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„Ich will einen dickeren Bizeps“

Erhöht Muskelvolumen und Kraft – aber brauchen Freizeitsportler wirklich Kreatin?

Armin Stolle, American-Football-Spieler und Student, hält in einem Fitnessstudio in Berlin-Wedding Kreatin.

Armin Stolle, American-Football-Spieler und Student, hält in einem Fitnessstudio in Berlin-Wedding Kreatin.

Berlin. Armin Stolle mischt sich vor dem Training in einem Fitnessstudio im Berliner Stadtteil Wedding einen kleinen Messlöffel eines weißen, geruchlosen Pulvers ins Wasser. Schnell trinkt der 26‑Jährige die trübe Flüssigkeit aus und belädt eine Langhantel mit Gewichten. „Das Kreatin nehme ich jetzt seit ungefähr einem Dreivierteljahr“, sagt er. Normalerweise ist der Freizeitsportler auf einem American-Football-Feld unterwegs, aber heute ist das Krafttraining an der Reihe.

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„Fünf Gramm, meistens vor dem Training, und auch an trainingsfreien Tagen nehme ich davon“, fährt Stolle fort. Alle seine Footballkollegen, aber auch viele andere sportbegeisterte Freundinnen und Freunde nehmen es, wie er sagt. Sie sind keine Ausnahmen: Einer amerikanischen Umfrage zufolge gaben 14 Prozent von rund 21.000 befragten Collegeathleten an, Kreatin einzunehmen.

Schaut man sich in sozialen Netzwerken auch unter deutschen Fitnessinfluencern um, gewinnt man den Eindruck, dass ohne das weiße Pulver nichts geht. Aber was ist das eigentlich – und ist es sicher?

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Was Kreatin ist – und wie es wirkt

„Kreatin ist erst einmal eine körpereigene Substanz. Anders als Vitamine und Mineralstoffe, die wir mit der Nahrung zuführen müssen, kann Kreatin vom menschlichen Körper selbst gebildet werden“, sagt der Ernährungswissenschaftler Martin Smollich vom Universitätsklinikum Schleswig-Holstein. Das passiere vor allem in Leber und Niere.

Dann werde es in Muskeln gespeichert, sagt Smollich. „Und hier entfaltet es seine wichtigste Wirkung. Es dient der schnellen Energiebereitstellung in Muskelzellen.“ Das sei etwa beim Power-Lifting oder bei Sprints wichtig. Wie der Wissenschaftler erklärt, können sich Muskeln Energie aus verschiedenen Quellen holen, neben Kreatin auch aus Zucker und Fett, dafür brauche der Körper aber mehr Zeit. Dementsprechend helfe das Kreatin zum Beispiel bei einer langen Joggingeinheit eher nicht, so Smollich.

Energiepuffer für Gewichtssport

Schnell und stark muss man auch beim American Football sein. Da hilft Sportler Stolle Kreatin (nicht zu verwechseln mit dem Haarbestandteil Keratin und dem Naturfarbstoff Carotin) sehr, wie er zwischen seinen Kniebeugen sagt. „Ich bin irgendwann einfach an meine Grenzen gekommen und hab’ dann angefangen, es zu nehmen. Jetzt bin ich schneller und hab’ mehr Kraft, kann mehr Gewicht bei den Übungen heben.“

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Der Experte für Muskelphysiologie und Stoffwechsel am Deutschen Institut für Ernährungsforschung (Dife) Maximilian Kleinert erklärt: In den Muskelzellen seien die Kreatinspeicher normalerweise bis zu 80 Prozent gefüllt. Mit der Einnahme versuche man, die Speicher auf 100 Prozent zu füllen. „Wahrscheinlich reicht das, was wir sowieso schon haben, aus, aber es gibt eben noch den Tick Luft nach oben.“ Durch diesen Energiepuffer könnten Sportlerinnen und Sportler ihre Gewichte ein- bis zweimal mehr heben, sagt Kleinert.

Ob in der Werbung oder im Sport - der Waschbrettbauch ist allgegenwärtig. Um selbst das Ziel eines Sixpacks zu erreichen, ist Geduld, disziplinierte Ernährung und hartes Training gefragt.

Warum Proteine im Überfluss rein gar nichts bringen

Die meisten Menschen in Deutschland nehmen genug Eiweiß zu sich. Daher sind Proteinprodukte nur selten sinnvoll – und obendrein mit vielen Zusatzstoffen versehen. Ernährungsexpertinnen setzen auf natürliche Kost statt kostenintensive Fitnessdrinks.

Erhöht Muskelvolumen und Maximalkraft

Damit erhöhe das Kreatin nicht nur die Leistung innerhalb kurzer Zeit, sondern auch das Muskelvolumen und die Maximalkraft, sagt Ernährungswissenschaftler Smollich. Ob eine Einnahme im Freizeitsport sinnvoll sei, hänge von den persönlichen Zielen ab – man brauche es nicht. „Aber wenn man sagt: ‚Ich möchte durch mein Training eine höhere Maximalkraft und einen dickeren Bizeps haben‘, dann beschleunigt Kreatin diesen Prozess.“

Dife-Experte Kleinert stellt fest, dass sich die Vorteile im Prozentbereich bewegen. „Wenn man natürlich bei den olympischen Athleten ist, dann können die ein, 2 Prozent natürlich schon den Unterschied zwischen einer Gold- oder Silbermedaille machen. Aber für den Freizeitsportler ist es, glaube ich, eher wichtig, sich vernünftig zu ernähren.“

Apropos Ernährung. Sportler Stolle erzählt auch, dass er kein Fleisch isst und somit das Kreatin auch nicht mit der Nahrung aufnehmen könne. Deshalb sei es ihm wichtig, das synthetische Kreatin zu nehmen. Das bestätigt der Dife-Experte. „Man findet Kreatin in relativ hohen Konzentrationen in rotem Fleisch und Fisch, und zusammen mit der körpereigenen Synthese deckt eine ausgewogene Ernährung unseren Kreatinbedarf ab.“ Interessant sei, dass Vegetarierinnen oder Veganer teilweise niedrigere Level im Muskel hätten. Allerdings sagt Kleinert auch, dass dies im täglichen Leben nicht weiter schlimm sei.

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Achtung bei Vorerkrankungen der Niere

Die Einnahme sei Smollich, Kleinert und der Europäischen Lebensmittelbehörde EFSA zufolge generell unbedenklich. Lediglich Menschen etwa mit Vorerkrankungen der Niere sollten vorsichtig sein.

Smollich zufolge gibt es eine Gruppe von Menschen, bei denen eine regelmäßige Kreatineinnahme durchaus auch sinnvoll sei: ältere Menschen über 55. Denn Ältere bauen Muskeln stärker und schneller ab, und das gehe mit einem Funktionsverlust einher. „Das heißt, ältere Menschen kommen nicht mehr so gut die Treppen hoch, können nicht mehr so gut einkaufen gehen, sind körperlich einfach schwächer. Hier kann Kreatin zusammen mit Krafttraining dazu beitragen, dass die Muskelmasse im Alter länger erhalten bleibt – und damit Funktionalität und Lebensqualität“, erläutert Smollich.

Sportler Stolle ist davon noch weit entfernt. Nehmen will er das Pulver aber trotzdem weiterhin.

RND/dpa

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