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Roemer- und Pelizaeus-Museum

Antikenhaus bietet Reise ins Innere einer Mumie

Drei Monitore, drei Spiegel, ein 3-D-Effekt – die Animation der Mumie von Ta-cheru in der Präsentationspyramide in Hildesheim.

Drei Monitore, drei Spiegel, ein 3-D-Effekt – die Animation der Mumie von Ta-cheru in der Präsentationspyramide in Hildesheim.

Hildesheim. Verfallene Zähne, Osteoporose in den Knochen, Tuberkulose in den Lungen: Der ärztliche Befund kommt für diese Dame recht spät, doch seine Präzision ist beeindruckend. Zumal, da die Patientin dafür nicht einmal aus den sie umhüllenden Tüchern ausgewickelt wurde – was allerdings auch zu ihrer Zerstörung geführt hätte. Denn bei Ta-cheru, was so viel wie „die Syrerin“ heißt, handelt es sich um die Mumie einer Frau aus dem oberägyptischen Theben des siebten vorchristlichen Jahrhunderts, die seit 1821 zur Sammlung des Universitätsmuseums im schottischen Aberdeen zählt.

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„Einzigartige Kooperation“

Zu besichtigen ist jetzt nicht nur diese Mumie, sondern auch eine Computeranimation davon, die die umwickelte Figur aus ihrem Sarkophag herauslöst, sie scheinbar dreidimensional kreisen lässt und dabei schichtweise bis aufs Skelett freilegt. Diese „Reise ins Innere der Mumie“ - so lautet der Titel der neuen Ausstellung des Roemer- und Pelizaeus-Museums - ist das Resultat einer Zusammenarbeit des Hildesheimer Antikenhauses mit anderen Museen, mit Ärzten und Wissenschaftlern aus Hildesheim, Zürich und Heidelberg sowie mit Experten für Medizin, dreidimensionale Datenerfassung und Computervisualisierung. „Diese einzigartige Kooperation erlaubt uns völlig zerstörungsfrei neue Einblicke ebenso bei der Mumienforschung wie bei der medizinischen Diagnostik“, sagt Prof. Regine Schulz, die Direktorin des Hauses, und lässt die neue, zugleich analoge und digitale Sonderausstellung als „museale Weltpremiere“ feiern.

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Tatsächlich hat es nie zuvor die Präsentation einer Mumie in einem Museum gegeben, die überdies so gut erhalten ist, dass sie danach noch in Aberdeen, in Cincinnati im US-Bundesstaat Ohio sowie an weiteren Orten in den USA zu sehen sein wird, ebenso wie die als Hologramm beworbene Animation von Ta-cheru, die der Visualisierungsspezialist Henry Weber von der Firma Volume Graphics in Heidelberg erarbeitet hat.

Die Grundlage dafür liefern Daten eines jener 3-D-Computertomografen, die auch in der Medizin verwendet werden und die ihre Patienten mit wachsendem Fortschritt immer kürzer der schädlichen Strahlung aussetzen. „Wir erstellen mittlerweile binnen 0,15 Sekunden eine Computertomografie vom Herzmuskel“, sagt der Heidelberger Radiologie-Facharzt Roman Sokiranski. „Die ganze Mumie haben wir in weniger als 15 Sekunden erfasst.“ Die derart sekundenschnell in nur einen Viertelmillimeter dünnen Schichten gewonnenen Daten liefern freilich nur Grauwerte, denen der Animationsexperte Weber für seine Visualisierung je nach Röntgenabsorptionsdichte Farben zuordnet. „Der Luft haben wir die Farbe Schwarz, dem Gewebe braune und den Knochen weiße Farbe zugeordnet.“

Wer sich vor die rotierende Mumie stellt, kann daher am weißen Farbton erkennen, dass Knochen eine ähnliche Dichte aufweisen wie Perlen, die den Rumpf von Ta-cheru schmücken und der Fugenkitt des Sarkophags, den Weber für seine Animation wohl auch deshalb von der Mumie getrennt hat. Wer sich mit den Experten unterhält, lernt überdies, dass diese Ausstellung keineswegs in allen Details, sondern nur in deren Kombination eine Premiere ist. „Volume Graphics hat schon viele Mumien animiiert“, sagt Weber. Und die Projektion seiner Animation durch drei Spiegel in Pyramidenform lässt die Mumie scheinbar dreidimensional rotieren. Doch auch solche „3-D-Projektion“, „Dreamdoc Diamond“ oder „Magic Holo“ genannte Darstellungsformen kennen Messebesucher von vielen Produktpräsentationen.

Spannende Einblicke

Gleichviel, das Ganze wirkt sehr suggestiv und wird durch Exponate aus der mutmaßlichen Lebenszeit von Ta-cheru, der 25. Dynastie (747-656 v. Chr.), ergänzt, darunter Grabbeigaben wie Skarabäen, Amulette und Totenabbilder, aber auch Mumien von Falken, Katzen und Krokodilen oder auch der Sarg einer der als heilig verehrten Spitzmäuse, die gleichfalls mumifiziert wurden. Eine Ausstellung also, die spannende Einblicke bietet, nicht zuletzt für Ärzte und Archäologen. Die einen können daran ihre Kenntnisse früherer Krankheitsfaktoren ausweiten, die anderen gelangen sogar zu neuen Datierungen. „Aufgrund der genauen Analyse“, sagt Regine Schulz, „wissen wir jetzt, dass Ta-cheru bislang irrtümlich auf das vierte Jahrhundert datiert wurde – und tatsächlich gut drei Jahrhunderte älter ist.“ Na also.

„Ta-cheru. Eine Reise ins Innere der Mumie“. Bis 30. September im Roemer- und Pelizaeus-Museum Hildesheim, Am Steine 1-2.

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Von Daniel Alexander Schacht

HAZ

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