder in der Regel dann Ordnung halten in ihren Gedanken und Arbeitsunterlagen.“ Dabei zeigen sich schnell Vorteile: „Wenn ein Kind weiß, wie es mit einem Karteikastensystem strukturiert Vokabeln lernt, kann es schneller mehr behalten“, sagt Wild.

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Nicht zu penibel sein

Nun haben Eltern oftmals ohnehin schon wenig Zeit und Energie. Mitunter erscheint es daher einfacher, selbst aufzuräumen statt das Kind dazu anzuhalten . „Aber Ordnung bedeutet ja nicht unbedingt, dass alle Bücher alphabetisch und nach Farben sortiert im Regal stehen müssen“, sagt Elke Wild. „Statt zu penibel zu sein, ist meist ist ein mittlerer Weg ganz gut – so, dass nichts untergeht, man sich aber kreativ entfalten kann.“

Dazu kommt, dass es auch Menschen gibt, die gut mit Chaos zurechtkommen: „Die Bandbreite ist da relativ groß“, sagt Wild. „Auf der anderen Seite gibt es Menschen, bei denen zum Beispiel alle Bleistifte parallel zueinander auf dem Tisch liegen müssen. Und andere leben eher nach dem Motto: ‚Wer Ordnung hält, ist nur zu faul zum Suchen.‘“

Feste Regeln, weniger Dinge und mehr Gelassenheit

Doch was können Eltern tun, damit das Chaos im Kinderzimmer nicht überhand nimmt? „Was hilft, sind Regeln“, sagt Wild – zum Beispiel, dass die Kinder tagsüber in Wohnzimmer und Küche spielen dürfen, wenn sie am Abend wieder alles zurück ins Kinderzimmer räumen. Von Vorteil ist eine begrenzte Zahl an Spielsachen im Zimmer. Damit es trotzdem nicht langweilig wird, können Eltern zum Beispiel einen Teil der Spielzeuge erst einmal in den Keller, die Garage oder auf den Dachboden räumen und dann immer wieder durchtauschen. Bei Büchern bietet es sich an, sie in einer Bibliothek auszuleihen.

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Hat der Nachwuchs hingegen ein gewisses Alter erreicht, ist Ordnung keine Frage des Könnens mehr. „Es gibt wohl kaum ein Jugendzimmer, das immer ordentlich ist“, sagt Psychologin Wild. „Und dann entzünden sich viele Konflikte an der Forderung: ‚Räum dein Zimmer auf!‘“ Was da hilft? „Ruhe bewahren“, rät Wild. „Das Chaos im Zimmer ist meistens dazu da, um sich sichtbar von den elterlichen Werten abzugrenzen.“ Jugendliche zeigten damit gerne: „Das ist mein Territorium, da habt ihr jetzt nichts mehr mitzureden.“

Und vielleicht ist es auch ein Trost, dass andere Eltern das gleiche Problem mit dem Chaos haben – selbst Aufräumexpertin Marie Kondo bleibt davon nicht verschont. In ihrem Buch schreibt sie: „Der Trick dabei ist, ein tägliches Minimum festzulegen. In meinem Fall besteht es darin, dass meine Kinder gesund und glücklich sind und ich mich nicht überanstrenge.“ Und so erinnere sie sich selbst öfter daran, was das bedeute: etwa dass sie, wenn sie müde sei, ins Bett gehen dürfe, obwohl noch überall Spielzeuge herumliegen.


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