Die digitale Therapie: seelisch gesunden in den eigenen vier Wänden

Onlinetherapien gewinnen nicht erst seit der Corona-Krise an Bedeutung.

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Katharina Schubert*, 34 Jahre jung, ist an einer Depression erkrankt. Dieses Schicksal teilt sie mit über 17 Millionen Menschen in Deutschland: So viele Erwachsene litten nach Angaben der Stiftung Deutsche Depressionshilfe im Laufe ihres Lebens schon mindestens einmal an einer unipolaren oder anhaltenden depressiven Störung. Damit betrifft die Erkrankung etwa jeden fünften Deutschen – und dabei sind Kinder und alte Menschen noch nicht mit eingerechnet, weil sich die Erhebung auf die 18- bis 65-Jährigen beschränkte.

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“Einen guten Therapeuten an seiner Seite zu haben ist gerade bei Depressionen enorm wichtig”, findet Katharina Schubert. Auch sie selbst befindet sich in psychotherapeutischer Behandlung. Aber anders als die meisten Betroffenen geht sie nicht Woche für Woche in eine Praxis: Katharina Schubert wird digital behandelt, indem sie Minddoc nutzt, die erste vollwertige ambulante Onlinepsychotherapie in Deutschland.

Wartezeit verkürzt sich für Patienten enorm

Hinter dem digitalen Angebot steht die Schön-Klinik, eine Klinikgruppe mit Sitz in Prien am Chiemsee, zu deren Schwerpunktdisziplinen die Psychosomatik gehört. Bernhard Backes, Psychologischer Psychotherapeut und Leiter von Minddoc, erläutert das Anliegen der Therapieplattform: “Viele Patienten müssen sehr lange suchen, bis sie einen ambulanten Therapieplatz bekommen. Weil sie bei uns nicht darauf angewiesen sind, einen Therapeuten direkt an ihrem Wohnort zu finden, verkürzen sich die Wartezeiten zum Teil erheblich.”

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Im bundesweiten Netzwerk von Minddoc arbeiten ausschließlich psychologische Psychotherapeuten mit Approbation. Einige von ihnen sind fest angestellt, andere haben eine eigene Praxis und sind zusätzlich als Therapeuten für Minddoc tätig. “Dies ermöglicht es ihnen zum Beispiel, eine Privatpraxis im ländlichen Raum zu betreiben, wo weniger Privatpatienten vor Ort sind”, erklärt Backes einen Vorteil dieses Mischmodells.

Der psychologische Psychotherapeut Bernhard Backes leitet die Therapieplattform MindDoc.

Der psychologische Psychotherapeut Bernhard Backes leitet die Therapieplattform MindDoc.

Katharina Schubert hat ihre Therapeutin also noch nie persönlich getroffen, obwohl sie sie schon seit einem Jahr behandelt. “Aber das fühlt sich überhaupt nicht seltsam an”, berichtet sie von ihren Erfahrungen. “Ganz im Gegenteil. Ich bin in den Sitzungen viel weniger gestresst als früher bei der klassischen Therapie, weil ich nicht erst zur Praxis fahren und einen Parkplatz suchen muss. Außerdem können die Termine bei Bedarf auch mal online storniert oder verschoben werden. Gerade für uns Berufstätige ist das ideal.” Bernhard Backes ergänzt, dass im Bedarfsfall jedoch auch persönliche Treffen zwischen Patient und Therapeut ermöglicht werden. “Aber das kommt praktisch nie vor, weil das Onlineformat sehr gut funktioniert.”

Nicht alle psychischen Erkrankungen können online therapiert werden

Katharina Schubert hat Minddoc entdeckt, als sie im Internet nach einem Therapieplatz suchte. Nachdem sie Interesse bekundet hatte, wurde sie zu einem Erstgespräch eingeladen, das bei einem mit Minddoc kooperierenden Therapeuten in ihrer Region stattfand. “Der erste Termin findet meist persönlich statt, kann aber gegenwärtig auch online durchgeführt werden”, erklärt Bernhard Backes. “Dabei wird eine vorläufige Diagnose gestellt und der Patient über diese Therapieform aufgeklärt.” Das persönliche oder online durchgeführte Erstgespräch sei auch deshalb wichtig, weil sich die Onlinetherapie nicht für jede Art von psychischer Erkrankung eigne.

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“Schwerpunktmäßig behandeln wir Menschen mit Depressionen, Ängsten, Zwängen und Essstörungen. Auch andere Krankheitsbilder sind möglich, aber es gibt Einschränkungen. Menschen mit dissoziativen oder schizoiden Störungen beispielsweise kann man kaum online therapieren. Dasselbe gilt für stark impulsive oder in ihren Stimmungen sehr wechselhafte Patienten und natürlich für Menschen mit akuten Suizidgedanken. Bei Suchterkrankungen übernehmen wir die Behandlung nur, wenn der Patient aktiv in ein Netzwerk eingebunden ist, zu dem unter anderem eine Suchtberatungsstelle gehört.”

Viele Krankenkassen übernehmen Kosten für Onlinetherapie

Für die Behandlung von Katharina Schuberts wiederkehrenden depressiven Episoden ist Minddoc ideal. Das sieht auch ihre Krankenkasse so: Die Barmer gehört zu den Versicherungen, die die Kosten für die Onlinetherapie komplett übernehmen. “Nicht zuletzt aufgrund der Corona-Pandemie findet gerade ein großes Umdenken statt”, beobachtet Bernhard Backes. “Einige Kassen tragen die Kosten bereits vollständig, andere wie zum Beispiel die AOK Bayern zahlen zumindest für bestimmte Module aus unserem Angebot.”

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Damit meint der Minddoc-Leiter die sogenannten asynchronen Therapiebestandteile: zusätzliche Formate, die die Patienten zwischen den wöchentlichen Videositzungen nutzen. Dazu gehören Lehrvideos mit Informationen zur Erkrankung, Anleitungen für praktische Übungen oder auch spezielle Apps, die das Alltagsleben erleichtern. “Ich finde es gut, dass ich so auch zwischendurch etwas machen kann und nicht nur den einen Termin pro Woche habe”, sagt Katharina Schubert. “Meine Therapeutin begleitet das Ganze, das gibt mir Sicherheit. Wenn ich gerade durch eine schwere Phase gehe, habe ich das Gefühl, dass immer jemand erreichbar ist. Das war früher in der Praxis nicht so.”

Das Thema Sicherheit wird bei Minddoc sehr ernst genommen. Bernhard Backes erklärt, dass wie bei einer regulären Therapie auch einige Probesitzungen erfolgen, bevor sich Therapeut und Patient füreinander entscheiden. Die sensiblen Daten sind auf der selbst entwickelten Plattform extrem gut geschützt: “Einmal im Jahr fordern wir professionelle Hacker dazu auf, einen Angriff auf unser System zu versuchen. Bis jetzt ist noch niemand hineingelangt.”

Anlaufstellen bei seelischen Krisen

  • Telefonseelsorge: Unter den Telefonnummern 0800/111 0 111 und 0800/111 0 222 können Betroffene und deren Angehörige rund um die Uhr anonym Hilfe suchen – und zwar kostenfrei und bundesweit. Die Telefonseelsorge bietet auch Unterstützung per E-Mail und Chat sowie im persönlichen Gespräch über ihre derzeit 27 Beratungsstellen.
  • Sozialpsychiatrische Dienste: In jeder Stadt und Gemeinde können sich Hilfesuchende an einen sozialpsychiatrischen Dienst wenden. Die Mitarbeiter beraten und vermitteln bei Bedarf weitere Hilfe. Die Dienste sind meist den Gesundheitsämtern zugeordnet. Kontaktdaten wie Adresse und Telefonnummer erhalten Interessierte über das kommunale Amt.
  • Deutscher Kinderschutzbund: Der DKSB betreibt zwei kostenlose und bundesweit erreichbare Hotlines. Dazu zählen das Elterntelefon unter 0800/111 0 550 und das Kinder- und Jugendtelefon unter 0800/111 0 333. Zu festgelegten Zeiten beraten Mitarbeiter Eltern und Nachwuchs zu Sorgen aller Art.
  • Webseite der Deutschen Depressionshilfe: Über die Webseite können Betroffene zudem je nach Ort nach Krisendiensten und Beratungsstellen suchen. In Notfällen sollte jedoch immer der Notruf unter 112 gewählt werden.

(*Name von der Redaktion geändert)


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