Psychologie: Wie geht man mit Maskenverweigerern um?
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Maskenverweigerer finden biedere Argumente, um ihren Standpunkt zu untermauern. Masken machen Angst, schützen nicht, machen krank, meinen sie. Doch dabei ist es gar nicht so schwierig, eine Maske zu tragen. Viel mehr nerven die eigenwilligen Protestler und stören den Prozess, die Pandemie in den Griff zu bekommen.
© Quelle: imago images/Cord
Hannover. Seit Ende April ist das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes in vielen Teilen des öffentlichen Lebens Pflicht. Doch man begegnet immer wieder Menschen, die auf die Pflicht pfeifen und das Tragen einer Maske im Zug oder in der Warteschlange stur ignorieren. Das ruft mehrere Impulse hervor: Wut, Unverständnis oder auch das Bedürfnis, die Person direkt zur Rede zu stellen. Maskenverweigerer – und wirklich nur Verweigerer, nicht jene, die ärztlich von der Maskenpflicht befreit sind – sind also die neuen Klassenclowns unserer Gesellschaft: nervig, unnötig und schwer zu bändigen. Wie man mit ihnen umgeht, erklären Psychologen und geben Werkzeuge an die Hand.
Psychologin: Beginn der Maskenpflicht war zu holprig
“Die Menschen reagieren, abhängig von der eigenen Einstellung zum Thema ‘Maske’ ganz unterschiedlich auf Menschen, die keine tragen, obwohl es Pflicht wäre”, erklärt Andrea Heine, Psychologin und Betriebswirtin, im Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland. In kurzer Zeit sei bereits ein gewisser Gewöhnungseffekt eingetreten: “Sitzt man im Bus, trägt man selbstverständlich eine Maske. Diejenigen, die keine tragen, werden tatsächlich beäugt und werden – gruppendynamisch – als Außenseiter wahrgenommen.”
Ein Grund, warum das Thema Masken in Deutschland so kontrovers ist, liegt für die Psychologin in der Anfangszeit begründet. “In der ersten Phase hieß es, das Tragen bringt nichts. Das ist noch immer ein wenig in den Köpfen der Menschen verankert. Auch die Glaubwürdigkeit ist durch die holprige Anfangszeit verloren gegangen. Deutschland war kein gutes Vorbild”, erklärt Heine.
Laut Heine gibt es zwei Gruppen der Maskenverweigerer: “Die einen behaupten, das Tragen würde nichts bringen, und die anderen leugnen das Coronavirus komplett. Bei letzterer Gruppe, den Virusleugnern, kommt man auch mit vernünftigen Argumenten nicht weiter.”
Die Theorie der gelernten Sorglosigkeit
Für Heine lässt sich die “Theorie der gelernten Sorglosigkeit” auf die Corona-Pandemie übertragen. “Die Theorie besagt, dass Menschen risikofreudiger werden, je weniger Gefahr sie wahrnehmen. Auf Corona bezogen bedeutet das: Es gibt ganz viele Menschen, die keinen Infizierten kennen, umso mehr entsteht der Gedanke: ‘Es passiert doch nichts.‘” Und so würden die Menschen immer risikofreudiger und fragen sich, wozu der Schutz gut sein soll. “Das Risiko, an etwas zu erkranken, schätzt man für andere viel höher ein als für sich selbst.”
Auch wenn Bilder veröffentlicht würden, die Hunderte Menschen ohne Maske zeigten, sei das nicht förderlich. “Je weniger man nach solchen Veranstaltungen hört, dass die Zahl der Infizierten genau an diesem Punkt extrem in die Höhe geht, desto weniger glaube ich an das Risiko.” Doch dass jetzt beispielsweise immer mehr junge Menschen infiziert seien, passe in das Schema der Sorglosigkeit.
Es ist ein hilfreiches Werkzeug, jemanden zu fragen, warum er keine Maske trägt, anstatt ihm zu sagen, dass er eine tragen soll. Dies ist eine Chance für jemanden, gehört zu werden, was die Abwehrhaltung verringert.
Claire Hooker
Corona-Stress beeinflusst die Kommunikation erheblich
Claire Hooker ist Dozentin und Koordinatorin für Gesundheits- und Medizinwissenschaften an der Universität von Sydney und erklärt im US-Wissenschaftsmagazin “Science Alert” zunächst, dass möglicherweise akzeptierte Verhaltensweisen neu ausgehandelt werden müssen. Doch: “Viele dieser Gespräche könnten schwierig sein.”
Eine Schwierigkeit dieser Gespräche bestehe laut Hooker darin, dass der Stress, der die Pandemie auslöst, die Wahrnehmung beeinflusst: “Ironischerweise macht die Pandemie diese Art von Missverständnissen wahrscheinlicher. Wenn wir gestresst oder emotional sind, aktivieren wir eher die “Kampf, Flucht, Erstarren”-Mechanismen unseres Körpers. Dies beeinflusst, wie wir kommunizieren und wie unsere Kommunikation empfangen wird.”
Auch Heine bestätigt: “Wie wir jemanden ansprechen, hängt vom Grad der eigenen Betroffenheit ab. Emotionen sollten am besten außen vor bleiben, und das Gespräch sollte auf der sachlichen Ebene stattfinden.”
“Tun Sie sonst, was Sie wollen”: Verhaltensänderungen aushandeln
Vor allem das Finden gemeinsamer Werte biete Boden für Verhandlungen und verringert die Abwehrbereitschaft, so die Dozentin. Also ist es wichtig, das Gespräch mit Maskenverweigerern strukturiert anzugehen. Unsere Emotionen wie Wut, Angst oder Unverständnis dürften unsere Botschaft nicht trüben.
“Die Autoren des Buches ‘Crucial Conversations’ empfehlen, sich zu fragen, was Sie als Ergebnis erreichen möchten und was Sie für die Beziehung zwischen Ihnen wollen. Ziel ist es, die Beziehung respektvoll und die Kommunikationswege offen zu halten, damit die Verhandlungen fortgesetzt werden können, wenn neue pandemische Umstände eintreten”, erklärt Hooker.
Die Überzeugungen oder Handlungen von Menschen könne man nie vollständig ändern. Ein besseres Ziel sei, Verhaltensänderungen auszuhandeln, um den Schaden zu minimieren. Sätze wie: “Natürlich können Sie zu anderen Zeiten tun, was Sie wollen, aber könnten wir uns darauf einigen, dass Sie vorerst eine Maske tragen, wenn Sie im Zug sitzen?” seien ein erster Weg, die angestrebten Verhaltensänderungen zu erreichen.
Wertfrei kommunizieren und nachfragen
Es gibt viele Gründe, warum Menschen keine Masken tragen wollen. Wenn das Fehlen einer Maske zunächst wertfrei angesprochen wird, biete das laut Hooker Gelegenheit zur Problemlösung. “Es ist ein hilfreiches Werkzeug, jemanden zu fragen, warum er keine Maske trägt, anstatt ihm zu sagen, dass er eine tragen soll. Dies ist eine Chance für jemanden, gehört zu werden, was die Abwehrhaltung verringert.”
Werden Werte einer anderen Person erkannt und respektiert, ist der Weg frei, gemeinsame Werte zu finden. Das verringere die Abwehrbereitschaft und biete Verhandlungsraum. Ein Satz könnte laut Expertin folgendermaßen klingen: “Ich verstehe, wie wichtig es für Sie ist, skeptisch zu sein, das geht mir auch so – zumal sich Beweise so oft ändern. Aber da die Fakten definitiv belegen, dass selbst junge, gesunde Menschen ernsthaft krank werden können, dürfte ich Sie bitten, auf unserer Reise eine Maske zu tragen?”
Mitgefühl und Empathie kann fruchten
Hooker weiß: “Mitgefühl oder Empathie ermöglichen es uns, die Position eines anderen zu unterstützen und gleichzeitig unsere eigene Position stärker zu behaupten.” Solche Bestätigungen könnten sein: “Ich kann Sie verstehen! All diese Kontrollen über unser Leben machen mich verrückt, und viele von ihnen sind sinnlos.” Oder Phrasen wie: “Ich könnte mich irren, und ich könnte überreagieren” können bei den Verhandlungen helfen.
Mit diesem Vorschuss könne man wiederum an die Empathie des Gegenübers appellieren: “Bitte halten Sie mich bei Laune, und tragen Sie eine Maske, nur im Zug”, schlägt die Expertin vor.
Heine erklärt, dass auch der Appell, dass die eigene Freiheit beim Nichttragen bedroht sei, fruchten könnte. Dabei sollte das eigene Gefühl vorangestellt werden: “Man sollte nicht belehrend daherkommen, mit Argumenten wie ‘ihr müsst, ihr sollt, Herr Spahn hat aber gesagt’. Besser von sich ausgehen und erklären: ’Ich fühle mich wohler dabei.‘”
Auch Humor kann Wirkung zeigen
Eine andere Art von Empathie zeigte die Deutsche Bahn vergangene Woche. Sie solidarisierte sich mit ihren eigentlichen “Feinden”, den “Sprühdosen-Schurken”. Diese sprayten einer Bahn einen Mund-Nasen-Schutz auf – und die Bahn lobte das eigentlich illegale Vorgehen in einem Tweet. “Selbst Sprühdosen-Schurken, die sonst anscheinend wenig nachdenken, haben es verstanden”, twitterte das Unternehmen und sorgte für Aufklärung mit Humor.
Wie sage ich es Familie und Freunden?
Kniffliges Thema: Wie spreche ich bei meiner Familie und Freunden an, dass ich ihren Besuch nur möchte, wenn sie eine Maske tragen? Auch hier helfe Empathie, die Beziehung aufrechtzuerhalten, während man eine klare Grenze zieht, auf die man besteht. “Es ist mir wirklich wichtig, dich zu sehen, und es fällt mir wirklich schwer, das zu sagen, aber ich muss deinen Besuch ohne Maske ablehnen, bis es weniger Fälle gibt”, macht Hooker einen Kompromissvorschlag.
Doch Heine gibt zu bedenken: Man könne einen Teil der Verweigerer erreichen, durch sachliche Informationen oder durch Aufklärung. “Doch den anderen Teil werden Sie nie erreichen, so sachlich man auch an das Thema herangeht. Da hilft nur, einen großen Bogen um diejenigen zu machen, und hoffen, dass es nicht zu viele werden.” Bei manch einem kann eine Diskussion zur unnötigen Energieverschwendung werden – und das müsse man sich nicht antun.
RND/Alice Mecke