3‑D-Revolution und blaue Pornos

Welchen Einfluss „Avatar“ auf die Popkultur hatte

„Avatar – Aufbruch nach Pandora“ sahen 2009 viele Kinofans.

„Avatar – Aufbruch nach Pandora“ sahen 2009 viele Kinofans.

Worum es in James Camerons „Avatar“ ging? Um bedrohte Natur, bedrohten Lebensraum auf einem fernen Planeten, der vor der Gier der Menschen bewahrt werden mussten. Zum letzten von insgesamt drei Malen hat man den Film vor mehr als zehn Jahren gesehen. Da gab es einen männlichen Helden, dessen Namen man vergessen hat, der sich in eine blaue Ureinwohnerin verliebte, die nicht Nofretete oder Nefertiti hieß wie die ägyptische Königin. Aber so ähnlich.

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„Avatar 1“: 13 Jahre später muss man Namen und Details nachschlagen

Wenn man sich eingedenk der am Mittwoch anlaufenden Fortsetzung an „Avatar“ erinnert, muss man so einiges bei Wikipedia und der Filmwebsite IMDB nachschauen. Der Protagonist hieß also Jake Sully, die schöne Ureinwohnerin Neytiri, ihr Volk waren die Na’vi, der Planet war in Wahrheit nur ein Mond namens Pandora. Die Gier der „Himmelsmenschen“ war durch Unobtanium geweckt worden, einem unschätzbar wertvollen Mineral. Wie konnte das alles verschüttgehen, wo „Avatar“ doch das Megading 2009 war, technisch, finanziell und überhaupt?

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Damals, im Winter 2009/2010, zog die Neugier praktisch jeden ins Kino. Die Na’vi, die grazilen Katzenleute mit den silbernen Sternensprossen um die Nase, hatten es der Welt angetan. So sehr, dass zumindest für diesen Winter sogar die bis dato erfolgreichste Liebe, die je auf der Leinwand zu sehen gewesen war, dagegen verblasste – das waren Leonardo DiCaprio und Kate Winslet als tragisches Paar auf der dem Eisberg entgegendampfenden „Titanic“ gewesen (auch ein Cameron-Film).

„Avatar“ ist der Oberblockbuster der Filmgeschichte

Die Liebe zwischen Jake (gespielt Sam Worthington) und Neytiri (Zoe Saldana), der Frau vom Planeten Pandora, war ja im Grunde auch viel größer, elementarer. Wo hatte man je erlebt, dass ein Menschenkind für die „Frau“ seines Lebens sogar seine biologische Zugehörigkeit aufgab, stattdessen seinen eigentlich zu üblen Spionage- und Ausbeutungszwecken geschaffenen, mit seiner DNA verknüpften Alienkörper per Magie belebte, mit ihm verschmolz, um hinfort für immer bei der außerirdischen Liebsten sein zu können?

Am 26. Januar 2010 zur Mittagszeit schipperte der am 17. Dezember 2009 gestartete „Avatar – Aufbruch nach Pandora“, wie der Film vollständig hieß, jedenfalls an „Titanic“ vorbei, stand es 1,85 Milliarden Dollar Einnahmen für „Avatar“ (bei sechs Wochen Laufzeit) zu 1,84 Milliarden Dollar für „Titanic“ (damals, 1997, nach zehn Monaten Laufzeit rund um den Globus). Die zwei Milliarden wurden dann schnell geknackt, bis heute ist Camerons Sci-Fi-Fantasy-Opus mit – inflationsbereinigten – Gesamteinnahmen von knapp 3,4 Milliarden Dollar der Oberblockbuster der Filmgeschichte.

3‑D von ungeheurer Schönheit – „Avatar“ war ein superplastisches Versprechen

Dabei war das große Versprechen, das alle lockte, nicht einmal die Space-Lovestory, sondern – 3‑D. „Avatar“ war es, der das superplastische Kino beflügelte wie kein anderer Film. In Zeiten, in denen jeder Streifen parallel in zahllosen Lichtspielhäusern lief und binnen zwei Wochen durchgenudelt war, blieb „Avatar“ monatelang Thema. Die vor 13 Jahren superteuren 14 Euro je Ticket für die 3‑D-Version bezahlte man gern, auch mehrfach. Weil einen die filigranen, quallenartigen Glitzersporen der Pandora-Baumriesen in den Zuschauerreihen eben nicht nur faszinierten, sondern richtig körperlich zu berieseln schienen, weil einen der feuerfarbene Flugdrache Toruk geradezu zum Aufsteigen und Losfliegen einzuladen schien. Weil einen diese Bildtiefe wirklich ansaugte. Man war mittendrin.

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„Avatar“ war nicht der erste 3‑D-Film des digitalen Zeitalters – die zweite große Welle des dreidimensionalen Kinos hatte bereits Mitte der Nullerjahre begonnen. Aber das Erlebnis bei „Avatar“ war monumental und über billige Effekte erhaben: „Avatar“ war ein Film, der – ähnlich wie Pixars im Mai davor gestarteter Animationsfilm „Oben“ – eben nicht mit Plastizität protzte, indem er seinen Zuschauerinnen und Zuschauern permanent irgendetwas ins mählich schmerzende Auge kiekste. „Avatar“ war nicht nur etwas für Science-Fiction-Fans, Fantasyfreunde, Action-Maniacs und Verliebte. Er war eine überwältigende visuelle Erfahrung. Die „Los Angeles Times“ meinte nicht zu Unrecht, der Film habe für die 3‑D-Technologie das getan, was „The Jazz Singer“1927 für den Tonfilm getan hatte.

Und es gab in der Folge sogar „Avatar“-Pornos – animiert oder mit gebläuten Darstellerinnen und Darstellern. „Avatar“ war schlicht die Wundertüte 2009/2010. Der Maßstabsetzer.

„Avatar“ weckte die Sehnsucht nach einem besseren Leben

Der auch noch das sogenannte Post-„Avatar“-Syndrom hervorrief. Menschen fühlten sich nach Sichtung des Films plötzlich leer und verloren – weil sie sich nach James Camerons neuem Garten Eden sehnten. Sie posteten auf der Fanwebsite „Avatar Forums“, dass sie künftig als Aliens durchs paradiesische Pandora segeln wollten, statt weiter durchs irdische Jammertal schreiten zu müssen.

Und sie waren betrübt, dass dies nicht möglich sein sollte. Das 3‑D-„Mittendrin“ im Kinosaal war eben auch nur Illusion, die Grenze zwischen Wirklichkeit und Story blieb auch bei „Avatar“ unüberwindbar wie zuvor. Realistischere Zeitgenossen dieser Hardcore-Depri-Fanschar nutzten den pazifistischen Impuls des Films, um Veränderungen anzustoßen: „Lebt wie Neytiri“, forderte einer, „in Kontakt mit Natur und Umwelt, seid nicht gierig und verschwenderisch.“

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Aus anderen Filmwelten blieb mehr hängen

Warum man trotz des eigentlich tiefen Einschlags von „Avatar“ so viel vergessen hat? Wo man aus dem „Star Trek“-Kosmos doch gefühlt jeden Klingonenkanzler kennt, aus dem „Star Wars“-Universum jeden Jedi, alle Figuren aus Peter Jacksons Mittelerde-Filmen – von Harry Potters Hogwarts-Welt oder den Superhelden des Marvel Cinematic Universe ganz zu schweigen.

Coole Sprüche in „Avatar“? Fehlanzeige. Sammelartikel für Fans? Actionfiguren blieben nicht lange – sie hatten den falschen Maßstab. Schon fünf Jahre nach dem Filmstart wusste das Wirtschaftsmagazin „Forbes“, dass der Film „keinen popkulturellen Fußabdruck hinterlassen hat“. Und ein Quiz trug ein paar Jahre später den provozierenden Titel: „Erinnern Sie sich überhaupt an irgendetwas aus ‚Avatar‘?“

Die Eröffnung von Disneys Themenparkabschnitt bekam man nur am Rande mit

Vielleicht ist der Fußabdruck bisher so flach, weil das Franchise nie eines wurde – nie zu einem Unterhaltungsnetzwerk anwuchs. Die Eröffnung von „Pandora – The World of Avatar“ als Teilbereich von Disneys Themenpark „Animal Kingdom“ in Florida bekam man 2017 nur am Rande mit. Nie jedoch verspürte man den Wunsch, seine „Avatar“-Fantasien mit den Attraktionen eines solchen – angeblich immer gut besuchten, mit Na’vi-Restaurant und Na’vi-Andenkenladen bestückten – Rummelplatzes zu messen.

Weil es eben nur einen Film gab, weil der geneigte Filmfan den Figuren nicht über die Jahre wieder und wider begegnet war wie Luke Skywalker, Captain Kirk oder Harry Potter. Vielleicht dauerte die Pause im Kernmarkt Kino einfach zu lange. Schon im Dezember 2009 war für 2015 ein Sequel versprochen worden, im Frühjahr 2010 waren gleich zwei „Avatar“-Fortsetzungen angekündigt worden, aus denen 2013 drei und 2016 vier Filmvorhaben wurden.

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Aber eben keine Filme. 2017, 2018, 2020 gab es Startdaten für „Avatar 2“, die allesamt verschoben wurden. Ob die Übernahme der „Avatar“-Firma 20th Century Fox durch Disney und Abstimmungen mit Veröffentlichung des „Star Wars“- und des Marvel-Franchise zu den Schwierigkeiten für weitere Verfilmungen zählten, ist spekulativ. Die Pandemie sorgte für eine letzte Verlegung auf Dezember 2022. Jetzt ist es so weit.

Ist noch Platz für ein „Avatar“-Franchise? Und wäre es sinnvoll?

Die nächsten drei „Avatar“-Filme sollen in jedem Fall rascher takten – alle zwei Jahre im Advent ist bis 2028 Na’vi-Zeit. Die Frage bleibt: Ist 2022, wenn auch der 3‑D-Boom weitgehend verhallt und Geschichte ist, noch Platz für ein „Avatar“-Franchise? Und wäre ein Franchise zu einem Originalfilm, der von Ausbeutung handelt und diese kritisiert, nicht Ausbeutung und damit verlogen? Würden sich die Träumer von Pandora durch diesen Widersinn nicht kompromittiert fühlen und sich von Neytiris Welt abwenden?

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Es sind nur wenige der zahllosen Fanforen übrig geblieben, auf denen derzeit vor allem über den am Mittwoch startenden zweiten Film gemutmaßt wird. Aber die Erwartungen sind diesmal anders, nüchterner. Ivar Hill, Betreiber des Internetforums „Tree of Souls“, hält „Avatar: The Way of Water“ nur für einen Film: „Es wird wirklich interessant sein, ihn zu sehen, aber ich zähle nicht die Tage herunter“, sagte er der „New York Times“.

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In zehn Jahren kann man den popkulturellen Fußabdruck überprüfen

Was am Ende aus „Avatar“ geworden sein wird, wissen wir 2032. Vielleicht können wir dann wie aus der Pistole geschossen die Namen der Kinder von Jake und Neytiri herunterrattern, wissen, wie Sigourney Weaver im ersten Film hieß und wie im zweiten, kennen die 13 anderen Monde des Planeten Polyphemus. Und können auf die Sekunde genau sagen, wie lange es Kate Winslet in der Rolle der spirituellen Na’vi-Führerin Ronal unter Wasser aushielt.

Nämlich sieben Minuten und 14 Sekunden. Womit sie Tom Cruise, dem Rekordhalter seit 2011 (sechs Minuten für „Mission: Impossible – Rogue Nation“), eine lange Nase machte.

„Avatar: The Way of Water“, 192 Minuten; Regie: James Cameron; mit Zoe Saldana, Sam Worthington, Kate Winslet, Sigourney Weaver, Stephen Lang, Giovanni Ribisi, Bailey Bass (ab 14. Dezember in den Kinos)

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