Experten über abgesagten Corona-Gipfel: „Warum jetzt noch gewartet wird, ist unverständlich“
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In einem Flur der Intensivstation eines Berliner Krankenhauses, in der Coronapatienten mit schweren Krankheitsverläufen behandelt werden, stehen Ausrüstung und Schutzkleidung.
© Quelle: Christophe Gateau/dpa
Berlin. Eigentlich wollten Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidenten der Länder am Montag erneut zu einer Videokonferenz zusammenkommen, um über die Corona-Lage in Deutschland zu beraten. Ihr Treffen haben sie nun abgesagt. In der kommenden Woche werde es keine Ministerpräsidentenkonferenz mit der Kanzlerin geben, bestätigte die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer. Stattdessen arbeite die Bundesregierung daran, das Infektionsschutzgesetz umzuändern, um bundeseinheitliche Regelungen schaffen zu können.
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Intensivmediziner befürchten zunehmende Belastung auf den Intensivstationen
Die Absage des Corona-Gipfels stieß nicht überall auf Verständnis. Der Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi), Prof. Gernot Marx, sprach von einer „enttäuschenden neuen Situation“. Er hatte sich am Freitag bei einer Onlinepressekonferenz erneut für einen umgehenden und härteren Lockdown für zwei bis drei Wochen ausgesprochen. „Wir brauchen jetzt Entscheidungen von den politisch Verantwortlichen“, sagte er. „Die Lage ist wirklich dramatisch. Jeder Tag zählt.“
Steigen die Infektionszahlen in Deutschland weiter an, nimmt damit auch die Belastung auf den Intensivstationen wieder zu. Fallzahlen von mehr als 25.000 pro Tag würden rund zwei Wochen später zu etwa 350 bis 750 neuen Intensivpatienten mit Covid-19 führen, sagte der ehemalige Divi-Präsident, Prof. Uwe Janssens, mit Blick auf die aktuellen Daten des Robert-Koch-Instituts.
Virologin Brinkmann warnt vor Dauerlockdown
Prof. Friedemann Weber sieht die Absage des Corona-Gipfels als verpasste Chance an, schnell und entschlossen zu handeln, um das Infektionsgeschehen unter Kontrolle zu bringen. „Warum jetzt noch gewartet wird, ist mir unverständlich“, sagte der Virologe von der Justus-Liebig-Universität Gießen dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Je später die Verschärfung der Maßnahmen verordnet wird, desto länger wird der Lockdown dauern.“
Seine Berufskollegin Melanie Brinkmann hatte am Donnerstagabend in der ZDF-Talkshow von Maybritt Illner sogar vor einem Dauerlockdown bis zum Ende des Jahres gewarnt, sofern Bund und Länder an der jetzigen Corona-Strategie festhalten. Die Virologin vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig machte deutlich, dass die Wissenschaft frühzeitig davor gewarnt habe, dass die Coronavirus-Variante B.1.1.7 die Situation verschärfen könnte. „Und das wurde nicht gehört. Das muss man ja einfach mal so klar sagen“, monierte sie.
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Epidemiologe Prof. Timo Ulrichs von der Berliner Akkon-Hochschule für Humanwissenschaften bezeichnete die Absage des Corona-Gipfels als „sehr bedauerlich“. „Es ist zu befürchten, dass sich nun weiterhin nichts tun wird bezüglich eines dringend erforderlichen harten Lockdowns, um die dritte Welle zu brechen“, sagte er dem RND. Es zähle jeder Tag, jede Stunde. „Jede Zeitverzögerung bei der Einleitung harter Lockdownmaßnahmen bewirkt mehr Infizierte, mehr (auch intensivmedizinische) Covid-19-Kranke und mehr Corona-Tote.“