Babys mit Fehlbildungen: Was sind mögliche Ursachen?
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Fehlbildungen bei Neugeborenen sind selten und treffen Eltern oft unvorbereitet.
© Quelle: imago/Westend61
Gelsenkirchen. Nach der ungewöhnlichen Häufung von Neugeborenen mit Handfehlbildungen in einem Gelsenkirchener Krankenhaus stellt sich die Frage nach den Ursachen. Im Sankt Marien-Hospital Buer in Gelsenkirchen waren zwischen Juni und Anfang September drei Kinder mit Deformierungen an der Hand auf die Welt gekommen. Vorfälle wie diese sind nach Auskunft von Medizinern sehr selten. Dass es jetzt zu einer Häufung von Fehlbildungen kam, sei dennoch auffällig.
In Frankreich gab es vor einigen Jahren eine Serie an Extremitätenfehlbildungen bei Neugeborenen, auch hierbei sind die Ursachen noch nicht geklärt.
Es sei auch nicht auszuschließen, dass es sich bei dem mehrfachen Auftreten von Fehlbildungen in Gelsenkirchen um eine zufällige Häufung handelt, heißt es in der Stellungnahme der betroffenen Klinik. Bislang sind keine weiteren Fälle aus anderen Geburtskliniken in Nordrhein-Westfalen bekannt.
Welche Ursachen haben Fehlbildungen bei Neugeborenen? Und wie können sich Eltern darauf vorbereiten?
Welche Formen von Fehlbildungen gibt es?
Bei einer Dysmelie handelt es sich um eine angeborene Fehlbildung einer oder mehrerer Gliedmaßen, also der Arme, Hände, Beine oder Füße. Dabei unterscheidet man laut dem Verein Arm- und Handoperations-Interessengemeinschaft grob zwischen
- dem Fehlen von Teilen (Aplasie),
- der Verbindung von Teilen (Syndaktylie),
- Doppelbildungen sowie der
- Über- oder Unterentwicklung von Gliedmaßen.
Wie kommt es zu der Entwicklung von Fehlbildungen?
Dysmelien werden in den seltensten Fällen vererbt oder durch einen Gendefekt verursacht. Wahrscheinlicher sind äußere Einflüsse. "Häufig können die genauen Ursachen einer Dysmelie allerdings nicht festgestellt werden", wie der medizinische Online-Ratgeber "MedLexi" schreibt.
Extremitätenfehlbildungen könnten während der Schwangerschaft unter anderem durch Infektionen auftreten, informiert das Sankt Marien-Hospital Buer in der Stellungnahme vom 13. September. "Eine ebenfalls mögliche Ursache ist das Abschnüren von Extremitäten durch Amnionbänder oder Nabelschnurumschlingungen während der Schwangerschaft im Mutterleib, was zu einer verminderten Weiterentwicklung der betroffenen Extremität führt."
Weitere Ursachen können eine Fehl- beziehungsweise Mangelernährung der Schwangeren sein. Auch Nebenwirkungen von Medikamenten oder Hormonpräparaten stehen im Verdacht, Fehlbildungen zu begünstigen. Der bekannteste Fall für Letzteres ist der Contergan-Skandal Anfang der Sechzigerjahre, bei dem zahlreiche Fehlbildungen von Neugeborenen auf die Einnahme des Schlaf- und Beruhigungsmittels Contergan zurückzuführen waren.
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Welche Diagnosemöglichkeiten gibt es?
Eine Dysmelie kann laut "MedLexi" bereits im Mutterleib festgestellt werden. Mithilfe von Ultraschall kann eine mögliche Fehlbildung des ungeborenen Kindes also frühzeitig erkannt werden. Der entscheidende Entwicklungszeitraum liegt sehr früh in der Schwangerschaft, zwischen dem 24. und 36. Entwicklungstag nach der Befruchtung der Eizelle.
Wie häufig sind Fehlbildungen?
Statistisch würden etwa 1 bis 2 Prozent aller Neugeborenen mit einer Fehlbildung unterschiedlicher Ausprägung geboren, wie die Gelsenkirchener Mediziner in einer Stellungnahme erläutern. Der Chefarzt der Klinik für Handchirurgie und angeborene Handfehlbildungen am Krankenhaus Marienstift in Braunschweig, Niels Benatar, schätzt, dass auf jede 2000ste Lebendgeburt eine Handfehlbildung kommt. Zu bedenken sei aber, dass an einer einzigen Hand auch mehr als nur eine Art von Fehlbildung vorkommen könne. Zudem werde nicht jede Fehlbildung gleich bei der Geburt erkannt.
Wie geht es im Gelsenkirchener Fall weiter?
Nach Angaben der Gelsenkirchener Klinik gibt es kein bundesweites Melderegister für Fehlbildungen. Möglich sei aber eine Meldung an "Eurocat", die zentrale Meldestelle der Europäischen Union. Die Klinik will die Fälle jetzt in regionalen Qualitätszirkeln der Kinder- und Jugendärzte thematisieren. Auch sei man im Austausch mit Fachleuten der Berliner Charité. Von dort hieß es am Freitag: "Der derzeitige Informationsstand erlaubt weder der Charité noch insbesondere der Embryonaltoxikologie eine inhaltliche Stellungnahme zu diesem Thema." Auch der Deutsche Hebammenverband lehnte am Freitag eine Stellungnahme ab.
Auf Bundesländerebene werden Fehlbildungen beispielsweise in Sachsen-Anhalt erfasst. Dort gibt es das sogenannte Fehlbildungsmonitoring, eine seit 1980 bestehende Einrichtung zur Erfassung von angeborenen Fehlbildungen und Anomalien. Die Institution ist der Medizinischen Fakultät der Universität Magdeburg angegliedert. Nach Beobachtungen der Forschungsstelle entfiel 2017 auf 1127 Geburten eine sogenannte Reduktions-Fehlbildung von Extremitäten. Im Vergleich zum Zeitraum 2005 bis 2016 sei dies eine Verringerung, hatte das Landessozialministerium im November 2018 berichtet.
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RND/pf/dpa