AC/DC-Urgestein Angus Young: „Alle waren froh, sich wiederzusehen“
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AC/DC-Gitarrist Angus Young.
© Quelle: A. Havergo/Imago Images/Future Image
Eine der obersten Rock-’n’-Roll-Regeln, lautet: Stirbt der Sänger, stirbt auch die Band. Nicht so bei AC/DC. Nach dem Tod von Sänger Bon Scott fanden die Gitarristen Angus und Malcolm Young 1980 in dem Briten Brian Johnson einen adäquaten Nachfolger. Und das Album „Back in Black“, das nur 363 Tage nach dem Bon-Scott-Finale „Highway to Hell“ erschien, wurde das mit Abstand meistverkaufte in der Karriere der Australier.
Mitte der Zehnerjahre schien es für die Australier dann aber endgültig vorbei zu sein. Malcolm, Gründer und Lordsiegelbewahrer von AC/DC, war schon beim Vorgängeralbum „Rock or Bust“ (2014) nicht mehr dabei. Er litt an Demenz und wurde durch seinen Neffen Stevie ersetzt, 2017 starb er. Schlagzeuger Phil Rudd hatte schwere Probleme mit Drogen und dem Gesetz, an seiner Stelle nahm bei der „Rock or Bust“-Tour Chris Slade auf dem Trommlerschemel Platz. Die Konzerte musste Brian Johnson dann im März 2016 von einem Tag auf den anderen wegen Ertaubungsgefahr abbrechen. Und Bassist Cliff Williams verabschiedete sich, nachdem die Tour mit Guns N’Roses-Frontmann Axl Rose am Mikrofon zu Ende gebracht werden konnte, in den Ruhestand.
Nie schienen AC/DC so am Ende wie damals. Aber erneut sind sie zurück. Alle Probleme scheinen passé, das neue Album „Power Up!“ steht seit heute in den Läden. Es ist AC/DCs Back in Black 2.0. Angus Young ist am Telefon, der 65-Jährige ist bester Dinge. Es ist, so sagt er, „ein wunderbarer Oktobertag hier in in der Nähe von Sydney“.
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Angus Young, Erstaunlich jung und frisch klingen AC/DC auf „Power Up“.
Die Herausforderung ist jedes Mal – es muss AC/DC sein. Unser Sound, den nur wir können. Am Ende waren wir glücklich. Wir hatten das Ziel erreicht. Alle waren total hingebungsvoll im Studio. Und das hört man am Ende auch.
Jeder dachte nach der „Rock or Bust“-Tour, dass es das letzte Album, die letzte Tour war. Alles war auseinandergeflogen. Wie kam die Band wieder zusammen?
Erst mal musste ich mich selbst an die Kandare nehmen. Es war an mir, mich ins Archiv reinzufuchsen. Ich suchte die Sachen raus, von denen ich und auch Malcolm damals gedacht hatten, dass sie starke AC/DC-Tracks abgeben würden. Als ich dann eine ordentliche Sammlung von Songs zusammen hatte, aus denen das Album werden sollte, nahm ich Kontakt zu Brian, Cliff, meinem Neffen Stevie und Phil auf. Sie waren total von der Idee eines neuen Albums angetan und wollten alle dabei sein. Und das war ausschlaggebend. Erst recht, als wir dann im Studio ankamen. Alle waren froh, sich wiederzusehen. Alle waren froh, miteinander arbeiten zu können. Es war kein großes Ding, es fühlte sich ganz normal an.
Hört man auf „Power Up“ noch originale Gitarrenparts Ihres Bruders Malcolm?
Nein, Malcolm ist auf „Power Up“ nicht direkt zu hören. Ich dachte, das wäre nicht in Ordnung, da jetzt Originalstückchen von ihm reinzupuzzeln. Technisch wäre das überhaupt kein Problem gewesen, und Malcolm war ja ein einzigartiger Gitarrist. Aber ich weiß, auch er würde das nicht gewollt haben. Wir haben das, was Malcolm und ich uns beide damals zusammen ausgedacht haben, benutzt und es neu eingespielt. Auf „Power Up“ sind unsere gemeinsamen Ideen in neuer Ausprägung.
Zum dritten Mal in Folge arbeiten AC/DC mit dem amerikanischen Produzenten Brendan O’Brien zusammen. Es herrscht offenbar großes Vertrauen.
Mit Brendan kann man wirklich sehr gut zusammenarbeiten. Als er hörte, dass ich nach Sachen grabe, und dass die Band komplett an Bord ist, war er sehr glücklich, auch wieder dabei zu sein. Brendan hat ein total gutes musikalisches Gespür für uns, was vor allem daran liegt, dass er selbst ein außerordentlicher Musiker ist – er kann Piano, Gitarre, spielt ganz verschiedene Instrumente. Er erkennt einen guten Song und weiß, was AC/DC ausmacht. Er ist im Studio nicht nur der Chef, er ist zugleich dein erstes Publikum. Wenn er sagt: „Ihr habt den Song gemeistert“, ist auf sein Urteil absolut Verlass.
Die Sessions werden von Beteiligten als sehr familiär beschrieben. Ist dieses Gefühl für AC/DC wichtig?
Uneingeschränkt. Und wenn du weit weg von Zuhause arbeitest, dann schweißt ein Essen nach Hausmacherart alle noch viel mehr zusammen. Meine Frau Ella ist eine richtig gute Köchin und es machte ihr Spaß für die ganze Bande zu kochen. Man sagt immer: „Ein Heer marschiert auf seinen Bäuchen“.
Im Herbst 2018 war „Power Up“ im Prinzip bereits fertig gemixt. Warum dauerte es noch einmal zwei Jahre bis zur Veröffentlichung?
Nachdem wir fertig waren, hat uns Brendan nach Hause geschickt. Er sagte zu mir: „Lass etwas Zeit verstreichen, hör' es dir nach einer Weile noch mal an und schau, wie sehr es dir danach noch gefällt.“ Das tat ich, und als ich dann alles noch mal durchhörte, hatte ich schon einige Änderungswünsche. Nichts Großes, nur hier und da eine kleine Korrektur. Interessanterweise hatte Brendan genau an denselben Stellen Vorschläge bezüglich der Abmischung. Dazu ging es also noch mal ins Studio. Brendan nahm dann auch noch ein paar Änderungen mit Brian bezüglich des Gesangs vor. Dann kam die Plattenfirma ins Spiel, die wollten es dann wieder ein paar Leuten vorstellen. Es zog sich. Man setzte sich schließlich zusammen, um Marketingmaßnahmen zu besprechen und schmiedete den Plan, „Power Up“ gleich am Anfang des Jahres 2020 rauszubringen. Wir drehten ein Video in Amsterdam und machten ein paar Rehearsals. Im Studio hatte diese neue Hörtechnologie prima funktioniert, jetzt wollten wir das mal auf der Bühne ausprobieren, um herauszufinden, ob wir wieder Konzerte geben konnten. Auch das klappte, und wir waren ziemlich euphorisch. Dann wollten alle noch mal ein paar Tage nach Hause bevor der Trubel losging. Und kaum waren wir zu Hause, versank die Welt in der Pandemie. Alles war mit einem Schlag verändert, alle Pläne zunichte.
Und so gibt es seit Freitag zum 16. Mal seit 1975 mehr vom selben, genau so wie es der AC/DC-Fan verlangt. Seit dem Debüt „High Voltage“ ist der bluesbasierte, metalgehärtete Rock ’n’ Roll im Sound nahezu unverändert geblieben. Weshalb auch ruhig zwei Jahre verstreichen können, ohne dass der Zeitgeschmack von der Band nicht mehr getroffen wird. Die erste Single „Shot In The Dark“ hat Hitqualitäten wie keine AC/DC-Auskopplung seit „Thunderstruck“ von 1990 mehr. „Wild Reputation“, „Kick You When You’re Down“ oder „Demon Fire“ das entfernt an den Bandklassiker „Whole Lotta Rosie“ erinnert, sind stampfende Mitgrölsongs, wie sie schon lange auch von Leuten gefeiert werden, deren Musikgeschmack sonst von Helene bis Fischer reicht. Mit „Reject“ ist ein lyrischer Rücksturz in die Zeit enthalten, als AC/DC als Garanten fürs Geschmacklose, als Untergang des Abendlandes, als Rock-’n’-Roll-Gottseibeiuns des Establishments galten. Der Protagonist von „Rejection“ fordert, dass sich die Frau gefälligst in seine Wünsche fügen möge, sonst werde es ihr schlecht ergehen. Für den ähnlich gelagerten antifeministischen Text von „Run For Your Life“ schämte sich Beatle John Lennon schon 1965. Angus Young ficht das nicht an. Er freut sich offenbar diebisch, ein unkorrektes Statement abzuliefern.
„Reject“ ist definitiv kein Song für #MeToo-Zeiten.
Das ist so ein Böse-Buben-Song, etwas, das wir öfter gemacht haben, als wir noch jünger waren. Er erinnert mich ein bisschen an „Problem Child“ von „Dirty Deeds“. So von Zeit zu Zeit werde ich ein bisschen boshaft und dann kommt noch mal so ein schonungsloses Ding dabei raus (lacht).
Auch diesmal gibt es keine Balladen, keine Lovesongs. Wenn aber je ein AC/DC-Song in Popnähe war, dann „Through The Mists Of Time“, ein Lied, in dem von „dunklen Schatten“, „dunklen Pferden“, „Bildern, die hängen und fallen“, die Rede ist. Ist das Vergangenheitsbewältigung à la AC/DC, ein Lied der Trauer?
Man könnte das so sehen. Geschrieben wurde es aber nicht mit dieser Absicht. Es sollte kein persönliches Tiefendings werden – eher ein Song wie ein Puzzle über Bilder, die sich nicht von selbst erklären, ein Verwirrspiel. Malcolm sagte immer, es sei total verrückt, wie Leute in den Gemälden in Museen verschiedene Dinge hineininterpretieren. Schau dir nur die Mona Lisa an, da diskutieren die Leute bis heute, ob sie lächelt oder schlecht drauf ist. So war das im Song mit den Bildern, die hängen und fallen, gemeint.
Also eine Art musikalischer Museumsgang?
Du machst dir bei Porträtmalern in Museen doch immer Gedanken über die Porträtierten. Von Picasso habe ich viel gesehen, auch ein Bild, dass seine Ehefrau darstellen sollte. Die Frau sah sehr abstrakt aus. Da dachte ich mir, ob Picasso wohl an dem Tag Abendessen bekommen hat? (lacht)
Seit 2017 sind drei Ihrer Geschwister gestorben: Malcolm, der mit Ihnen das Herz von AC/DC war, nur drei Wochen später George, der die frühen AC/DC-Alben produzierte und 2019 Ihre Schwester Margaret, von deren Nähmaschine der Legende nach der Bandname stammt. Wie haben Sie das verkraftet?
Das war schon alles schwer. Aber es ist auch das, was jeder in seinem Leben erfahren muss. Da geht es uns allen gleich. Ja, es war hart, weil wir als Familie schon sehr aneinander hingen. Dass sie nicht mehr da sind, ist schwer zu begreifen, jeder von ihnen hat mit seinem Gehen ein großes Loch in mir hinterlassen. Ich denke oft an sie, wie sie waren. Vor allem mit Malcolm und George bin ich ja durch einige schwere Zeiten gegangen. Und wir wussten jedes Mal: Du musst dich an den Haaren hochziehen. Du musst weitermachen. So mache ich auch jetzt weiter.
Fühlen Sie manchmal noch die Gegenwart Ihrer Geschwister?
George – er war immer bei uns, nicht nur in den frühen Jahren als AC/DC-Produzent. Er schneite ins Studio rein, hörte sich Songs an, bewunderte manche, kritisierte andere. George und Malcolm waren immer die beiden, die mich durch all das führten. Und das ist noch immer so. Sie sind bei mir. Es klingt verrückt, aber ich führe immer noch Gespräche mit ihnen.
George wurde 1964, als Sie neun Jahre alt waren, ein Star mit den Easybeats. Als Sie elf waren, war ganz Australien im Easy-Fever, einer Down-Under-Version der Beatlemania. War diese Nähe, diese familiäre Verbundenheit mit Australiens größter Band der Sechzigerjahre der Beginn Ihrer Leidenschaft für die Musik?
Das ging sogar noch früher los. Wir waren eine musikalische Familie. Und von ganz klein auf hörte ich die Rock-’n’-Roll-Platten meiner Brüder. Das war total aufregend, jeder hörte was anderes bei uns: Der eine hörte Jazz, der andere Blues, der nächste Folk Music. Und ich saugte das alles auf, das wurde mein musikhistorisches Guthaben. Ich hatte richtig Glück.
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Und jetzt kommt bald das 50-Jahre-AC/DC-Jubiläum. Gibt es schon Pläne für 2023?
Nein, so weit voraus plane ich nicht (lacht). Der Plan, der zurzeit ansteht, ist die Hoffnung – darauf, dass die Pandemie bald verschwindet. Dass alle Menschen wieder in das Leben zurückkönnen, dass sie davor hatten.
Gibt es schon irgendwelche Tourpläne?
Sobald die Länder wieder öffnen und jeder wieder sicher und ungefährdet zu einer Show kommen kann.
Hätten AC/DC auch mit Axl Rose als Sänger weitergemacht?
Nein, Axl hatte ja seine eigenen Projekte und so war von Anfang an vereinbart, dass er uns aus der Patsche der unabgeschlossenen Tour helfen würde, solange seine eigenen Verpflichtungen ihm dabei nicht in die Quere kämen. Er hat das super hingekriegt und die Band wird ihm immer dafür dankbar sein.
Können Sie sich nach dieser Wiederauferstehung überhaupt ein Ende von AC/DC vorstellen?
(lacht) Malcolm hat Musiker ganz allgemein immer mit der Band auf der Titanic verglichen. Sie hören niemals auf, sie spielen, bis das Schiff untergeht.
Dann werden AC/DC vermutlich – wie es in dem Titanic-Song von Flash & the Pan, der zweiten Band Ihres Bruders George heißt – „down among the dead men“ weiterspielen.
(lacht laut) Das würde ich nicht ausschließen.
AC/DC – „Power Up“ (Columbia) – Das Album erscheint am Freitag (13. November) auf CD, auf Vinyl und digital. Für die Fans der Band gibt es die „One-Of-A-Kind-Deluxe-Power-Up-Box“. Drückt man den Knopf an der Seite, erstrahlt das AC/DC-Logo in Neonlicht, während die Anfangsakkorde von „Shot In The Dark“ aus den eingebauten Lautsprechern erklingen. In der Box findet sich das gesamte CD-Package in einem Softpack mit einem 20-seitigen Booklet, das exklusive Fotos enthält. Dazu ein USB-Ladekabel, um die Box stets „powered up“ zu halten.