Carolin Kebekus in der Swiss Life Hall
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Carolin Kebekus in der Swiss Life Hall.
© Quelle: Christian Behrens
Hannover. Der Schwur kommt am Anfang. Noch bevor die Künstlerin die Bühne betreten hat, fordert ihre Stimme aus den Boxen die Zuschauer auf, sich zu erheben, und zu schwören, dass sie über alles lachen werden, was Carolin Kebekus an diesem Abend so von sich geben wird.
Die Zuschauer in der ausverkauften Swiss Life Hall schwören. Und sie werden ihren Schwur am Ende nicht gebrochen haben. Es wird wirklich sehr viel gelacht beim neuen Programm von Carolin Kebekus. Das trägt den Titel „Pussy Nation“, dauert länger als zwei Stunden, hatte in Hannover Premiere und behandelt im Wesentlichen zwei Themen: die Situation von Frauen und den weiblichen Körper.
Ein bisschen geht es auch um Trump und seine Mauer und um Ribéry und sein vergoldetes Steak („Ribérystyle essen kann ich auch: Rocher mit Papier“), aber wirklich nur ein bisschen. Viel wichtiger sind körperliche Phänomene. Ausführlich erzählt Carolin Kebekus von einer Haarentfernung im Intimbereich, von peinlichen Situationen, in die man kommen kann, wenn man zu viel getrunken hat und von den vielfältigen Schwierigkeiten bei der Suche nach dem passenden Sexualpartner. Die Offenheit, in der sie das tut, ist ganz erstaunlich.
Die Grenzen der Intimität
Wenn durch eine defekte Zeitmaschine jemand wie, sagen wir, Oscar Wilde, der ja nicht gerade ein Feind von Offenheit war, in den Zuschauerraum gebeamt worden wäre – er hätte sich errötend abgewandt. Und er hätte sich vielleicht gefragt, was da noch weiter kommen soll. Die Grenzen der Intimität hat Carolin Kebekus eigentlich hinreichend ausgelotet. Es gibt wohl keinen Bereich mehr, in den Nachfolgerinnen noch vordringen könnten. Sie müssen sich etwas anderes überlegen.
Komik ist eine Sache der Grenzüberschreitung. Lachen hat etwas Befreiendes. Damit arbeitet Carolin Kebekus, diese Künstlerin der Schamüberwindung. Wenn sie intime Details preisgibt, stellt sie eine starke Nähe zu ihrem Publikum her. Man lacht auch, weil solche öffentlichen Aussagen zu eigentlich doch recht intimen Phänomenen überhaupt möglich sind. Mario Barth ist auch ein Meister dieser Kumpelei mit den Zuschauern, ein Zurschausteller des Privaten. Aber anders als Mario Barth hat Carolin Kebekus ein Anliegen. Sie streitet für den Feminismus, sie ruft ihren Zuschauerinnen (es waren weit mehr Frauen als Männer im Publikum) zu, sich gegen den Druck zur Wehr zu setzen, einen perfekten Körper haben zu müssen und sie fordert Frauen zur Solidarität auf („hört auf, euch anzubitchen“).
Am Ende, nach mehr als zwei Stunden druckvollem (und eindrucksvollem) Dauersprechen, das ihre Stimme hörbar angestrengt hat, singt sie noch ein Lied. Dabei stehen wieder alle Zuschauerinnen wie anfangs beim Schwur.
Heute tritt Dieter Nuhr in der Swiss-Life-Hall auf. Am 31. Januar kommt Jan Böhmermann.
Von Ronald Meyer-Arlt