Eine Studie zeigt hohe Viruslasten bei Kindern – doch was bedeutet das?
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Die Frage, ob Kinder "stille Verbreiter" des Coronavirus sind, war auch für die Schuschließungen relevant.
© Quelle: Kay Nietfeld/dpa
Wie infektiös sind Kinder? Diese Frage stellt sich schon seit Beginn der Corona-Krise – und nun, da die Schulen wieder öffnen, umso mehr. Ein Forscherteam vom Massachusetts General Hospital in Boston hat nun Kinder und junge Erwachsene (0 bis 22 Jahre) genauer untersucht, die wegen des Verdachts auf eine Coronavirus-Infektion in eine Klinik gekommen waren. Bei 49 akut Infizierten fanden die Forscher im Nasenrachenabstrich eine vergleichbare oder sogar etwas höhere Anzahl von Viren als bei schwerer erkrankten Erwachsenen. In ihrer Veröffentlichung warnen die Autoren davor, dass Kinder das Virus als symptomlose Träger verbreiten könnten.
Doch die Studie wurde von Kollegen umgehend scharf kritisiert. “Die erhobenen Daten stützen nicht die Behauptung, dass Kinder stille Verbreiter von Covid-19 sind”, so Adilia Warris, Professorin an der University of Exeter gegenüber dem Science Media Center. Gezeigt worden sei lediglich, dass positiv getestete Kinder mit Atemwegssymptomen ähnlich stark mit dem Virus befallen seien wie Erwachsene. Sie verweist auch darauf, dass die meisten Kinder aus der Studie stark übergewichtig waren (ein Risikofaktor für schwere Verläufe) und ein Großteil infizierte Eltern hatte – was darauf hindeutet, dass sie sich bei diesen angesteckt hatten und nicht umgekehrt.
Kinder wären ohnehin nicht in der Schule “herumgelaufen”
Auch Andrew Preston von der University of Bath kritisiert gegenüber dem Science Media Center die Aussagen der Studie als “irreführend”. Es werde nahegelegt, dass Kinder insgesamt mit einer hohen Viruslast herumliefen, obwohl nur eine kleine Gruppe symptomatischer Kinder untersucht worden sei. Unsinnig sei zudem die Forderung der Autoren nach mehr Schutzmaßnahmen in Schulen: Die Kinder aus der Studie wären schließlich wegen ihrer Symptome “ohnehin isoliert worden, anstatt in der Schule herumzulaufen”.
Dass Kinder und junge Menschen deutlich seltener und weniger stark erkranken als Erwachsene, ist bereits seit Langem bekannt. Viele Experten gehen daher von einer eher geringen Bedeutung für das Infektionsgeschehen aus. Aber auch die Rolle als “stille Verbreiter” war bereits diskutiert worden – also eine mögliche Weitergabe des Virus durch Kinder mit wenig oder keinen Symptomen. Denn auch wenn Kinder nicht erkranken, können sie das Virus theoretisch in sich tragen.
Haben Kinder genauso viele Viren im Rachenraum?
Untersuchungen zu Corona-Infektionen bei Kindern gibt es bereits einige. So haben kleine Kinder und Schulkinder bis zum Alter von 15 Jahren nach einer im Wissenschaftsjournal “Science” veröffentlichten Studie ein bis zu ein Drittel geringeres Risiko sich anzustecken als ältere Menschen. Eine von der Landesregierung in Baden Württemberg in Auftrag gegebene Studie hatte ergeben, dass Kinder das Virus auch seltener in sich tragen als Erwachsene.
Christian Drosten, Virologe am Berliner Universitätsklinikum Charité, hatte hingegen schon vor den Bostoner Forschern beobachtet, dass Kinder ebenso viele Viren im Rachenraum aufweisen können wie Erwachsene. Genau wie jetzt die Amerikaner war daraufhin schon Drosten für die Theorie angegriffen worden, dass Kinder gleichermaßen ansteckend sein könnten.
Eine solche Schlussfolgerung sei “schlichtweg falsch und nicht zulässig”, hatte die Süddeutsche Gesellschaft für Kinder-und Jugendmedizin damals in einer Stellungnahme kritisiert. Weil betroffene Kinder wesentlich weniger Symptome wie Husten oder Niesen hätten, würden sie stattdessen eher weniger zur Verbreitung des Virus beitragen.
Höheres Ansteckungsrisiko bei Symptomen
Tatsächlich ist davon auszugehen, dass sowohl Kinder wie Erwachsene dann besonders ansteckend sind, wenn sie Symptome haben. Nicht nur, weil sich virenhaltige Tröpfchen durch Husten oder Niesen besonders stark verbreiten. Sondern auch, weil dann die Viruslast unabhängig vom Alter erhöht ist.
Eine Ansteckung bei Symptomlosen ist zwar möglich, aber weniger wahrscheinlich. Noch unwahrscheinlicher dürfte eine Ansteckung bei symptomlosen Kindern sein – ganz einfach, weil diese vermutlich seltener infiziert sind. An dieser Erkenntnis ändert auch die neue Studie nichts.