Harry Belafonte: Ungerechtigkeit ertrug er nicht
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/MFMHVTHLOFELRFUDG2C7FBDIFY.jpg)
Der US-Sänger, Schauspieler und Bürgerrechtler Harry Belafonte.
© Quelle: imago/Future Image
Wer das Glück hatte, ihn in seinen späteren Jahren zu treffen, war überrascht: Mochte auch ein Schlaganfall Harry Belafontes Gleichgewichtssinn beeinträchtigt haben, so funkelten doch seine Augen unter der Baseballkappe. Die weißen Zähne blitzten. Dieser alte Herr steckte voller Energie.
Nur seine Stimme klang rau wie Schmirgelpapier: Wie hatte er bloß mit diesen Stimmbändern über all die Jahrzehnte den „Banana Boat Song“ gesungen, jenes Lied, das die karibische Calypso-Musik weltweit populär gemacht hatte? Nun ist der US-Sänger, Schauspieler und Bürgerrechtler Harry Belafonte im Alter von 96 Jahren gestorben.
150 Millionen Platten verkaufte er in seinem langen Leben. Dieses war voll von Karibik-Songs, Folk und Swing. Vor allem aber drehte es sich um politische Kämpfe – gegen den Vietnam-Krieg, gegen den Hunger in Äthiopien, gegen die Stationierung von Mittelstreckenraketen in Europa und für die Bedrängten, etwa für den Griechen Mikis Theodorakis und den Südafrikaner Nelson Mandela.
Bei der Bürgerrechtsbewegung vorne dabei
Noch im hohen Alter engagierte sich Belafonte für Unicef und für die heute beinahe vergessene, antikapitalistische Occupy-Bewegung – so wie er sich einst für die schwarze Bürgerrechtsbewegung eingesetzt hatte. In den Sechzigern war Harry Belafonte bei deren Märschen ganz vorne dabei.
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/PO2X4MFVLRCALJD6C2HZFV4RAM.jpeg)
Der damalige UN-Botschafter Harry Belafonte unterhält sich bei seinem Besuch eines Slums mit Kindern in Kenia.
© Quelle: Morrison/epa/dpa
Ungerechtigkeit konnte er nicht ertragen. „Das ist in meiner DNA so gespeichert“, hat er gesagt. Seine Antriebskraft wusste Belafonte klar zu benennen: die Armut, die der 1927 im New Yorker Getto Harlem Geborene am eigenen Leib erfahren hat. Die Erinnerung an sie verlor er nie, auch wenn er es sich später leisten konnte, mit seiner Frau Pamela in Fünfsternehotels zu nächtigen.
Von der Armut handeln auch viele seiner Songs. Niemand sollte den „Banana Boat Song“ als Folklore abtun. Tatsächlich erzählte das Lied von hart arbeitenden Menschen, wie sie Belafonte im jamaikanischen Kingston während seiner Kindheit kennengelernt hatte. Nachts beluden die Arbeiter die Schiffe der American Fruit Company und sehnten in ihren Liedern das Tageslicht herbei. Dann erst durften sie erschöpft nach Hause gehen.
Der Rassismus durchzog Belafontes Leben: Er war schon ein gefeierter Star in Las Vegas, da bekamen Schwarze immer noch ihre eigenen Toiletten zugeteilt. 1964 flog er zusammen mit seinem alten Kumpel Sidney Poitier nach Mississippi. 70.000 Dollar in einer Ledertasche für die Registrierungskampagne der schwarzen Wahlberechtigten hatten sie dabei – und im heißen Süden lauerte der Ku-Klux-Klan auf die beiden.
In einem Gespräch in Belafontes eigener Fernsehshow hatte ihm Martin Luther King einmal gesagt. „Es kommt nicht darauf an, wie lange du lebst, sondern wie sinnvoll dein Leben ist.“ Kurz darauf wurde King ermordet.
Belafonte, Kennedy, Mandela
Es gibt viele Fotos von Belafonte mit Berühmtheiten: Belafonte mit John F. Kennedy, mit Eleanor Roosevelt oder Nelson Mandela, Belafonte mit Marlon Brando, Frank Sinatra oder Tony Curtis. Viele waren seine Freunde, manche wie Miriam Makeba und Bob Dylan hatte er entdeckt und gefördert.
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/PMAGK7VQW5B4VHJJCRMAHA2TNI.jpeg)
Harry Belafonte (rechts) mit James Foreman (links), damaliger Exekutivsekretär des Student Nonviolent Coordinating Committee, und Bürgerrechtsführer Martin Luther King Jr.
© Quelle: Horace Cort/AP
Wenn es darum ging, eine gute Sache voranzutreiben, spannte er seine Freunde schamlos ein. „Selbstsüchtige Stars kann ich nicht leiden“, sagte er. Man müsse seine Popularität zum Wohl der Menschen nutzen.
Mit dem Rassismus in seinem Land war Belafonte bis zu seinem Lebensende nicht fertig, mit Armut, Ungleichheit und Ausbeutung erst recht nicht. Harry Belafonte war ein zorniger alter Mann unter einer Baseballkappe, wie er freundlicher kaum sein konnte.