Joseph Joachim Wettbewerb

Kanadier Timothy Chooi ist bester Geiger

Gesten im Gleichklang: Der kanadische Timothy Chooi im Zusammenspiel mit Andrew Manze.

Gesten im Gleichklang: Der kanadische Timothy Chooi im Zusammenspiel mit Andrew Manze.

Hannover. So viel Auswahl war nie: In der letzten Runde des Joseph Joachim Violinwettbewerbs war den Finalisten vollkommen freigestellt, welches Stück sie spielen wollen. Die NDR Radiophilharmonie und ihr Dirigent Andrew Manze hätten sie bei jedem nur denkbaren Violinkonzert begleitet. Genutzt wurde dieses bemerkenswerte Angebot allerdings nicht. Alle sechs Finalisten waren an solchen Freiheiten nicht interessiert. So standen am Donnerstag und Freitag im Funkhaus zum Teil mehrfach die üblichen Werke auf dem Programm: Tschaikowsky war dreimal zu hören, Sibelius zweimal und einmal Mendelssohn. Bei einem der höchstdotierten Musikwettbewerbe der Welt ist am Ende auch nur das zu hören, was überall zu hören ist: An der Vielfalt des Repertoires gemessen war dieses Finale eine Enttäuschung.

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Interessantes Teilnehmerfeld

Umso vielfältiger und interessant waren dafür die sehr unterschiedlichen Qualitäten der Teilnehmer: So groß wie in dieser zehnten Ausgabe war die Bandbreite in der Endrunde des Violinwettbewerbs in den vergangenen Jahren nicht. Entsprechend schwierig war die Entscheidung für die zwölfköpfige Jury.

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Der Kanadier Timothy Chooi erwies sich im Verlauf des Wettbewerbs als der beste Kommunikator. Im Finale nahm er immer wieder Kontakt zu Manze und dem Orchester auf, um Klang und Charakter einer Melodie ein wenig zu verändern, um einen musikalischen Dialog anzuknüpfen, um gemeinsam das Ziel einer Phrase anzusteuern oder eine überraschende Zäsur zu setzen. Der 24-Jährige hat sich zwar mit dem Tschaikowski-Konzert für das wohl meistgespielte Stück entschieden – wie genau das klingen soll, scheint bei ihm aber trotz einer manchmal etwas zu sehr auf Hochglanz polierten Oberfläche nicht im Voraus festzustehen. Er präsentiert nicht eine einstudierte Version, er ist ein musikalischer Spielertyp: jederzeit offen dafür, sich vom gemeinsamen Musizieren treiben zu lassen. Damit kommt er weiter als die Konkurrenz: Chooi gewinnt die zehnt Ausgabe des zehnten Joseph Joachim Violinwettbewerbs.

Eine Art Gegenentwurf zum extrovertierten Kanadier ist der junge Geiger Dmytro Udovychenko. Mit großem Ernst und wenig äußerer Bewegung stellt er sich dem Violinkonzert von Sibelius und erreicht dabei eine bemerkenswerte Intensität. Rau und schroff schichtet er Akkorde wie Felsbrocken und lässt doch immer wieder auch viel Licht in die zerklüftete Musiklandschaft des finnischen Komponisten. Große technische Souveränität scheint für den 1999 in der Ukraine geborenen Udovychenko ohnehin eine Selbstverständlichkeit zu sein. Der zweite Platz für ihn ist eine gute Entscheidung.

Erfolg für den Wettbewerbsleiter

Ganz andere Qualitäten stellt die 22-jährige Französin Cosima Soulez Larivière, die den dritten Preis gewinnt, unter Beweis. Ihr Geigenton betört mit einer bronzenen Fülle, die wie aus der Zeit gefallen scheint: So warm und reich mögen Violinen geklungen haben, als der russische Klangzauberer David Oistrach das Maß aller Dinge war. Die Geigerin aus der Klasse von Wettbewerbsleiter Krzysztof Wegrzyn – der damit wieder eine Schülerin unter den Preisträgern hat – verfügt zudem über eine große Ausstrahlung – allerdings hatte sie im Sibelius-Konzert, dessen herber Tonfall gut zu ihrem Spiel passt, leichte Probleme in der Koordination mit dem Orchester.

Der 19-jährige Japaner Rennosuke Fukuda (Platz vier) präsentiert sich in Hannover als vielversprechendes Talent. Seine geigerischen Möglichkeiten scheinen schon jetzt kaum begrenzt, und seine Hingabe an Tschaikowskis schwelgerische Musik ist so groß, wie sie wohl nur bei einem Teenager sein kann. Youjin Lee, 1995 in Südkorea geboren, präsentierte ebenfalls eine schön harsche Version des Tschaikowski-Konzertes, fiel aber nicht nur wegen einiger Patzer technisch etwas hinter die Konkurrenz zurück und landet auf Platz sechs.

Für Leonard Fu aus Kiel gelingt mit dem fünften Platz ein Achtungserfolg: Der 21-Jährige findet einen eigenen Zugang zu Mendelssohns Violinkonzert, hat viel Gespür für die Lyrik im langsamen Mittelteil und für die frühromantische Eleganz in den Ecksätzen. Fu ist einer der interessantesten Musiker im Finale – macht aber leider etwas zu viele kleine Fehler. Mit Manze und der Radiophilharmonie hat er dafür ausgewiesene Experten für diesen Komponisten an seiner Seite: Die Einspielungen der Mendelssohn-Sinfonien haben Dirigent und Orchester selbst zu (Schallplatten-)Preisträgern gemacht.

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Gewinner des von der Stiftung Niedersachsen aufgelegten Wettbewerbs sind aber ohnehin alle sechs Teilnehmer des Finales. Der mit 50 000 Euro dotierte erste Preis schließt auch eine CD-Produktion und Konzertangebote ein. Außerdem darf der Sieger drei Jahre auf der kostbaren Guadagnini-Geige spielen, die die Fritz-Behrens-Stiftung zur Verfügung stellt. Der zweite und dritte Preis sind mit 30 000 und 20 000 Euro ausgestattet, die übrigen drei Finalisten bekommen je 8000 Euro.

Am heutigen Sonnabend, 20 Uhr, präsentieren sich die Preisträger bei einem Galakonzert im Funkhaus.

Von Stefan Arndt

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