Mehr Kranke, weniger Personal

Intensivmediziner warnt: „Die Lage der Kinderkliniken ist dramatisch“

Ein Arzt untersucht im Olgahospital des Klinikums Stuttgart ein Kind.

Ein Arzt untersucht im Olgahospital des Klinikums Stuttgart ein Kind.

Berlin. Verbände von Ärztinnen und Ärzten prangern dramatische Versorgungsengpässe und Missstände in den deutschen Kinderkliniken an. Grund sei vor allem Personalmangel, so dass viele Krankenhausbetten nicht belegt werden könnten, sagte der Präsident der Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin, Jörg Dötsch, den Zeitungen der Funke-Mediengruppe am Mittwoch. „Im Herbst waren nahezu alle Kinderkliniken komplett überlastet. Das kann im kommenden Herbst wieder drohen, wenn sich die Lage bis dahin nicht ändert“, warnte er.

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Dötsch sagte, die Versorgung von Kindern im Krankenhaus sei schwerer zu kalkulieren als die von Erwachsenen. Rein wirtschaftlich rechneten sich Kinderkliniken daher oft nicht. Dazu kämen verbindliche Personaluntergrenzen: So dürfe sich eine Pflegekraft zum Beispiel nachts maximal um zehn Kinder kümmern. Bei jedem weiteren Kind müsse eine zusätzliche Kraft eingeplant werden – die oft fehle. Das führe dazu, dass viele Betten mangels Personals nicht zu betreiben seien.

Kinder über die Grenze verlegen

Dötsch rügte, man dürfe nicht nur rein wirtschaftlich denken. Denn mit der Kinder- und Jugendmedizin sei es wie mit der Feuerwehr: „Die Feuerwehr wird finanziert, auch wenn es gerade nicht brennt.“

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Auch zu normalen Zeiten kommt es laut Dötsch vor, dass sechs oder sieben Kliniken durchtelefoniert werden, bis ein passendes Bett gefunden ist. „Es ist auch schon vorgekommen, dass wir Kinder über die Grenze nach Luxemburg, Belgien oder in die Niederlande verlegt haben.“ Für die Kinder und Familien sei das eine Riesenbelastung.

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Nach Angaben der Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin ist zwischen 1991 und 2017 die Bettenzahl in der Pädiatrie um ein Drittel gesunken. Im gleichen Zeitraum stiegen die jährlichen Fallzahlen aber: von durchschnittlich 900.000 behandelten Kindern und Jugendlichen auf inzwischen mehr als eine Million.

Personal fehlt in Kinderkliniken

Der Generalsekretär der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin, Florian Hoffmann, pflichtete Dötsch bei. „Die Lage der Kinderkliniken ist dramatisch und wird sich eher noch verschärfen.“ In vielen deutschen Kinderkliniken könnten wegen Personalmangels auf den Kinderintensivstationen im Schnitt ein Drittel der Betten nicht genutzt werden. „In manchen Kliniken ist sogar die Hälfte nicht mehr belegbar“, betonte Hoffmann.

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Doch ein System, das man über Jahre nach unten gefahren habe, könne man nicht einfach wieder hochfahren. „Selbst wenn die Politik jetzt gegensteuert, werden Veränderungen frühestens in einigen Jahren greifen. Der Trend wird erstmal noch weiter bergab gehen“, sagte er.

Schaden für Kinder?

Viel schlimmer als unzureichende Erstattungen sei ein anderes Problem, sagte er. „Wir werden in den Kinderkliniken durch den Mangel an Pflegekräften immer weniger Betten betreiben können.“ Die Arbeitsbedingungen und Entwicklungsmöglichkeiten machten es immer schwieriger, die Pflegekräfte langfristig im Beruf zu halten.

Wenn es Infektionswellen gibt, wie sie im Herbst in der Regel vorkommen, haben wir keine Chance, alle Kinder zu versorgen.“ In solchen Fällen sei es nötig, stundenlang zu telefonieren, um irgendwo in Deutschland freie Betten zu finden. Das bedeute, dass die Kinder nicht mehr in einer Klinik mit medizinischer Maximalversorgung behandelt würden, sondern unter Umständen in einem Krankenhaus, das viel weniger Erfahrung habe. Kinder könnten auf diese Weise zu Schaden kommen.

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RND/dpa/epd

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