Vegetarisch, Vitamine, Vollkorn: Hilft gesunde Ernährung gegen Covid-19?
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Eine gesunde Ernährung hilft dem Körper grundsätzlich – kann akut aber nicht vor Covid-19 schützen.
© Quelle: dpa Themendienst
Ob die Ernährung Einfluss darauf haben könnte, wie schwer Menschen an Covid-19 erkranken, darüber rätseln Forschende sowie Medizinerinnen und Mediziner bereits seit Pandemiebeginn. Vorweg sei schon einmal gesagt: Ansätze und auch Mythen gibt es viele, eindeutige Beweise und kausale Zusammenhänge über einen positiven Einfluss einer bestimmten Ernährungsweise auf die vom Coronavirus ausgelösten Erkrankung fehlen aber auch heute noch.
Es gibt inzwischen aber eine Reihe von Studien und Empfehlungen, die zumindest beobachtbare Zusammenhänge herstellen – etwa bei der Ernährung auf pflanzlicher Basis, bei der Gabe von Vitaminen und sogar bei Lakritze. Aber wie sind die Ergebnisse einzuschätzen und was lässt sich wirklich empfehlen? Ein Überblick.
1. Ernährung auf pflanzlicher Basis, mit Fisch und Knoblauch?
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Menschen, die sich überwiegend pflanzlich ernähren oder Fisch essen, seien im Vergleich zu einer Kontrollgruppe mit „normaler“ Ernährung oft gesünder, so Experten.
© Quelle: Peter Kneffel/dpa
Die Studienlage:
Die antibakterielle und antivirale Wirkung von Knoblauch, Zwiebel-, Kohlgewächsen, Brokkoli und Kurkuma wurde schon vor der Pandemie in verschiedenen wissenschaftlichen Arbeiten beschrieben. Forschende aus den USA haben sich deshalb die Ernährungsmuster bei Covid-19-Patienten in verschiedenen Ländern näher angeschaut. Für die Ergebnisse haben sie eine webbasierte Umfrage bei Beschäftigten im Gesundheitswesen aus Frankreich, Deutschland, Italien, Spanien, Großbritannien und USA gestartet.
Diese gaben dann von Mitte Juli bis September vergangenen Jahres Angaben zu insgesamt 568 von ihnen betreuten Covid-19-Erkrankten weiter: also demografische Merkmale, Informationen zur Ernährungsweise und zum Schweregrad sowie der Dauer der Erkrankung. In einer Kontrollgruppe wurden Daten von 2316 Personen ausgewertet.
Die Forschenden kommen zum Ergebnis, dass bei den Angaben zu den Patientinnen und Patienten aus allen sechs Ländern eine Ernährung auf pflanzlicher Basis oder eine pescatarische Ernährung (Verzehr von Fisch, aber nicht Fleisch) mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit einer mittelschweren bis schweren Covid-19-Erkrankung verbunden war. „Diese Ernährungsmuster können zum Schutz gegen schweres Covid-19 in Betracht gezogen werden“, resümieren die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in der Anfang Juni im Fachjournal „BMJ Nutrition Prevention & Health“ erschienenen Kontrollstudie.
Die fachliche Empfehlung:
Allerdings habe die Studie methodische Schwachstellen, wie mehrere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gegenüber dem Science Media Center kritisierten. Die Studie stütze sich ausschließlich auf Selbstangaben, Fehlmeldungen seien deshalb zu erwarten. Ein kausaler Zusammenhang konnte nicht festgestellt werden, nur eine Korrelation. Zudem sei die Studie in verschiedenen Ländern mit sehr unterschiedlichen Ernährungsweisen durchgeführt. „Eine pflanzliche Ernährung in Spanien oder Italien unterscheidet sich wahrscheinlich von einer hauptsächlich pflanzlichen Ernährung in Deutschland oder Großbritannien“, gibt etwa Prof. Gunter Kuhnle, Ernährungswissenschaftler an der University of Reading zu Bedenken.
Die Studienergebnisse seien für Kuhnle nicht überraschend: Menschen, die sich überwiegend pflanzlich ernähren oder Fisch essen, seien im Vergleich zu einer Kontrollgruppe mit „normaler“ Ernährung oft gesünder. „Diese Ergebnisse sind jedoch oft irreführend: Eine pflanzliche oder pescatarianische Ernährung wird häufig von Menschen verfolgt, die insgesamt einen ‚gesünderen‘ Lebensstil haben, körperlich aktiver und besser ausgebildet sind sowie höheren sozioökonomischen Gruppen angehören – alles Faktoren, die mit besserer Gesundheit und auch einem geringeren Risiko für Covid-19 einhergehen.“ Aus den Studiendaten könne daher nicht abgeleitet werden, ob eine pflanzenbasierte oder eine pescatarianische Ernährung einen Schutz bietet, zumal die vorgelegten Daten eine große Unsicherheit aufwiesen.
„Der vermehrte Verzehr von Nahrungsmitteln wie Zwiebeln und Knoblauch im Rahmen des allgemeinen Speiseplanes ist sicherlich unbedenklich und womöglich insgesamt gesundheitsfördernd“, heißt es auf den Informationsseiten der Bundesregierung zum Coronavirus. „Gegenwärtig kann aber nicht davon ausgegangen werden, dass damit auch ein Schutz vor Infektionen erworben wird.“
Ähnlich sieht es bei Vitamin C aus, das verschiedene Obst- und Gemüsesorten beinhalten. Die Leitlinie der RKI-Fachgruppe zur Behandlung von Covid-19 weist zwar darauf hin, dass es Hinweise auf die Verkürzung der Intensivpflichtigkeit bei akutem Lungenversagen gibt. Bisher gebe es aber „keine Evidenz“ für die Wirksamkeit und Sicherheit für den Einsatz bei Covid-19-Patienten und auch keine Empfehlung zur Prävention außerhalb kontrollierter Studien.
2. Ergänzende Vitamin-D-Präparate?
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Bei ärztlich festgestelltem Vitaminmangel kann man mit bestimmten Präparaten die Aufnahme ergänzen.
© Quelle: Getty Images/iStockphoto
Die Studienlage:
Vitamin D gilt auch als das „Sonnenhormon“, die Haut muss sich für die Bildung draußen den Sonnenstrahlen aussetzen. Die Ernährung trägt mit einem geschätzten Anteil von circa 10 bis 20 Prozent nur einen relativ geringen Anteil zur Vitamin-D-Versorgung bei. Lebensmittel wie fetter Seefisch, bestimmte Innereien und Speisepilze beinhalten es. Bekannt ist, dass Vitamin D wichtig ist für den Knochenstoffwechsel und die Bildung bestimmter Proteine. Die Studienlage dazu, inwiefern Vitamin D einen Einfluss auf Infektion und Covid-19-Erkrankung hat, ist allerdings widersprüchlich.
Beobachtungsstudien in europäischen und US-Krankenhäusern haben ergeben, dass bei Covid-19-Patienten häufiger ein Vitamin-D-Mangel festgestellt wird als in Kontrollgruppen. Es wurde auch berichtet, dass Menschen mit einem niedrigen Vitamin-D-Spiegel tendenziell häufiger an der Erkrankung sterben als andere. Unter anderem am Reina-Sofia-Krankenhaus in Madrid wurde versucht, der Sache auf den Grund zu gehen: 50 Covid-19-Patienten wurde Vitamin D verabreicht, nur einer von ihnen landete auf der Intensivstation. Aus einer Kontrollgruppe mit 26 Patienten, die keine Vitamin-D-Präparate bekamen, musste dagegen die Hälfte intensivmedizinisch behandelt werden, zwei von ihnen starben.
Zu einem anderen Ergebnis kommen US-Forschende, die ihre Ergebnisse im Fachmagazin „Jama Open Network“ veröffentlicht haben. Ein niedriger Vitamin-D-Status ist demnach kein Risikofaktor für eine Infektion mit dem Coronavirus. Zwar scheine es eine solche Verbindung zu geben, wenn man die Daten allein betrachte. Beziehe man aber Einflussfaktoren wie Alter, Geschlecht, Ethnizität, Body-Mass-Index, Blutdruck, Raucherstatus und Wohnort mit ein, gebe es keinerlei Zusammenhang. Menschen mit vergleichsweise niedrigem Vitamin-D-Spiegel haben demnach also kein höheres Risiko, sich mit Sars-CoV-2 anzustecken, als optimal mit dem Vitamin versorgte Menschen.
Die fachliche Empfehlung:
Eine eindeutige Ursache-Wirkungsbeziehung zwischen dem Vitamin-D-Spiegel und einem erhöhten Risiko für eine Sars-CoV-2-Infektion oder einen schweren Covid-19-Verlauf ist laut Deutscher Gesellschaft für Ernährung nicht nachgewiesen. Und die Studie aus Madrid hat methodische Schwachstellen. Bei genauerem Hinsehen wurde beispielsweise deutlich, dass in der zweiten Gruppe – den Patienten ohne Vitamin-Gabe – mehr Vorerkrankungen etwa mit Bluthochdruck und Diabetes registriert waren und damit auch mehr Risikofaktoren für einen schweren Covid-19-Verlauf.
„Wenn man die (relativ) Gesunden in die Vitamin-D-Gruppe packt und die (relativ) Kranken in die Kontrollgruppe, dann ist vorher klar, was herauskommt“, kritisierte etwa Martin Smollich, Pharmakologe und Professor am Institut für Ernährungsmedizin des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein in Lübeck. Smollich betont, ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Vitamin-D-Mangel und Covid-19 könne nicht nachgewiesen werden. Vielmehr könnte ein bei der Krankenhausaufnahme gemessener niedriger Vitamin-D-Spiegel Folge (und nicht Ursache) der Covid-19-Erkrankung sein.
Bei einer akuten, schweren Infektion sinke der Vitamin-D-Spiegel nämlich kurzfristig drastisch ab. Zudem trete ein Vitamin-D-Mangel „überdurchschnittlich häufig bei Erkrankungen und Lebensumständen auf, die ihrerseits das Covid-19-Risiko erhöhen, also in hohem Lebensalter, bei Adipositas oder bei Diabetes Typ 2″.
Also lieber nicht mit zusätzlichem Vitamin D-Präparat einen womöglichen Mangel ausgleichen? Die Behandlungsempfehlung der RKI-Fachgruppe zur Behandlung von Covid-19 dazu fällt differenziert aus: Bei Menschen mit nachgewiesenem oder vermutetem Mangel, bei denen ein erhöhtes Risiko für Covid-19 besteht oder bereits eine Covid-19-Erkrankung vorliegt, empfiehlt das Fachgremium eine zusätzliche Gabe von Vitaminen, aber nur in enger Absprache mit Ärztin oder Arzt.
Generell zu empfehlen sei eine routinemäßige Verwendung von Vitamin D zur Prophylaxe aber nicht. Die zusätzliche Gabe von Vitamin-D-Präparaten kann bei eigenständiger Einnahme und zu hoher Dosierung ebenfalls zu Gesundheitsschäden wie Nierensteinen und Nierenverkalkung führen, warnt das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR).
3. Der Stoff Glycyrrhizin – in Süßholzwurzel und Lakritze
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Bestimmte Inhaltsstoffe in Lakritze könnten eine antivirale Wirkung entfalten.
© Quelle: imago images/Westend61
Die Studienlage:
Forschende der Universität Essen haben in einer im Fachjournal „Viruses“ veröffentlichten Studie darauf verwiesen, dass der Stoff Glycyrrhizin, der auch Hauptbestandteil der Lakritzherstellung ist, antiviral gegen das Coronavirus wirkt. Beobachtet wurden die antiviralen Effekte durch bestimmte Bestandteile allerdings nicht in Lakritze sondern Tee aus getrockneter Süßholzwurzel. „Glycyrrhizin hemmt ein für die Virusvermehrung essenzielles Enzym, die virale Hauptprotease“, wurde Adalbert Krawczyk, Leiter der Studie, in einer Universitätsmitteilung zitiert.
Die fachliche Empfehlung:
Die Viren konnten zwar in Zellkultur neutralisiert werden, möglicherweise kann der Konsum von Lakritz oder Süßholzwurzelextrakt einen Krankheitsverlauf also günstig beeinflussen. Ob Glycyrrhizin bei der Behandlung von Menschen mit Covid-19 wirksam ist, wurde bisher allerdings noch nicht in Studien untersucht. Pauschal Lakritze essen zur Prävention könne man auf dieser Grundlage aber nicht empfehlen, räumen die Studienurheber selbst ein und verweisen darauf, dass es klinische Studien brauche. Die maximale Tagesdosis von Glycyrrhizin liegt bei 100 Milligramm, das entspreche Krawczyk zufolge je nach Sorte etwa 50 Gramm Lakritz.
4. Abwechslung auf dem Speiseplan: Allgemein gesunde Ernährung schadet nicht
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So oder so: Vollkornbrot ist gesünder als Weißbrot.
© Quelle: Zacharie Scheurer/dpa-tmn
Die Studienlage:
„Es ist wichtig, dass Sie Ihr Immunsystem stetig auf natürliche Weise stärken“, heißt es auf der Informationsseite der Bundesregierung zum Coronavirus. „Durch Bewegung an der frischen Luft und gesunde Ernährung unterstützen Sie Ihre Immunabwehr.“ Achtsam essen schadet also erst mal nicht. Aber schützt das auch ausreichend vor Covid-19 und was meint überhaupt gesund?
Von gesunder Ernährung spricht die Deutsche Gesellschaft für Ernährung etwa, wenn abwechslungsreich gegessen wird, überwiegend pflanzlich, rund drei Portionen Obst und zwei Portionen Gemüse pro Tag, vollkornreich, täglich Milchprodukte wie Joghurt und Käse, nicht mehr als 300 bis 600 Gramm Fleisch pro Woche – und Salz und Zucker in Maßen. Grundsätzlich – auch ohne Pandemie – sei das empfehlenswert.
Die fachliche Empfehlung:
Allgemein sei eine ausreichende Versorgung mit Vitaminen und Mineralstoffen wichtig für die Immunfunktion des Menschen, betont das BfR. Zum Schutz vor Erkältungs- und Atemwegserkrankungen sei darum generell eine abwechslungsreiche Ernährung mit viel vitamin- und mineralstoffreichem Obst und Gemüse wichtig.
Eine gesunde Ernährung allein schützt allerdings nicht ausreichend vor einer Virusinfektion. Auch die Einnahme von Vitamin C und weiteren Vitaminen kann Fachleuten zufolge Infektion und Covid-19 nicht verhindern. Es gibt bislang keine Studien, die das belegen, dass bestimmte Vitamine vor der Krankheit schützen können.
Eine gesunde Ernährung kann Fachleuten zufolge auch keinesfalls eine Impfung oder andere präventive Schutzmaßnahmen ersetzen. „Daher ist es wichtig, dass Sie stets auf die Verhaltensregeln achten, die in der AHA-Formel zusammengefasst sind: Abstand einhalten (mindestens 1,5 Meter), Hygieneregeln beachten (richtiges Husten und Niesen, Händewaschen) und im Alltag eine Maske tragen“, ist daher auch die bisherige Empfehlung des Bundesgesundheitsministeriums.