Sommerferienprogramm: Was Kinder beim Spielen wirklich brauchen
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Die Sommerferien in Deutschland sind gestartet und die Spiellaune von Kindern erlebt neue Höhen. Aber muss es immer der Abenteuerspielplatz sein?
© Quelle: Unsplash
Die Onlinebuchungsplattform Travelcircus hat 15 besonders „aufregende“ Kinderspielplätze in deutschen Großstädten zusammengefasst. Ob Dschungel- oder Drachenspielplatz in Berlin, Bauspielplatz in Hamburg oder Wasserspielplatz in München – die Auswahl ist groß. Der Spielzeugforscher und Pädagoge Dr. Volker Mehringer sagt im RND-Interview: Zum Spielen reicht oft auch die Fantasie der Kinder.
Herr Mehringer, im Ranking der schönsten Spielplätze Deutschlands kann man deutlich erkennen, dass die Abenteuerspielplätze, auf denen richtig was los ist, ganz vorne liegen. Brauchen Kinder das unbedingt?
Ich glaube schon, dass viele Kinder es toll finden, wenn auf dem Spielplatz richtig was los ist. Ich bin mir aber auch sicher, dass Kinder sich sehr gut selber beschäftigen können – und das muss nicht immer von außen kommen. Die Ideen zum Spielen kommen oft von den Kindern selbst, da darf man die Fantasie der Kinder nicht unterschätzen. Kinder können selbst Räumen, in denen relativ wenig geboten wird, oft tolle Spielideen abgewinnen und fantasievolle Spiele gestalten. Spielzeuge können unter Umständen aber auch tolle Ideengeber sein. Ein Stock oder ein Ball regen ja beispielsweise schon zu vielen Spieltätigkeiten an. So ein Spielzeug kann einen unglaublichen Aufforderungscharakter entwickeln. Daher glaube ich, dass eine gewisse Grundausstattung an Spielzeug auf keinen Fall schadet.
Ist das Spielen draußen wichtig?
Ich glaube, dass das Spielen draußen sehr wichtig ist, genauso wichtig ist aber ein ausgewogenes Spielverhalten – da kommt es auf die Balance an. Es gibt tolle Sachen, die man drinnen spielen kann – aber das kann das Spielen draußen natürlich nicht ersetzen. Draußen zu spielen bietet einfach viel mehr Möglichkeiten sich zu bewegen, da ist man drinnen viel eingeschränkter. An der frischen Luft zu sein und mit der Natur in Kontakt zu kommen, bietet noch einmal andere Spielmöglichkeiten und ergänzt das Spielen im Haus sehr gut.
Was brauchen Kinder zum Spielen?
Kinder brauchen vor allem den Freiraum und die Zeit zu spielen, das ist heute gar nicht mehr so selbstverständlich. Gezielte Bildungsangebote gehen immer früher los und als Eltern hat man natürlich die Angst, dass die Kinder den Anschluss verpassen – in der Regel geht das zu Lasten des freien Spielens. Dabei übersieht man schnell, was Spielen eigentlich für ein toller Entwicklungsmotor ist und was sich daraus für einmalige Bildungsmöglichkeiten ergeben.
Gibt es einen Nachteil, wenn Kinder zu viel Spielzeug haben?
Auch wenn man sowas immer wieder hört, gibt es in der Forschung bislang keine klaren Ergebnisse, die stützen, dass Kinder Nachteile von zu viel Spielzeug haben. Kinder können sich durchaus rauspicken, was sie interessiert – oft bleiben ja auch Spielzeuge im Kinderzimmer, die fürs Kind eigentlich schon langweilig sind. Ich sehe eher ein Problem darin, wenn Kinder zu viel vom gleichen Spielzeug haben. Spielzeuge sollten unterschiedliche Facetten des Spielverhaltens ansprechen. Da sollte was zum Konstruieren und Bauen dabei sein, aber auch Ausstattung für Sozialspiele, Regelspiele und Bastelmaterialien. Wenn man das Angebot an Spielzeugen breit aufstellt und das Ganze dann noch kind- und altersgerecht ist, ist es auch nicht zu viel. Wenn aber die 100. Puppe oder das 200. Puzzle gekauft wird, da kommt dann wenig an neuem Spielwert dazu. Und wer keinen Schritt mehr durchs Kinderzimmer machen kann, ohne auf ein Spielzeug zu treten, sollte vielleicht doch einmal ausmisten.
Lohnt es sich, Spielzeug zu behalten, mit dem das Kind länger nicht gespielt hat?
Bei manchen Spielsachen ist es offensichtlich, dass das Kind nicht mehr damit spielen will, bei anderen ist es den Versuch wert, es erst einmal nur wegzuräumen. Wenn man etwas aus dem Blickfeld der Kinder nimmt, kann es passieren, dass das Spielzeug nach ein, zwei Monaten wieder interessant für das Kind ist. Wenn nicht, lohnt es sich meist auch nicht, es weiter zu versuchen. Man kann das Spielzeug heute toll weiterverkaufen oder verschenken – schade wäre es, wenn es im Müll landet.
Wie wichtig ist beim Spielen der Kontakt zu anderen Kindern?
Der Kontakt zu anderen Kindern ist enorm wichtig. Das Spielen ist die Hauptbeschäftigung der Kinder, bis sie in die Schule kommen, und dabei lernen sie im Umgang mit anderen Kindern eine ganze Menge. Soziale Kompetenz, Kommunizieren, Aushandeln und auch die ersten Konflikte auszutragen, ist alles im Spielen vereint.
Oft bekommen Kinder zum Geburtstag oder zu Weihnachten viele Geschenke und Spielzeug – und sind damit überfordert. Wie kann man entscheiden, welche Spielzeuge das Kind zu den Feiertagen bekommt?
Damit das Kind an den Feiertagen nicht vor einem großen Haufen an Geschenken steht, sollte man vielleicht einmal überlegen, ob man die Geschenke wirklich an Geburtstag und Weihnachten ballen muss. Gespielt wird das ganze Jahr und der Reiz von neuem Spielzeug funktioniert auch das ganze Jahr. Die Freude vom Kind wird mindestens genauso groß sein, wenn auch unter dem Jahr mal das ein oder andere Spielzeug neu hinzukommt – und so hat man die Möglichkeit, die Feiertage mal ein bisschen zu entzerren. Wenn man als Elternteil merkt, dass beim Spielen ein Leerlauf ist, ist es vielleicht angebracht, einen neuen Impuls zu setzen – und das kann man auch an anderen Tagen im Jahr.
Wie sehr sollte man die Wünsche der Kinder bei den Geschenken berücksichtigen?
Man sollte nicht unterschätzen, dass die Wünsche der Kinder oft eine große Bedeutung haben und Enttäuschung bei den Kindern aufkommen kann, wenn sich zum Geburtstag kein einziger Kinderwunsch erfüllt hat. Das ist natürlich oft nicht ganz einfach, weil Geschenke sehr schnell sehr teuer werden können. Damit sich ein Wunsch erfüllen kann, kann ich nur empfehlen, mal mit der ganzen Familie zusammenzuwerfen, sodass dann vielleicht ein größerer Wunsch erfüllt werden kann – auch wenn man selbst vielleicht nicht immer zu hundert Prozent von dem Geschenk überzeugt ist.
Können Eltern beim Spielen etwas von ihren Kindern lernen?
Eltern sollten ab und an versuchen, ihre Erwachsenenbrille abzusetzen und sich in ihre eigene Kindheit zurückzuversetzen. Natürlich hat man eine gewisse Erziehungsverantwortung aber deswegen muss das eigene Spielen nicht auf der Strecke bleiben. Wenn man sich als Elternteil einfach mal fragt, was das Kind am Spielen eigentlich so toll findet und was Spaß daran macht, können Eltern und Kind davon profitieren. Auch Erwachsene können im Spielen enorm viel Spaß haben – wir haben es aber einfach ein bisschen verlernt.
Wer in einer kleinen Wohnung wohnt oder einfach nicht so viel Spielzeug kaufen möchte, für den hat Volker Mehringer einen Tipp: In einigen deutschen Großstädten (etwa in Berlin) gibt es mittlerweile die Möglichkeit, Spielzeug wie in einer Bücherei auszuleihen. Der Vorteil: Was fürs Kind langweilig geworden ist, tauscht man einfach und kostengünstig gegen ein anderes Spielzeug aus.
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