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20 Jahre Rechtschreibreform

„Alle sollten richtig schreiben“

ARCHIV - Eine Schülerin der 6. Klasse einer Grundschule in Frankfurt/Oder (Brandenburg) zeigt im Deutschunterricht auf das Wort Rechtschreibreform im Duden, aufgenommen am 28.02.2006. Foto: Patrick Pleul/dpa (zu dpa " Zehn Jahre Rechtschreibreform an Schulen - Ist jetzt alles erlaubt?" vom 30.07.2015) +++(c) dpa - Bildfunk+++ | Verwendung weltweit Rechschreibreform

ARCHIV - Eine Schülerin der 6. Klasse einer Grundschule in Frankfurt/Oder (Brandenburg) zeigt im Deutschunterricht auf das Wort Rechtschreibreform im Duden, aufgenommen am 28.02.2006. Foto: Patrick Pleul/dpa (zu dpa " Zehn Jahre Rechtschreibreform an Schulen - Ist jetzt alles erlaubt?" vom 30.07.2015) +++(c) dpa - Bildfunk+++ | Verwendung weltweit Rechschreibreform

Hannover. Der Westermann-Verlag in Braunschweig ist einer der großen deutschen Schulbuch-Verlage. Als Verlagsleiterin ist Andrea Watermeyer also Expertin für Veränderungen in der Rechtschreibung.

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Frau Watermeyer, vor 20 Jahren, am 1. August 1998, ist die lange umstrittene Reform der Rechtschreibung in Kraft getreten. War das aus heutiger Sicht eine gute Entscheidung?

Ja. Die Reform hat zu deutlichen Vereinfachungen geführt. Davor gab es sehr viele Ausnahmen von der regulären Schreibweise. In der Schule hatten die Kinder mit vielen Lernwörtern zu tun, deren Schreibweise sie sich einzeln einprägen mussten. Seit der Reform sind Ausnahmen weggefallen und mehr Schreibungen folgen klaren Regeln.

Welche denn zum Beispiel?

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Unter anderem ist geregelt, dass der Wortstamm immer erhalten bleibt. In der alten Rechtschreibung wurde etwa das Wort „Sauerstoffflasche“ mit drei f geschrieben, das Wort „Schifffahrt“ aber nur mit zwei f, weil ein Vokal folgte. In der neuen Rechtschreibung bleiben beide Wörter in ihrer Stammform erhalten – im zweiten Beispiel also „Schiff“ und „Fahrt“ –, sodass nun beide Wörter mit drei f geschrieben werden. In diesem Fall müssen sich die Kinder keine Sonderregel mehr merken.

Die Reform hat also dazu geführt, dass es einfacher ist, richtig zu schreiben. Trotzdem haben heute gerade viele Eltern den Eindruck, dass ihre Kinder sehr unsicher in der Rechtschreibung sind. Liegt das vielleicht gerade daran, dass die keine Wörter mehr lernen müssen?

Nein, sicher nicht. Das eine hat mit dem anderen wahrscheinlich gar nichts zu tun. Es hat sich auch gesellschaftlich viel verändert. Oftmals wird richtige Rechtschreibung nicht mehr für so wichtig erachtet wie früher. Vielleicht wissen auch die Eltern nicht, wie man richtig schreibt, weil sie zum Teil nach der alten Schreibweise gelernt haben. Es gab ja viele Widerstände gegen die Reform: Viele hielten weiterhin an der alten Rechtschreibung fest, auch viele Zeitungen. Das führte zu Widersprüchen.

Gibt es diese Widersprüche immer noch?

Es hat die Reform einer Reform stattgefunden, einige Regeln wurden wieder zurückgedreht oder aufgeweicht. Wir haben an vielen Stellen also zwei Schreibweisen, die richtig sind. Das macht es nicht leichter.

Wäre es da nicht vernünftig, sich in einer weiteren Reform auf nur eine Version festzulegen?

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Natürlich wäre das zunächst einfacher. Die Rechtschreibung ist fortwährend änderungsbedürftig. Ein Problem der Rechtschreibreform war aber, dass sehr viel auf einen Schlag gemacht wurde. Sie kam ziemlich abrupt und enthielt wenig Kompromisse.

Wie wählen Sie jetzt die richtige Schreibweise für Ihre Lehrbücher aus?

Wir richten uns nach der Duden-Schreibweise: Wir nehmen die Rechtschreibung in unsere Bücher, die der Duden durch Hervorhebung favorisiert.

Die richtige Schreibweise wird also im Zweifelsfall von der Redaktion des Duden bestimmt?

Das war so bis zur Rechtschreibreform. Der Duden hat vor der Reform immer Anpassungen der Schreibweisen vorgenommen. Darum schreiben wir jetzt „Tür“ ohne h. Goethe hat noch mit h geschrieben. Mit jedem neuen Duden gab es nicht nur neue Wörter, auch die Schreibweise änderte sich nach und nach. Heute finden Anpassungen der Rechtschreibung durch Beschluss der Kultusministerkonferenz und durch den Rat für Rechtschreibung statt.

Wer also an seinem Schulwissen festhält, schreibt irgendwann falsch?

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Vermutlich ja: Wenn man sich nicht beruflich an eine neue Rechtschreibung anpassen muss, wird man wohl eher sein altes System pflegen, als sich anzupassen.

Was sind derzeit die häufigsten Fehler?

Neben der Groß- und Kleinschreibung sowie der Getrennt- und Zusammenschreibung wird vor allem das „dass“ mit zwei ss immer weniger richtig geschrieben. Ich beobachte, dass das „dass“ häufig nur mit einem „s“ geschrieben wird und auch häufig ohne das Komma davor. Dann ist die grammatische Konstruktion eines Satzes oft schwerer zu erkennen und damit der Sinn des Satzes schwer zu erfassen.

Sie sagten, die gesellschaftliche Wertschätzung der Rechtschreibung nimmt ab. Halten Sie diese Tendenz für richtig?

Ich fände es gut, wenn alle richtig schreiben würden und sich auch im täglichen Umgang bei E-Mails und Kurznachrichten ein bisschen mehr Mühe damit geben würden. Richtige Rechtschreibung macht einen Text leichter lesbar und damit verständlicher. Sie dient letztlich dazu, dass Menschen sich besser verstehen.

Zur Person

Andrea Watermeyer ist als Verlagsleiterin bei Westermann in Braunschweig verantwortlich für das Grundschulprogramm. Sie ist 1958 in Bonn geboren und gelernte Gymnasiallehrerin mit den Fächern Mathe und Physik.

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Von Stefan Arndt

HAZ

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