„Ich wünschte, ich würde das nicht verstehen“: Wie Familien mit dem Krieg in der Ukraine umgehen sollten
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Auch Kinder beschäftigen sich mit dem Krieg, so wie hier im spanischen Tarragona. Ein Mädchen hält ein Schild mit der Aufschrift „Nein zum Krieg“ hoch.
© Quelle: imago images/ZUMA Wire
Gerade hat sie den Kinderwagen, der eigentlich verkauft werden sollte, vollgepackt mit Windeln, Tüchern und anderen Hygieneartikeln. Eine Nachbarin bringt ihn zur Sammelstelle, von da aus weiter nach Polen. „Für uns ist es wichtig, irgendwie aktiv zu sein“, sagt Anja Sonnefeld, Mutter von zwei Töchtern. „Auch wenn es natürlich nur minimal ist, was wir machen können.“
So wie Sonnefeld geht es vielen Familie gerade. Sie basteln Plakate für Demonstrationen, spenden Geld und Spielzeuge. Sie wollen etwas tun – irgendetwas. Und dieses irgendetwas, mag es auch noch so klein sein, ist wichtig. „Aus Studien wissen wir, dass Menschen schwierige Situationen und traumatische Erlebnisse besser verarbeiten, wenn sie handeln konnten“, sagt Cornelia Kroes, Psychologin und Familientherapeutin aus Münster. Es sei auch eine Art Selbstfürsorge.
Handeln bekämpft die eigene Ohnmacht
Wer spendet, hilft nicht nur den Menschen in der Ukraine, er hilft auch sich selbst. Denn das Handeln bekämpft die eigene Ohnmacht. Auch deshalb hat Janina Julius gerade ihr Auto mit Hygieneartikeln vollgeladen und zur Sammelstelle gebracht. Jetzt suchen sie und ihr Mann mit den vier- und sechsjährigen Kindern noch Spielsachen, die sie gemeinsam zur Sammelstelle bringen können. „Damit die Kinder sehen, was mit diesen Dingen passiert“, sagt Mutter Janina.
Sie habe nicht erwartet, wie viel ihre große Tochter tatsächlich schon mitbekomme. Aber als die ersten Fragen nach dem Krieg aufkamen, haben sich die Eltern mit Mila in Ruhe hingesetzt. „Wir versuchen uns Zeit zu nehmen und mit ihr dann die Fragen in kindgerechter Sprache, aber auch wahrheitsgemäß zu beantworten“, erzählt Julius. „Wir haben ihr aber auch gesagt, dass der Krieg gerade noch weit weg ist, damit sie das Gespräch gut abschließen kann.“
Miteinander ins Gespräch zu kommen und zu bleiben, das sei in jedem Falle etwas, das Eltern in dieser Situation aktiv tun könnten, sagt Psychologin Kroes. „Wichtig ist es, dass Eltern ihren Kindern signalisieren, dass sie für ihre Sicherheit zuständig sind und dass die Kinder sich bei ihnen sicher fühlen können.“ Der Krieg, so tragisch er sei, könne auch als Gesprächsgrundlage dienen, um mit den Kindern über friedvolle Konfliktlösungen zu sprechen und wie wichtig es sei, auch in Streitigkeiten im Hier und Jetzt zu bleiben.
Medienkonsum reduzieren
Anders als Julius’ Tochter haben Sonnefelds Kinder kaum etwas vom Krieg mitbekommen. „Wir sind dankbar dafür, dass unsere Töchter mit ihren vier und sechs Jahren noch nicht das Verständnis dafür haben, was gerade passiert“, sagt Anja Sonnefeld. Und das sei auch nicht notwendig, sagt Psychologin Kroes. Gerade bei jüngeren Kindern, die selbst noch gar nichts vom Krieg mitbekommen, sollte man sich fragen, ob man ihnen das Thema nicht ersparen könnte.
Eine aktive Handlung, die Eltern und Kindern in dieser Situation helfen könnte, wäre die Reduktion des Medienkonsums. Eltern sollten die Informationen für die Kinder stark filtern und am besten auf weniger emotionale Informationsquellen zurückgreifen, wie Zeitungen.
„Das stärkste Lernen ist das am Modell“
Sobald die Kinder älter werden, wird das Filtern jedoch immer schwieriger. Das erlebt etwa der Familienvater Martin Donner (Name von der Redaktion geändert) gerade: Als seine 13-jährige Tochter von Russlands Atomwaffen erfuhr, ließ sie sich in seine Arme fallen und sagte: „Ich wünschte, ich würde das einfach nicht verstehen“. Die Hilflosigkeit habe sich in diesem Moment in ihrem ganzen Körper gezeigt, so der Vater. Nach einem Spaziergang und einem langen Gespräch sei sie in ihr Zimmer gegangen und habe angefangen zu malen. Zurück kam sie mit einem Plakat für die Demo, zu der ihre Familie am Abend gehen wollte.
Gemeinsam etwas tun, auch das ist etwas, das hilft. „Das stärkste Lernen ist das am Modell“, sagt Psychologin Kroes. Wenn sich Eltern mit Handlungen aus der Ohnmacht befreien, hätten auch Kinder gute Chancen, diese Strategien für ihr Leben zu entwickeln.