Wie sinnvoll sind Lockerungen für mit Astrazeneca Erstgeimpfte?
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In einem Impfausweis ist der Eintrag einer Erstimpfung gegen das Coronavirus zu sehen.
© Quelle: Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/ZB
Vollständig Geimpfte und Genesene müssen sich nicht mehr testen lassen und nicht mehr an Kontaktbeschränkungen halten. Auch Reisen könnten für sie unkomplizierter werden. Wenn es nach Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer ginge, sollte es diese Ausnahmen auch für diejenigen geben, die erst einmal mit dem Astrazeneca-Impfstoff geimpft wurden. Mit Blick auf die Sommerferien hatte der Politiker gesagt, er könne sich Erleichterungen für einmalig Geimpfte „sehr gut vorstellen“. Seit die Priorisierung für Astrazeneca bundesweit aufgehoben wurde, ist der Impfstoff von Astrazeneca grundsätzlich für alle Altersgruppen verfügbar.
SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach kritisiert Kretschmers Vorschlag hingegen: Dieser sei „medizinisch nicht haltbar und auch nicht sinnvoll“. Daten aus Großbritannien hätten gezeigt, dass die erste Impfung nur wenig vor einer Infektion schütze, auch der Schutz vor der Weitergabe des Virus sei „eher gering“, so Lauterbach. Aber wie gut schützt eine einzelne Impfdosis der Astrazeneca-Impfung tatsächlich?
Impfschutz geringer als bei mRNA-Impfstoffen
Fest steht: Zwei Impfdosen des Vektorimpfstoffs von Astrazeneca schützen weniger gut vor einer Covid-19-Erkrankung als die mRNA-Impfstoffe von Biontech/Pfizer oder Moderna. Laut einer Analyse bisheriger Daten kommt die Ständige Impfkommission zu dem Schluss, unter Einhaltung des empfohlenen Abstands von zwölf Wochen zwischen beiden Impfungen bestehe eine Wirksamkeit von bis zu 80 Prozent in allen Altersgruppen. Zum Vergleich: Bei den mRNA-Impfstoffen sei von etwa 95 Prozent auszugehen.
Der Hersteller hatte seine Angaben zur Wirksamkeit nach Veröffentlichung der Zulassungsstudien mehrfach korrigiert, sie scheinen zudem vom Impfschema abzuhängen. Als die Europäische Arzneimittelkommission (EMA) Astrazeneca im Januar die bedingte Zulassung erteilte, ging sie von einer Wirksamkeit von 60 Prozent aus und zwar für die Altersgruppe der 18- bis 55-Jährigen. Für höhere Altersgruppen lagen nicht genug Daten vor, um die Wirksamkeit abzuschätzen.
Ende März gab Astrazeneca dann bekannt, es lägen neue Studiendaten vor. Der Hersteller gab nun eine Wirksamkeit der Impfung von 76 Prozent an, die zwei Wochen nach Erhalt der zweiten Impfdosis erreicht werden soll. Für Personen ab 65 Jahren nennt Astrazeneca jetzt sogar eine höhere Wirksamkeit von 85 Prozent, was untypisch ist, da Impfungen in höherem Alter eigentlich eher schlechter als besser wirken.
Asymptomatische Infektionen durch eine Impfdosis nicht verhindert
In einer Untersuchung der Universität Oxford, die die Vakzine zusammen mit Astrazeneca entwickelt hatte, wurde zudem die Auswirkung einer einzelnen Impfdosis ausgewertet. Die Ergebnisse deuten auf eine Wirksamkeit von bis zu 76 Prozent im Zeitraum von drei bis 13 Wochen nach dem Erhalt nur einer Impfdosis hin. Dieser Schutz bezog sich aber nur auf eine Erkrankung: Asymptomatische Infektionen konnten durch eine einmalige Impfdosis nicht effektiv verhindert werden, heißt es in der Studie.
In der gleichen Untersuchung hatte sich außerdem gezeigt, dass die Wirksamkeit der Astrazeneca-Vakzine stark vom Impfschema abhängt. So erzielten zwei Impfdosen eine Schutzwirkung von 81 Prozent, wenn sie im Abstand von mindestens zwölf Wochen verabreicht wurden. Bei einem Impfabstand von weniger als sechs Wochen lag die Schutzwirkung hingegen nur bei 55 Prozent.
Widersprüchlich erscheint hierbei, dass der Schutz nach zwei Impfdosen niedriger als der Schutz nach nur einer Impfdosis lag. Die Autoren weisen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass es sich um Daten aus unterschiedlichen Ländern und aus unterschiedlichen Phasen der Pandemie handele und diese nur bedingt vergleichbar seien.
Impfpriorisierung aufgehoben
Die Ergebnisse der Analyse lassen Lockerungen für nur einmalig Geimpfte auf Grundlage der bisherigen Studienlage als riskant erscheinen. Zumal nach derzeitigem Stand selbst von zweimal mit Astrazeneca Geimpften noch eine Infektionsgefahr ausgehen kann. Zwar ist das Risiko einer Virusübertragung dann stark vermindert, laut RKI können einige Menschen nach Kontakt mit Sars-CoV-2 aber trotz Impfung noch PCR-positiv werden – und dabei auch infektiöse Viren ausscheiden.
Fast die Hälfte der Geimpften könnte weiterhin erkranken
Die Bundesregierung hatte zuletzt entgegen der Stiko-Empfehlung beschlossen, nicht nur die Alterspriorisierung für Astrazeneca aufzuheben, sondern auch kürzere Impfabstände möglich zu machen – obwohl diese die Wirkung der Immunisierung deutlich herabsetzen können. Die Politik hatte damit diejenigen zu einer Impfung bewegen wollen, die diese noch vor einer möglichen Urlaubsreise abschließen möchten.
Geimpfte, die mit Astrazeneca in kurzem Zeitabstand geimpft wurden, sind also nun selbst nur zu etwa 55 Prozent geschützt. Fast die Hälfte von ihnen könnte daher weiterhin symptomatisch erkranken und dann andere anstecken, zusätzlich ist von symptomlosen Infektionen auszugehen. Von der Testpflicht sind die Geimpften aber trotzdem entbunden. Würden nicht nur Geimpfte mit verkürztem Impfabstand, sondern auch unvollständig Geimpfte vom Testen befreit, dann wäre der Schutz für sie selbst und andere noch weiter herabgesetzt.
RND