Johannes Ebert über Solidarität im Schlachtenlärm

Generalsekretär des Goethe-Instituts: „Wir versuchen in der Ukraine zu helfen, wo immer wir können“

„Wir können die Menschen in dieser schwierigen Situation doch nicht enttäuschen“: Johannes Ebert, Generalsekretär des Goethe-Instituts.

„Wir können die Menschen in dieser schwierigen Situation doch nicht enttäuschen“: Johannes Ebert, Generalsekretär des Goethe-Instituts.

Johannes Ebert ist von Haus aus Orientalist. Der Generalsekretär des Goethe-Instituts kennt sich aber auch bestens in Kiew und Moskau aus: Ebert, 1963 geboren, hat über viele Jahre die dortigen Dependancen des Goethe-Instituts geleitet, das in 98 Ländern die deutsche Sprache lehrt, kulturelle Zusammenarbeit fördert und ein aktuelles Deutschland-Bild vermitteln will.

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Herr Ebert, Sie kennen beide Seiten in diesem Konflikt: Hätten Sie je geglaubt, dass es zu einem Krieg zwischen Russland und der Ukraine kommt?

Von 1997 bis 2002 habe ich das Goethe-Institut in Kiew geleitet, von 2007 bis 2012 dasjenige in Moskau. Auch danach habe ich immer den Kontakt gehalten. Und doch hätte ich diesen Krieg nie für möglich gehalten. In den Neunzigerjahren war die Hoffnung in dieser Region der Welt groß. Da war viel Aufbruchs­stimmung zu spüren. Als dann die Annexionen von Krim und vom Donbass kamen, war zu merken, dass sich die Ukraine stark von Russland entfernte und nach Europa ausrichtete – was genauso für die Kulturszene galt. Aber dass diese Spannungen in einem Krieg enden …

+++ Alle Entwicklungen zu Putins Krieg in der Ukraine im Liveblog +++

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Wie würden Sie das jetzige Verhältnis zwischen Ukrainern und Russen beschreiben?

Viele Menschen in der russischen Gesellschaft sprechen sich trotz aller Gefahr für sie gegen den Krieg aus. In einem Brief auf der Internetplattform des Radiosenders Echo Moskwy haben rund 300 Kulturschaffende gegen diese Eskalation protestiert. Aber wir kennen genauso Umfragen, wonach viele Russinnen und Russen von der Aggression des Westens überzeugt sind. Das hat gewiss auch mit der Kontrolle der russischen Medien durch die Regierung zu tun. Ich glaube aber nicht, dass es eine grundsätzliche Feindseligkeit gibt, auch wenn das mitten im Krieg seltsam klingen mag.

Viele deutsche Kulturinstitutionen brechen die Brücken zu Russland ab, etwa die Deutsche Forschungs­gesellschaft oder die Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Das Goethe-Institut macht weiter. Warum?

In der Tat haben große Kulturinstitutionen ihre gemeinsamen Projekte mit Russland eingestellt. Aber man muss sehen, dass etwa die Stiftung Preußischer Kulturbesitz intensiv mit den großen staatlichen Organisationen zusammengearbeitet hat – beispielsweise mit der Eremitage in St. Petersburg. Es ist richtig, solche sozusagen offiziellen Kooperationen zu beenden. Mit dem Goethe-Institut ist das etwas anderes.

Inwiefern?

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Wir sind seit bald 30 Jahren mit drei Instituten in Moskau, Nowosibirsk und St. Petersburg vertreten. Wir sind eng vernetzt mit der Kulturszene, mit der Zivilgesellschaft, vor allem auch mit jungen Menschen. Solche Netzwerke sind jetzt besonders wichtig: Auswärtige Kulturpolitik hat auch die Aufgabe, für die Menschen da zu sein, damit sie sich nicht gänzlich isoliert fühlen – und das gilt besonders für diejenigen, die so mutig sind, diesen Krieg zu brandmarken. Allerdings hat sich auch unsere Arbeit geändert: Wir haben alle öffentlichen Veranstaltungen in Russland abgesagt. Wir arbeiten auch nicht mehr mit staatlichen Stellen zusammen.

Wie können Sie die Position jener russischen Kulturschaffenden stärken, die sich gegen den Krieg aussprechen?

Wir sind in ständigem Kontakt mit all unseren Partnern. Dadurch zeigen wir unsere Solidarität. Wir setzen unsere Arbeit fort, solange das möglich ist. Wir stehen dazu natürlich in engem Austausch und telefonieren beinahe stündlich.

Gängelt die russische Regierung das Goethe-Institut?

Momentan verspüren wir keinen aktiven Druck. Was wir registrieren, ist, dass manche unserer Partner sich uns gegenüber zurückhalten – was entweder mit den deutschen Sanktionen gegenüber Russland zusammenhängt oder mit der Furcht, dann selbst unter Druck der Regierung zu geraten. Andere sagen klipp und klar: Wir wollen, dass das Goethe-Institut bleibt, und wir wollen den Kontakt.

Das Goethe-Institut hält seine Arbeit auch in der Ukraine aufrecht. Wie lässt sich inmitten des Kriegslärms Deutsch lernen?

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Wir führen digitale Sprachkurse durch. Unsere Kollegen sitzen im Homeoffice, etwa die Hälfte davon in Deutschland, im Ausland oder in der Westukraine. In Kiew halten sich noch rund 60 Goethe-Mitarbeiter auf. Gott sei Dank ist bislang niemandem etwas passiert. Wir werden so lange Sprachkurse anbieten, wie unsere Lehrerinnen und Lehrer dazu bereit sind und so lange die Menschen in der Ukraine das wünschen. Viele wollen Deutsch lernen und zumindest ihren aktuellen Kursus zu Ende bringen. Wir können diese Menschen in dieser schwierigen Situation doch nicht enttäuschen.

Wie können Sie Ihre Mitarbeiter vor Ort konkret unterstützen?

Wir haben zum Beispiel Gehaltsvorschüsse für die Kolleginnen und Kollegen gezahlt und gleichen Währungsverluste gegenüber dem Euro aus. Wir stehen mit allen in ständigem Kontakt und versuchen dort zu helfen, wo immer wir können. Allerdings muss man sagen, dass gerade in Kiew unsere Möglichkeiten derzeit begrenzt sind. Wir haben aber auch unsere Goethe-Institute in Rumänien und Polen gebeten, sich um diejenigen Mitarbeiter zu kümmern, die dort ankommen. Und das geschieht bereits nach Kräften.

Wie wird es nach dem Krieg mit dem Kulturaustausch weitergehen?

Schwierige Frage. Begegnungen von Menschen sind in jeder Situation wichtig. Aber wie wir unsere Arbeit fortsetzen können, wird entscheidend davon abhängen, was für ein Land die Ukraine und Russland dann sind.

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Sie sind Kulturvermittler. Empfinden Sie einen Krieg wie diesen als eine Niederlage für die Kultur?

Man sollte da sehr genau unterscheiden. Die russische Regierung hat diese Eskalation lange geplant und den Krieg dann auch begonnen. Dennoch haben wir über viele Jahre Bindungen in die Zivilgesellschaft, die Kulturszene und mit der Bevölkerung gestärkt, Kontakte gestiftet und ein gemeinsames Verständnis in gesellschaftlichen Dingen entwickelt: Das alles wird über diesen Krieg hinaus wirken und ist keinesfalls zu unterschätzen. Von einer Niederlage der Kultur würde ich deshalb nicht sprechen. Aber ich bin als Mensch, der dort gelebt und Freunde hat, sehr traurig über diese Situation.

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