Neuer Therapieansatz? Bandwurmmittel senkt Sars-CoV-2-Produktion in Zellen um über 99 Prozent
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(Symbolbild) Eine 3D-Abbildung „echter“ SARS-CoV-2-Viren aus schockgefrorenen Proben von Forscherinnen und Forschern. Könnte ein Bandwurmmittel gegen Covid-19 helfen?
© Quelle: Peter Mindek/Nanographics/apa/dp
Ein Forschungsteam der Berliner Charité hat vier Wirkstoffkandidaten gegen das Coronavirus Sars-CoV-2 entdeckt, welche die Virusproduktion in Zellen hemmen. Der „vielversprechendste“ antivirale Wirkstoff sei Niclosamid, der bereits gegen den Befall mit Bandwürmern eingesetzt wird. In Untersuchungen habe das Mittel die Produktion infektiöser Sars-CoV-2-Partikel in Zellen um mehr als 99 Prozent gesenkt, teilte die Charité in einer Pressemitteilung am Montag mit.
„Niclosamid hat in unseren Zellkultur-Untersuchungen den stärksten Effekt gezeigt und ist außerdem ein seit Jahren für Bandwurminfektionen zugelassenes Medikament, das bei potenziell wirksamen Dosierungen gut verträglich ist“, wird Marcel Müller vom Institut für Virologie darin zitiert. Das Bandwurmmittel hatte sich laut Charité schon als wirksam gegen das Mers-Coronavirus gezeigt. Nun soll es in einer klinischen Studie hinsichtlich seiner Wirksamkeit gegen Sars-CoV-2-Infektion und Covid-19 bei Menschen überprüft werden.
Coronavirus drosselt zelleigenen Recycling-Mechanismus
Das Team um Müller wollte zunächst in einer Zellkultur-Untersuchung herausfinden, wie Sars-CoV-2 Zellen zu seinen Gunsten umprogrammiert, um nicht vom Immunsystem entdeckt zu werden. Die Forscherinnen und Forscher fanden dabei heraus, dass das Coronavirus den zelleigenen Recycling-Mechanismus drosselt.
Bei dieser sogenannten Autophagie werden molekulare Bausteine für neue Zellstrukturen produziert, indem beschädigtes Zellmaterial und Abfallprodukte abgebaut werden. Die Ergebnisse der Untersuchung legten nahe, dass dieser Recycling-Mechanismus ein möglicher Therapieansatz für die Behandlung von Covid-19 sein könnte. Die Forscherinnen und Forscher prüften daher, ob sich Substanzen als wirksam erwiesen, die die Vermehrung von Sars-CoV-2 in Zellen bremsen können.
Therapieansätze? Drei weitere Wirkstoffe hemmen Virusproduktion
Das Forschungsteam konnte dabei neben dem Niclosamid gegen Bandwürmer drei weitere Wirkstoffe identifizieren, die die Vermehrung des Virus in Zellen hemmen. So hat der körpereigene Stoff Spermin die Virusproduktion um über 90 Prozent gesenkt. Auch Spermidin, ein mit Spermin verwandter Wirkstoff, reduzierte die Virusproduktion um 85 Prozent.
„Diese deutlichen Effekte von Spermidin und vor allem Spermin sind einerseits natürlich ermutigend, weil bei körpereigenen Stoffen erst einmal weniger Nebenwirkungen zu erwarten sind“, erklärte Müller. „Allerdings haben wir mit Reinsubstanzen gearbeitet, die in dieser Form nicht für eine medikamentöse Einnahme geeignet sind.“ Insbesondere Spermidin sei in der Zellkultur erst bei einer recht hohen Konzentration nennenswert wirksam. Allerdings sei das ein guter Ansatz für Studien am Tiermodell.
Der dritte Wirkstoff, der sich als wirksam gegen Sars-CoV-2 erwies, war MK-2206. Hierbei handelt es sich um eine Substanz, die aktuell in klinischen Studien auf ihre Verträglichkeit und Wirksamkeit gegen verschiedene Krebsarten untersucht wird. In der Zellkultur-Untersuchung senkte der Wirkstoff die Produktion von infektiösen Coronaviren um rund 90 Prozent. Laut den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern handle es sich auch bei diesem Mittel um einen „interessanten Wirkstoffkandidaten gegen Covid-19″, der nach sorgfältiger Risiko-Nutzen-Analyse auch klinische Studien rechtfertigen würde.