Ein Beatle im Winter: Das neue Album „McCartney III“

Vetrieb sich die Lockdownzeit mit Songwriting und One-Man-Sessions: Im Alleingang nahm Paul McCartney das Album „McCartney III“ auf, das am 18. Dezember erscheint.

Vetrieb sich die Lockdownzeit mit Songwriting und One-Man-Sessions: Im Alleingang nahm Paul McCartney das Album „McCartney III“ auf, das am 18. Dezember erscheint.

Nur noch ein paar Tage bis Weihnachten. So spät im Jahr erscheinen normalerweise keine Alben mehr. Normalerweise aber ist nicht das Wort des Jahres 2020. Viele Bands und Künstler haben außer der Reihe neue Songs geschrieben und aufgenommen, weil sie eben nicht auf Tour gehen konnten. So auch Paul McCartney. Im Frühjahrslockdown hat er – nur zwei Jahre nach „Egypt Station“ – im Alleingang ein neues Soloalbum fertiggestellt. Und jetzt kommt es so spät im Jahr, am 18. Dezember, dass man nicht mehr vom Schielen nach dem Weihnachtsgeschäft sprechen kann.

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„Mc Cartney III“ heißt es und bildet mit „McCartney“ (1970) und „McCartney II“ (1980) eine Trilogie der Innerlichkeit. Das erste Album war von der Traurigkeit über die Unmöglichkeit geprägt, weiter in einer Band mit John Lennon, George Harrison und Ringo Starr sein zu können. Es enthielt Songs wie „Junk“ und „Teddyboy“, die ursprünglich für das nächste Beatles-Album gedacht waren.

Das zweite selbstbetitelte Werk markierte zehn Jahre später den Abschied von den Wings. Es barg Experimentelles wie „Frozen Jap“ und Macca-Klassiker wie „Coming Up“ und „Waterfalls“ und brachte John Lennon nach fünf Jahren Pause dazu, wieder Musik zu machen. Es klang echter, tiefer, spannender, weniger kommerziell als die Werke davor.

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Eine Trilogie der Ungezwungenheit

Diesmal muss keine McCartney-Band zu Grabe getragen werden. Aber von dem markanten, spitzen, bluesigen Gitarrenriff des Beinaheinstrumentals „Long Tailed Winter Bird“ an herrscht dieselbe Leichtigkeit und Ungezwungenheit wie bei den beiden anderen Alben. Im darauffolgenden „Find My Way“ verbindet McCartney einen Text über Selbstfindung mit einer adretten, beatlesesken Melodie und beweist, dass seine Stimme immer noch überzeugend ins Falsett zu steigen vermag. „Lass mich dein Helfer sein“ singt ein optimistischer Macca, „Ich hab Tag und Nacht geöffnet“. Die Stimme vervielfältigt sich zum Chor, Bläser brassen und eine Surfgitarre à la Dick Dale scheint am Ende von Hawaii zu träumen. Nur ein kleiner Song und doch so viel darin.

„It’s still alright to be nice“, singt Paul McCartney nicht minder positiv in „Seize the Day“, einer Art Winterweihnachtsliebeslied. Vor gefühlten Ewigkeiten musste „Mädchen Paul“ sich stets für seine Gefühligkeit entschuldigen, wenn er in „Mull of Kintyre“ sein „desire to be here“ besang oder in „Maybe I’m Amazed“ von seiner Angst zu lieben kündete. Heute pflichtet man ihm bei. Er hatte immer recht. Und man liebt den Song jenseits der Botschaft auch für seine Queen-artige Schnörkelgitarre. Wie man „The Kiss of Venus“ für das Spinett liebt, das da plötzlich anhebt wie einst in „In My Life“.

Die Suche nach dem besten Sog geht weiter

Jeden Tag habe er mit dem Instrument begonnen, auf dem er das jeweilige Lied komponiert hat und dann Schicht um Schicht hinzugefügt. Dabei geht es deutlich zurück zu den Wurzeln. Bluesig ist sowohl der Stomper „Lavatory Lil“ (über jemanden, der McCartney nachhaltig verärgert hat, den er aber höflicherweise niemals beim wahren Namen nennen würde), ein Song, der gut in die „Abbey Road“-Suite gepasst hätte. Und bluesig ist auch das schwere, schleppende „Slidin‘“. McCartneys Gitarrenspiel in Letzterem klingt so dringlich, als suche er tatsächlich weiterhin nach seinem besten (Rock-)Song als danach, noch mal einen Nummer-eins-Hit zu landen.

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„Deep Deep Feeling“ mit seiner düsteren Stimmung von Unentschlossenheit, dem Mollpiano und seinem funkigen Mittelgesang klingt wie eine Vertonung der Atem abschnürenden Enge des Pandemiejahres. Acht Minuten, keine Sekunde langweilig. Wie überhaupt hier das intensivste McCartney-Album seit „Electric Arguments“ (2008) vorliegt, seiner damals dritten, bis heute letzten Veröffentlichung unter dem Pseudonym The Fireman.

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Einem Buch über Leadbelly, den legendären schwarzen Troubadour, verdankt sich der Song „Women And Wives“, in dem der Ex-Beatle wie ein alter Bluesmann klingen wollte. Das Piano in D-Moll, die Stimme bewusst dunkel gehalten, erinnert McCartney in seinem Rat, nie aufzugeben (auch wenn „jeder Pfad, den wir beschreiten / es schwerer macht, zu reisen“) aber eher an Country-Outlaw Johnny Cash, mit dem er in den 80er-Jahren das Duett „New Moon over Jamaica“ aufgenommen hatte.

Mit der Rückkehr des Eingangsriffs und „When Winter Comes“ endet „McCartney III“ folkig und zärtlich. Der letzte Song, der Schlüssel zu „McCartney III“, ist schon Anfang der Neunzigerjahre entstanden. Mit seinen Skizzen eines idyllischen Landlebens über neugierige junge Füchse und dringend nötige Zaunreparaturen weist er zurück auf das Jahr 1970, als McCartneys Nach-Beatles-Leben begann und er auf dem Land ein Heim für seine junge Familie schuf. Und es ist zugleich ein Gegenwartsstatement eines 78-jährigen Mannes, der wiewohl noch immer mit den Ausläufern von Jugendlichkeit gesegnet, doch unzweifelhaft seinem Winter entgegengeht. Ein Lebenslied. Das überdies das Porträt eines eingefrorenen Jahres ist.

Der Würfel auf dem Cover zeigt drei Augen, steht auf Kante, keiner weiß also, was McCartney gewürfelt hat. Musikalisch ist „McCartney III“ eine Sechs, ein Volltreffer, keine Füllsongs, keine auf Kommerz getrimmten „Fuh Yous“. Ein Riesenspaß seien die Sessions gewesen, erfüllend der Ansatz, Musik für sich selbst zu machen statt Musik, die eine Aufgabe hat.

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„Ich habe Musik immer noch nicht satt“

„Ich habe Musik immer noch nicht satt“, erklärte McCartney jüngst der „New York Times“. „Ich hätte schon vor langen Jahren von ihr gelangweilt sein müssen.“ Und so wird für seine Fans Advent IV mit „McCartney III“ schöner als seine drei Vorgänger.

Paul McCartney – „McCartney III“ (Capitol)




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