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Rock 'n' Roll für die Toten

Trauer, Trotzen, volle Kraft – das neue Album der Foo Fighters

„Älterwerden ist sowieso cool“: Dave Grohl (52).

Ein Album über den Tod und das Licht am Ende der Trauer: Dave Grohl und seine Foo Fighters veröffentlichten am 2. Juni „But Here We Are“.

„Wir warten alle darauf, heute Nacht gerettet zu werden“, singt Dave Grohl im Song „Rescued“. Singt darüber, aus der Finsternis wieder ans Licht zu wollen, im Licht zu tanzen, frei zu sein. Das Lied ist ein hochmelodischer Gitarrentsunami, der nur für ein paar Sekunden innehält, um Grohls Worten den nötigen Nachdruck zu verleihen, und der dann machtvoll an sein Gestade stürmt.

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„Es kam wie ein Blitz“ – Lieder der Trauer um Taylor Hawkins

Das Eingangsstück des neuen Foo-Fighters-Albums, das am 2. Juni erschien, ist ein Lied über das, was der Band im vorigen Jahr zustieß. Über die Tragödie, derenthalben die Foo Fighters errettet werden mussten. Die Tragödie, die dann über dem gesamten elften Studioalbum der kalifornischen Band hängt. Die in die Worte „Es kam wie ein Blitz / es kam aus dem Nichts / es passierte so schnell“ gefasst werden.

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Die Foo Fighters verloren Taylor Hawkins, der ein Vierteljahrhundert ihr Schlagzeuger war, seit er 1997 bei den Sessions zum Album „There Is Nothing Left to Lose“ (erschienen 1999) dabei war. Den enthusiastischen Hawkins, der sich auf der Bühne Schlagzeugduelle mit Dave Grohl lieferte oder ans Mikrofon ging, um Queens „Somebody to Love“ zu singen, während Grohl am Kit ackerte.

Ein Rock-‘n‘-Roll-Derwisch, der im März des vorigen Jahres wenige Stunden vor dem geplanten Konzert tot in seinem Hotelbett in der kolumbianischen Hauptstadt Bogotá gefunden wurde, mit Antidepressiva und Opioiden im Blut. Die Band war am Boden zerstört, viele Fans glaubten, die Foo Fighters würden darüber auseinanderbrechen. Und auf vielen Songs klingt Grohl auch so frenetisch in seinem Gesang, als wolle er damit die Entscheidung, weiterzumachen, vor den Fans rechtfertigen.

Ein Album der Selbstverortung und des Zusammenhalts

Der Titel des Songs, „Rescued“ – gerettet –, deutet nun an, dass der Scheitelpunkt der Krise bereits überschritten sein könnte. Der Titel des Albums „But Here We Are“ (Und doch sind wir hier), des Nachfolgers von „Medicine at Midnight“ (2021), ist eine Selbstverortung, ein „Trotzdem“, ein positives Statement des Zusammenhalts.

Noch einen Verlust gab es: Im Sommer starb Grohls Mutter. Diesen beiden ist die abermals vom einstigen Jazzpianisten und neunfachen Grammygewinner Greg Kurstin (Adele, Pink, Paul McCartney) und der Band selbst produzierten Platte gewidmet. Trauerarbeit in Songs – das glaubten damals viele schon im Foo-Debüt erkannt zu haben, dessen Lieder aber, wie Grohl versicherte, allesamt vor Kurt Cobains Tod geschrieben worden waren.

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Diesmal kamen erst die Texte, die Öffentlichkeit blieb fern

Gegründet nach dessen Selbstmord und anfangs ein Soloprojekt, wuchsen die Foo Fighters in den fast 30 Jahren ihres Bestehens zu einer der bedeutendsten und erfolgreichsten Rockbands der Welt heran. Mit einem ganz anderen, deutlich positiveren Image als Nirvana. Beim neuen Album aber war alles anders als sonst.

Kaum etwas drang von den Sessions an die Öffentlichkeit, ungewöhnlicherweise für die Band kamen erst die Texte, dann die Musik. Inzwischen wurde zwar Josh Freese in einem humorvollen Pseudocasting-Video als Hawkins’ Nachfolger vorgestellt, auf dem Album aber ist es Grohl, der für und anstelle von Hawkins trommelt.

Was, wenn die Stimmen der Toten im Kopf verloren gehen?

Ein Schrammeln, ein gitarrenes Glitzern, dann wird gerockt: „Hearing Voices“ ist der Erinnerung an die verloren gegangenen Stimmen geliebter Menschen gewidmet, die man aus dem Kopf zu verlieren fürchtet: „Sprich zu mir, meine Liebe“, barmt Grohl. „Spät in der Nacht sage ich zu mir selbst, dass nichts, was so gut war, für immer dauern kann.“

Als akustische Schönheit beginnt auch „The Glass“, das, als dann die E‑Gitarren ihr Haupt erheben, wie eine aufgerüstete Beatles-Ballade klingt. „Ich sehe mein Spiegelbild in dir / dein Spiegelbild in mir / wie kann das sein?“, fragt Grohl voller Trauer. Und: „Ich hatte einen Menschen, den ich liebte, und – einfach so – muss ich nun ohne ihn leben.“

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Wenn ein Elternteil alt stirbt, spürt das erwachsene Kind, wie es selbst an den Rand des Lebensabgrunds rückt, zur nächsten Generation wird, die auf ihre späte, letzte Lebensphase zusteuert. „Alles, was wir lieben, muss altern“, bedauert Grohl in „Beyond Me“ und fragt sich, was nach ihm kommen mag.

Und widmet dann den Pink-Floyd-folkig anhebenden, mehrfach Rhythmus und Charakter ändernden Zehnminüter „The Teacher“ seiner Mutter. „Ein Schritt näher zur anderen Seite“, beginnt Grohl mit einem Flüstern und schreit am Ende wieder und wieder sein „Goodbye!“ in ein sonisches Kratzen, mit dem der Song dann abrupt stoppt.

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Es wird gerockt – Sound und Worte stehen in Kontrast zueinander

Die Kraft und Wucht des Sounds korrespondieren nicht mit dem Lamento und der inneren Einkehr der Worte. Es scheint, als hätte die Band den Kontrast geradezu gesucht, um Erwartungen zuwiderzulaufen, um die Traurigkeit zu brechen und um ihrem Schlagzeuger ein würdiges Denkmal zu setzen.

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Die Songs wirken elaboriert, sie gehen ins Ohr und ins Gemüt, sie umarmen und helfen Fans mit ähnlichen Erfahrungen, und sie lärmen ungestüm – in Erwartung der Bühnen von Rock am Ring, Rock im Park und der ganzen Welt.

Die Foo Fighters beenden ihr Album melancholisch und tröstlich mit „Rest“, einem schleppenden Epitaph: „Ruhe jetzt – du kannst nun ruhen, du bist jetzt sicher“, versichert die Band ihren Toten. Ein Seufzer. Für Grohl und die anderen geht es weiter. Die Foo Fighters sind hier – allem zum Trotz. Sie sind gerettet.

Foo Fighters „But Here We Are“ (RCA ) erschien am 2. Juni.


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