Omikron: Wie gut sind Genesene vor der Virusvariante geschützt?

Wer zuvor positiv auf das Coronavirus getestet wurde, muss nicht unbedingt einen Schutz vor Omikron besitzen.

Wer zuvor positiv auf das Coronavirus getestet wurde, muss nicht unbedingt einen Schutz vor Omikron besitzen.

Die Entscheidung des Robert Koch-Instituts (RKI) kam überraschend: Am Wochenende gab die Behörde auf ihrer Internetseite bekannt, dass die Dauer des Genesenenstatus verkürzt wird. Konkret heißt das: Wer sich mit dem Coronavirus infiziert, gilt nach der Infektion nur noch drei und nicht mehr sechs Monate lang als genesen.

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Als Begründung führte das RKI die besorgniserregende Virusvariante Omikron an, die in Deutschland das Infektionsgeschehen dominiert. Wissenschaftliche Studien würden darauf hindeuten, „dass Ungeimpfte nach einer durchgemachten Infektion einen im Vergleich zur Deltavariante herabgesetzten und zeitlich noch stärker begrenzten Schutz vor einer erneuten Infektion mit der Omikron-Variante haben“.

Aus immunologischer Sicht sei der Schritt, die Dauer des Genesenennachweises zu verkürzen, in jedem Fall sinnvoll, meint Prof. Reinhold Förster. „Denn man kann nicht davon ausgehen, dass Menschen, die sich mit Delta infiziert haben, lange vor einer erneuten Infektion mit Omikron geschützt sind“, sagte der Leiter des Instituts für Immunologie an der Medizinischen Hochschule Hannover im Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).

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Immunantworten von Genesenen lassen nach

Der Immunologe hatte selbst untersucht, wie gut die Immunantworten von Genesenen vor Omikron schützen. In den mehr als 100 gesammelten Serumproben, die unterschiedliche Zeitpunkte nach Infektion und Genesung umfassten, seien in „keiner einzigen“ neutralisierende Antikörper gegen diese Virusvariante nachweisbar gewesen. Zudem seien die Immunantworten auch gegen die anderen Virusvarianten mit der Zeit deutlich schwächer geworden.

Der Schutz der Genesenen vor einer erneuten Ansteckung mit dem Coronavirus lässt also nach. Ob das auch bedeutet, dass der Schutz vor schweren Krankheitsverläufen schwindet, ist noch nicht ganz klar. „Das ist momentan eine große Unbekannte“, sagte Förster. „Wir wissen es einfach noch nicht, es ist aber wahrscheinlich.“

Großbritannien: Omikron sorgt für zahlreiche Reinfektionen

Eine Studie aus Großbritannien deutet darauf hin, dass Genesene weiterhin vor einem schweren Verlauf geschützt sind. Ein Forscherteam um Neil Ferguson vom Imperial College London hatte Daten der britischen Gesundheitsbehörden ausgewertet und festgestellt, dass Omikron-Infektionen insgesamt seltener zu Krankenhausaufenthalten führen als Ansteckungen mit der Virusvariante Delta. Eine vorangegangene Infektion senke das Risiko eines Krankenhausaufenthalts um etwa 50 Prozent, heißt es in der Untersuchung, die auf der Internetseite der Universität veröffentlicht wurde.

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„Diese Verringerungen müssen aber gegen das höhere Infektionsrisiko bei Omikron abgewogen werden, das auf die Verringerung des Schutzes sowohl durch die Impfung als auch durch die natürliche Infektion zurückzuführen ist“, schrieben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ferner.

Dass die Immunität von Genesenen gegenüber Omikron schwächer ausfällt, verdeutlicht auch eine Auswertung der UK Health Security Agency. Sie hatte Daten von rund 18.000 Mitarbeitenden im Gesundheitswesen analysiert, die zwischen dem 1. Dezember 2021 und 4. Januar 2022 gesammelt wurden. Die Behörde berichtete in ihrem Report vom vergangenen Freitag, dass die Zahl der Reinfektionen in diesem Zeitraum „rapide angestiegen“ sei. Es haben sich also mehr Genesene noch einmal mit dem Coronavirus infiziert.

Erst sechs, jetzt drei Monate – doch warum?

Angesichts dieser Forschungsergebnisse aus dem Ausland ist es nur logisch, dass der Genesenennachweis ein „Verfallsdatum“ besitzt. Doch warum ausgerechnet die drei Monate?

„Man hätte auch zwei oder vier Monate vorschreiben können“, sagte Immunologe Förster. „Das ist ein Schätzwert.“ Schon die vorherigen sechs Monate waren in der Wissenschaft umstritten. Die Angabe beruhte auf anfänglichen, wissenschaftlichen Studien, die gezeigt hatten, dass Menschen nach einer durchgemachten Corona-Infektion noch über längere Zeit vor einer erneuten Ansteckung geschützt sind.

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Mit dem weiteren Verlauf der Pandemie kamen neue Studien hinzu, die nahelegten, dass Genesene sogar noch weitaus länger als sechs Monate geschützt sein könnten. Die Deutsche Gesellschaft für Virologie (GfV) verwies in einer Stellungnahme von Ende September 2021 auf eine Untersuchung aus Israel. Diese hatte ergeben, dass die Immunität von Genesenen auch nach einem Jahr noch stabil ist und sehr gut Reinfektionen und schwere Krankheitsverläufe abwehren kann.

Virologen revidieren Aussage zur Schutzdauer

Expertinnen und Experten äußerten daraufhin Kritik an der sechsmonatigen Zeitspanne des Genesenenstatus. „Diese Sechs-Monats-Regel entbehrt mittlerweile einer wissenschaftlichen Grundlage“, hatte etwa Sebastian Ulbert, Abteilungsleiter Impfstoffe und Infektionsmodelle am Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie in Leipzig, Anfang Oktober vergangenen Jahres der Deutschen Presse-Agentur gesagt. Dem hatte sich auch Carsten Watzl, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, angeschlossen: „Die sechs Monate waren eine Schätzung, heute könnte man den Zeitraum ausdehnen.“

Inzwischen hat die GfV ihre Stellungnahme aktualisiert. Sie führt nun zwei weitere Studien aus den USA an, die gezeigt hätten, dass eine durchgemachte Infektion einen schlechteren Schutz vor Infektionen, schwerer Erkrankung und Tod vermittelt als die vollständige Impfung.

„Auf Grund dieser widersprüchlichen Datenlage kann gegenwärtig nicht sicher von einem ein Jahr anhaltenden Schutz Genesener ausgegangen werden“, teilte der Verband mit. „Angesichts der Dynamik des Erkenntnisgewinns zur Dauerhaftigkeit der Immunantwort gegen Sars-CoV-2 bei vollständig Geimpften und Genesenen und der möglichen Problematik mit der Omikron-Variante gehen wir davon auch, dass auch zukünftig weitere Aktualisierungen zum Thema Impfung notwendig werden.“

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Impfung erhöht Immunantworten von Genesenen

Auch an der Dauer des Genesenenstatus könnte sich in den kommenden Wochen und Monaten noch einmal etwas ändern. Zumindest spricht das RKI auf seiner Internetseite davon, dass die Vorgaben zum Genesenennachweis „regelmäßig überprüft“ und „gemäß Stand der Wissenschaft“ angepasst werden würden.

Die Wissenschaft lernt immer wieder Neues über die Immunität nach einer Corona-Infektion hinzu. Fest steht mittlerweile: Erstens, die Immunantworten von Infizierten können unterschiedlich stark ausfallen. Zweitens, ein asymptomatischer oder leichter Infektionsverlauf erzeugt oft nur eine begrenzte Immunität. „Wenn man sich einmal mit dem Virus auseinandergesetzt und vielleicht fünf Tage schlapp gefühlt hat, reicht das definitiv nicht aus, um eine lang anhaltende Immunität zu bekommen, insbesondere gegen neue Virusvarianten“, erklärte Förster. Gleichzeitig könne es aber auch sein, dass ein schwerer Verlauf nur eine reduzierte Zahl an Antikörpern hervorruft.

Drittens, die Virusmenge beeinflusst die Immunreaktionen im Körper. Und viertens, eine Impfung kann die Immunantworten von Genesenen noch einmal kräftig steigern. „Um zu vermeiden, dass sich Genesene in ein paar Monaten erneut infizieren, sollten sie sich einmal immunisieren lassen“, rät der Immunologe.

Genesene benötigen Auffrischungsimpfung

So schlägt es auch die Ständige Impfkommission (Stiko) vor. Alle über Zwölfjährigen, die eine Corona-Infektion durchgemacht haben, sollten nach mindestens drei Monaten eine einmalige Impfdosis eines mRNA-Impfstoffs von Biontech/Pfizer oder Moderna erhalten, rät das Expertengremium in seiner Impfempfehlung. Gleiches gilt für Kinder im Alter von fünf bis elf Jahren mit Vorerkrankungen, die sich mit dem Coronavirus infiziert haben.

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Um ausreichend vor Omikron geschützt zu sein, brauchen Genesene wohl aber auch eine Auffrischungsimpfung, die die Immunantworten weiter verstärkt. Diese sollte laut Stiko in einem Abstand von mindestens drei Monaten nach der vorangegangenen Impfung verabreicht werden. Dass eine dritte Impfung eine Immunität gegen Omikron erzeugt, hat auch Immunologe Förster in seiner Studie beobachten können – zumindest bei vollständig Geimpften. „Wenn wir die zweifach Geimpften ein drittes Mal immunisieren, dann haben auch sehr viele von ihnen Antikörper gegen Omikron, die sie nach zwei Immunisierungen noch nicht hatten“, sagte er.

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